I.
24. Das veiteand
box 29/1
en eeneeenen eneneeneegshe
„Kultur“, die es so herrlich weit gebracht hat, darstellen. Ein Erbe,
das Ibsen einst hinterlassen hat, wird hier verwaltet, nicht mit dem
grimmem Ernst, dem Alles oder Nichts=Fanatismus des alten
Wahrheitssuchers, doch bei resignierterem, weichherzigerem Gebaren
mit g'eichgerichtetem Drang nach Ertenntnis, nach Wahrheit, nach
den letzten, heimlichsten Wirklichkeiten hinter den Masken ..
Arthur Schnitzler ist mehr und mehr zum gewichtigsten Ver¬
treter dieser Wiener Art geworden. Seinen seinen, weichen Fingern
gelingt es zum Erstaunen, den Menschen, die er auf seiner Bühne
versammelt, die Larven vom Gesicht und Schleier nach Schleier von
der Seele zu nehmen, bis sie hüllenlos dastehen, mit nichts be¬
kleidet als der Kultur ihrer äußeren Formen, ihrer tadellosen Wohl¬
anständigkeit und Gesellschafts=Tressur — nackt, trotz dieses gro߬
artig zugeschnittenen Menichheitskostüms à la mode. Er tut es auch
hier wieder zum Erschrecken, trotzdem gerade bei der Wahl des
Themas, die er diesmal traf, wunderbarste Gelegenheit gewesen
wäre, der Nacktheit die schönsten drapierenden Mäntelchen umzu¬
hängen! Das weite Land, in das er mit melancholisch=bitterem
Spott hineinschaut, ist die Seele. Ein Chaos sieht er, in dem
die schneidendsten Gegensätze dicht beisammen hocken: Liebe und Haß,
Sehnsucht und Zynismus, Treue und Verrat. Wie bequem und
vor allen Dingen modern wäre es gewesen, aus allem dem ein
behagliches Jenseits von Gut und Böse zu konstruieren, in dem es
sich höchst komserfabel als Uebermenich hätte hausen lassen. Auder¬
— Schnitzler ist so altmodisch, dieses Chaos im weiten Land der
Seele unzweidentig als Dekadenz=Erscheinung einer überkulti¬
vierten Zeit zu signieren. Denn die Art, wie er an der Haupt¬
handlung exemplisiziert, bringt mit unheimlich stiller Wucht die Tat¬
sache wieder und wieder zur Erscheinung: wie alles, was Wert hat
und echt ist, in der Seele niedergetreten, verwüstet, in den Tod ge¬
jagt wird von jenen Dekadenten, deren verführerischster und zu¬
gleich erschreckendster Typ in dem Fabrikanten Hofreiter gezeichnet
ist. Der seine ihn vergötternde Frau systematisch in den Ehebruch
hineintreibt, dann aus der ohnmächtigen Wut über die Ueberlegen¬
heit eines gleichfalls von ihm betrogenen Ehemanns heraus den
jungen redlichen Kerl, der seine Frau liebt, beschimpft und im Duell
kaltblütig über den Haufen schießt — und der doch zugleich ein
guter Freund und warmherziger Vater sein kann. Gewiß
die
Seele ist ein weites Land — aber das hindert nicht, daß wir einen
solchen Menschen im Handeln seiner Frau gegenüber als einen
Schurken empfinden. Daß Schnitzler unzweideutig derselben Mei¬
nung ist, hat er an dem Verhalten des Dr. Mauer, des Freundes
Hofreiters, völlig klar gemacht. Auch der letzte Akt kann; darüber
nicht irre machen, der das Vatergefühl in dem Dekadenten aufblitzen
läßt. Frau und Freund sprechen das Urteil, indem sie sich von ihm
lösen, er selbst spricht es, indem er das weibliche Gegenstück, die
moderne Jungfran, die seine Geliebte ist, von sich abwehrt. Es ist
Gerechtigkeit in diesem Schluß. Vielleicht zu viel Gerechtigkeit
vom Standpunkte des Lebens aus (Gegner werden es entrüstet
„Sentimentalität“ nennen). Dennoch hat sich der Künstler Schnitz¬
ler, der hier behntsamer als je ist, in der Zeichnung nichts dabei
vergeben. Und der Mensch erst recht nichts!
Das Stück ist kein Publikums=Erzeugnis. Leise, allzu leise, oft
für den Theatererfolg geht## seinen Weg ins Innere der Men¬
schen, breitet die Fülle seiner Erkenntnisse, seiner feinziselierten
Worte in allzu breit hinfließendem Strom aus. Biegt dann für
einen Akt (den dritten) bewußt in ein populäres Fahrwasser, um
hier freilich stark aus der Sphäre Schnitzlers in die grobkörniger
Lustspielfabrikanten zu geraten. Kehrt mit dem 4. Akt in Schnitz¬
lers Heimat zurück und formt dann ein Musterbeispiel stillster und
dabei dramatischster Entladung, von dem man nur wünschen möchte,
daß die Herren Sudermann, Vataille und Konsorten es recht von
Herzen
studieren möchten!
es mit alledem
ein
Zugstück werden kann
s ist mehr kals zweifelhaft, aber
ein Genuß
für Feinschmecker der Technik und eine
Freude für alle, denen die feelische Dekadenz unserer
Zeit kein Deklamationsthema ist, wird dies weite Land bedeuten!
Die aristokratisch erlesene Art dieses Dichters, mit den Ingredien¬
zien der Bühne umzugehen, hatte in den Beteiligten am Neuen Theater
ein nolleste üblige=Gefühl geweckt, das wie ein seiner, warmer Strom
durch die Zussenierung, wie durch das Zusammenspiel dahinfloß. Das
Bild der schmucken Billa Hofreiters, die sich in überraschender maleri¬
scher Pianik mit ihrem hoben, roten Spindeldach kokett modern aus dem
verschlungenen Grün der Gartenpsade emporhob, dieser lauschige Gar¬
tenausschnitt selbst, mit seinen zentralen Rofenboskett, den weißleuch¬
tenden Wiener Möbeln, dem Staketenzanne, über den die weiten Wiesen
jund die sanft geschwungenen Linien des Wiener Waldes anheimelnd
traulich herübergrüßten, es war ein Geschenk geschmackvoller, stimmungs¬
feiner Bühnenillusion, das man mit wahrhafter Freude genoß. Der
Regie des Herrn Huth ward durch das Bühnenbild vortrefflich in die
Hände gearbeitet: dem Spiel der Menschen rings um das Rosenboskett
wußte er im Zusammenklang wie Einzelton subtilen Schliff zu geben.
Das Gequirl im Hotelvestibül des 3. Attes klaffte dagegen hier und da
noch etwas auseinander, hier müßten die Fugen und Nähte noch besser
vertuscht werden. Aber was die Hauptsache bleibt: die beklemmende
Stille einer beherrschten Oberfläche, unter der das Weh brennt und die
Stürme toben, das eigentliche Lebenselement dieses Stückes, sie war in
den vier Akten, in denen Schnitzlers Seele lebt, durchaus lebendig. Nur
würde sie in dem intimeren Raum des Alten Theaters weit besser zur
Wirkung gekommen sein!
Das Beste in den Einzelleistungen bot Herr Walter, der aus
dem äußerlich so verführerischen, feelisch so ungeheuerlich „weit“ver¬
anlagten Hofreiter eine geradezu glänzende Menschenstudie formte.
Frl. Nolewska sekundierte ihn als gesolterte Gattin vollgültig. Für
das moderne Mädel Erna Wahl fand Frl. Fuchs nur mittelgute
Linien, das Kostüme des letzten Aktes war unmöglich. Herr Wendt
gab dem Dr. Mauer ernste Würde, Herr Brügmann dem jungen Lieb¬
haber überzeugende natürliche Gradheit. Das Publikum verhielt sich,
ziemlich reserviert.
24. Das veiteand
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en eeneeenen eneneeneegshe
„Kultur“, die es so herrlich weit gebracht hat, darstellen. Ein Erbe,
das Ibsen einst hinterlassen hat, wird hier verwaltet, nicht mit dem
grimmem Ernst, dem Alles oder Nichts=Fanatismus des alten
Wahrheitssuchers, doch bei resignierterem, weichherzigerem Gebaren
mit g'eichgerichtetem Drang nach Ertenntnis, nach Wahrheit, nach
den letzten, heimlichsten Wirklichkeiten hinter den Masken ..
Arthur Schnitzler ist mehr und mehr zum gewichtigsten Ver¬
treter dieser Wiener Art geworden. Seinen seinen, weichen Fingern
gelingt es zum Erstaunen, den Menschen, die er auf seiner Bühne
versammelt, die Larven vom Gesicht und Schleier nach Schleier von
der Seele zu nehmen, bis sie hüllenlos dastehen, mit nichts be¬
kleidet als der Kultur ihrer äußeren Formen, ihrer tadellosen Wohl¬
anständigkeit und Gesellschafts=Tressur — nackt, trotz dieses gro߬
artig zugeschnittenen Menichheitskostüms à la mode. Er tut es auch
hier wieder zum Erschrecken, trotzdem gerade bei der Wahl des
Themas, die er diesmal traf, wunderbarste Gelegenheit gewesen
wäre, der Nacktheit die schönsten drapierenden Mäntelchen umzu¬
hängen! Das weite Land, in das er mit melancholisch=bitterem
Spott hineinschaut, ist die Seele. Ein Chaos sieht er, in dem
die schneidendsten Gegensätze dicht beisammen hocken: Liebe und Haß,
Sehnsucht und Zynismus, Treue und Verrat. Wie bequem und
vor allen Dingen modern wäre es gewesen, aus allem dem ein
behagliches Jenseits von Gut und Böse zu konstruieren, in dem es
sich höchst komserfabel als Uebermenich hätte hausen lassen. Auder¬
— Schnitzler ist so altmodisch, dieses Chaos im weiten Land der
Seele unzweidentig als Dekadenz=Erscheinung einer überkulti¬
vierten Zeit zu signieren. Denn die Art, wie er an der Haupt¬
handlung exemplisiziert, bringt mit unheimlich stiller Wucht die Tat¬
sache wieder und wieder zur Erscheinung: wie alles, was Wert hat
und echt ist, in der Seele niedergetreten, verwüstet, in den Tod ge¬
jagt wird von jenen Dekadenten, deren verführerischster und zu¬
gleich erschreckendster Typ in dem Fabrikanten Hofreiter gezeichnet
ist. Der seine ihn vergötternde Frau systematisch in den Ehebruch
hineintreibt, dann aus der ohnmächtigen Wut über die Ueberlegen¬
heit eines gleichfalls von ihm betrogenen Ehemanns heraus den
jungen redlichen Kerl, der seine Frau liebt, beschimpft und im Duell
kaltblütig über den Haufen schießt — und der doch zugleich ein
guter Freund und warmherziger Vater sein kann. Gewiß
die
Seele ist ein weites Land — aber das hindert nicht, daß wir einen
solchen Menschen im Handeln seiner Frau gegenüber als einen
Schurken empfinden. Daß Schnitzler unzweideutig derselben Mei¬
nung ist, hat er an dem Verhalten des Dr. Mauer, des Freundes
Hofreiters, völlig klar gemacht. Auch der letzte Akt kann; darüber
nicht irre machen, der das Vatergefühl in dem Dekadenten aufblitzen
läßt. Frau und Freund sprechen das Urteil, indem sie sich von ihm
lösen, er selbst spricht es, indem er das weibliche Gegenstück, die
moderne Jungfran, die seine Geliebte ist, von sich abwehrt. Es ist
Gerechtigkeit in diesem Schluß. Vielleicht zu viel Gerechtigkeit
vom Standpunkte des Lebens aus (Gegner werden es entrüstet
„Sentimentalität“ nennen). Dennoch hat sich der Künstler Schnitz¬
ler, der hier behntsamer als je ist, in der Zeichnung nichts dabei
vergeben. Und der Mensch erst recht nichts!
Das Stück ist kein Publikums=Erzeugnis. Leise, allzu leise, oft
für den Theatererfolg geht## seinen Weg ins Innere der Men¬
schen, breitet die Fülle seiner Erkenntnisse, seiner feinziselierten
Worte in allzu breit hinfließendem Strom aus. Biegt dann für
einen Akt (den dritten) bewußt in ein populäres Fahrwasser, um
hier freilich stark aus der Sphäre Schnitzlers in die grobkörniger
Lustspielfabrikanten zu geraten. Kehrt mit dem 4. Akt in Schnitz¬
lers Heimat zurück und formt dann ein Musterbeispiel stillster und
dabei dramatischster Entladung, von dem man nur wünschen möchte,
daß die Herren Sudermann, Vataille und Konsorten es recht von
Herzen
studieren möchten!
es mit alledem
ein
Zugstück werden kann
s ist mehr kals zweifelhaft, aber
ein Genuß
für Feinschmecker der Technik und eine
Freude für alle, denen die feelische Dekadenz unserer
Zeit kein Deklamationsthema ist, wird dies weite Land bedeuten!
Die aristokratisch erlesene Art dieses Dichters, mit den Ingredien¬
zien der Bühne umzugehen, hatte in den Beteiligten am Neuen Theater
ein nolleste üblige=Gefühl geweckt, das wie ein seiner, warmer Strom
durch die Zussenierung, wie durch das Zusammenspiel dahinfloß. Das
Bild der schmucken Billa Hofreiters, die sich in überraschender maleri¬
scher Pianik mit ihrem hoben, roten Spindeldach kokett modern aus dem
verschlungenen Grün der Gartenpsade emporhob, dieser lauschige Gar¬
tenausschnitt selbst, mit seinen zentralen Rofenboskett, den weißleuch¬
tenden Wiener Möbeln, dem Staketenzanne, über den die weiten Wiesen
jund die sanft geschwungenen Linien des Wiener Waldes anheimelnd
traulich herübergrüßten, es war ein Geschenk geschmackvoller, stimmungs¬
feiner Bühnenillusion, das man mit wahrhafter Freude genoß. Der
Regie des Herrn Huth ward durch das Bühnenbild vortrefflich in die
Hände gearbeitet: dem Spiel der Menschen rings um das Rosenboskett
wußte er im Zusammenklang wie Einzelton subtilen Schliff zu geben.
Das Gequirl im Hotelvestibül des 3. Attes klaffte dagegen hier und da
noch etwas auseinander, hier müßten die Fugen und Nähte noch besser
vertuscht werden. Aber was die Hauptsache bleibt: die beklemmende
Stille einer beherrschten Oberfläche, unter der das Weh brennt und die
Stürme toben, das eigentliche Lebenselement dieses Stückes, sie war in
den vier Akten, in denen Schnitzlers Seele lebt, durchaus lebendig. Nur
würde sie in dem intimeren Raum des Alten Theaters weit besser zur
Wirkung gekommen sein!
Das Beste in den Einzelleistungen bot Herr Walter, der aus
dem äußerlich so verführerischen, feelisch so ungeheuerlich „weit“ver¬
anlagten Hofreiter eine geradezu glänzende Menschenstudie formte.
Frl. Nolewska sekundierte ihn als gesolterte Gattin vollgültig. Für
das moderne Mädel Erna Wahl fand Frl. Fuchs nur mittelgute
Linien, das Kostüme des letzten Aktes war unmöglich. Herr Wendt
gab dem Dr. Mauer ernste Würde, Herr Brügmann dem jungen Lieb¬
haber überzeugende natürliche Gradheit. Das Publikum verhielt sich,
ziemlich reserviert.