II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 382

W
I.
II
box 29/1
24. Das
Ausschnitt ausaig
Sus W A
vomt“ #üben 17



K
S
Ein Freund Hofreiters hat sich nämlich erschossen, und Seine Rache besteht nur in hämischen Verleun
Das weite Land.
der „vorurteilsfreie" Ehemann hält den Selbstmord für
jeweiligen Geliebten seiner angebeteten Ehegat
(Erstaufführung im Lobe=Theater.)im kausalen Zusammenhange mit dem Verhältnis des
Eine dritte Svezies des Ebebruchs hören
Die dreizehnsache Premiere der Arthur Sch
tzlerschen Selbstmörders zu seiner (Hofreiters) Frau stehend. Als
Schilderung des Hoteldirektors Dr. von Aign
fünfaltigen Tragikomödie am
ihm nun an der Hand des Abschiedsbriefes des Ver¬
seine Frau ebenso heiß geliebt, wie sie ihn, um
Erstaufführungs=Publikum der wesentlichsten Größstllöte
#enen nachweist, daß sie nie die Geliebte des Er¬
gewissermaßen „naturgemäß“ betrog, war es
Deutschlands und Oesterreichs die sicher irrige Meinung
schossenen war, und daß gerade in dieser Versagung aus zwischen den beiden, eben weil sie sich so 1
vermittelt, daß die Haupttätigkeit der besseren Kreise
der Grund des Selbstmordes lag, da fühlt er sich seiner
Dann ist von wesentlichen Charakteren da
Frau entfremdeter denn je, und zwar — weil er nicht.
Wiens im Ehebrechen besteht. Natürlich mit den physisch
einem moralfesten Dr. Mauer (der in dem
begreifen kann, daß sie „einer solchen Kleinigkeit“ wegen
gebotenen Pausen, die durch Tennisspiel und pfendo¬
lediglich seiner Moral wegen fast trottelhaft wirk
einen so tüchtigen Menschen habe in den Tod schicken
philosophieren über Ehebruch und Tennis ausgefüllt wer¬
Zwanzigjährige, die Erna Wahl, deren falf
können! Diese Auffassung wäre ja nun freilich sehr
den. Der Naive glaubt lauter höchst komplizierten Charak¬
Sinnlichkeit sie in Hofreiter den Idealtyv des
„kompliziert“, wenn sie wirklich der wahre Grund seiner
teren gegenüber zu stehen, die aus Gott weiß was für
blicken läßt, so daß sie diesem wurmstichigen,
zweifellos durch den Selbstmord eingetretenen größeren
tiefen Motiven heraus die Polygamie für sich in Anspruch
Schwächling dem tüchtigen Dr. Mauer vorzieht.
nehmen.
Entfremdung wäre. Der gute Lebemann macht sich und
Bei der Neigung Schnitzlers, sich in Dete
seiner Frau aber nur etwas vor. Im Grunde ist es
Du lieber Himmel, und wie wenig „kompliziert" sind
lieren, gibts natürlich noch eine Menge mehr o
schließlich nur die für ihn beschämende Erkenntnis, daß
sie im Grunde. Daß der Mann im Gegensatz zur Frau
belangloser Evisodenfiguren, die mit dem Ker
seine Frau auf einem ganz anderen, ihm unerreichbaren
tatsächlich volygamer veranlagt ist, das ist doch schlie߬
Stückes nicht das geringste zu tun haben, und
moralischen Niveau steht. Frau Genia mit ihren bürger¬
lich eine Binsenweisheit. für die Schopenhauer sogar
Breslauer Aufführung zum Teil wohltätigen R
lichen Moralbegriffen wird nach der Erklärnug ihres
eine ganz plausible naturwissenschaftliche Erklärung ge¬
zum Opfer fielen. (Auch ein rauhbeiniger Hote
Ehegatten naturgemäß an sich und der Welt irre, sie läßt
funden hat. Er meint nämlich, daß die Natur es darauf
lauer Provenienz, der in der Buchausgabe vol
sich trotz aller hoffnungslosen Liebe zu Hofreiter in ein
abgesehen habe, jede Gattung nach Möglichkeit zu ver¬
hier mit Recht ausgeschaltet worden.)
intimes Verhältnts mit einem jungen, unbedeutenden
breiten. Da nun der Mann — das nötige seminine Mate¬
Alles in allem: Schnitzler hat im weiten
Marine=Fähnrich ein, den der „vorurteilsfreie“ Ehemann
rial vorausgesetzt — gut und gerne über zweihundert
Titel stammt von dem „tiefen“ Ausspruch Dr.
daraufhin kaltblütig über den Haufen schießt. Der kom¬
Nachkommen im Jahre zeugen könne, die Frau aber nur
Die Seele ist ein weites Land“) gezeigt, daß i
plizierte Herr Hofreiter ist also im Grunde weiter nichts,
ein Kind (wozu schließlich — theoretisch — nur ein Mann
für das große Drama fehlt. So packend sein
als ein haltloser, posierender Instinktmensch, der zynischste
erforderlich ist), so sei die polygame Veranlagung des
stets waren, so wenig ist es ihm bisher gelun
Brutalität für imponierende Größe hält. Nicht mal die
Mannes ebenso plausibel erklärt als die monogame der
geren Bühnenarbeiten pausenlos zu fesselt
Tötung des jungen Geliebten seiner Frau ist bei ihm aus
Frau.
keineswegs entbusiastische Beifall, den di
einem wertbaren „besseren“ Gefühl heraus erfolgt, (etwa
fand, immerhin als Gradmesse
mit ang
Der ehetreue Mann ist also demnach wohl immer
aus Eifersucht), im Grunde glaubt er das Duell lediglich
Probleme stellt oder löst
komplizierter (well mit moralischen Hemmungsvor¬
seiner durch Konvention bestimmten Pose schuldig zu sein;keineswegs, sie gibt ledig
stellungen begabt), als der landläufige untreue, der ja eben
er will dem jungen Menschen eigentlich gar nichts tun.
wisser Lebekreise, die Scht
lediglich einem Naturinstinkt folgt.
und erst als er auf dem Kampfplatz im Auge des Jungen
kte
ganz richtig mit folgenden
Am kompliziertesten (im Sinne der Naiven) mag in
sieht, daß es dem verflucht ernst ist, schießt er ihn kalt¬
1„Ich versichere Sie, Genia,
ngste
dem Schnitzlerschen Stück vielleicht Friedrich Hofreiter er¬
blütig tot. — um das eigene Leben zu retten. Daß Hof¬
zuwenden gegen eine Welt,
iebe wit
scheinen. Er hat sich niemals irgend welchen Zwang auf¬
reiter es fertig bringt, unmittelbar nach dem Duell in
anderes wäre als ein köstlich
Aber
erlegt und seine geistig und moralisch himmelhoch über gleichgültig=liebenswürdigem Tone mit der nichtsahnenden
dann ehrlich, bitte! Ebrlich
ich gelten. Aber dies Inein
ihm stehende Frau betrogen, so oft sich ihm nur die Ge= Mutter seines Kontrabenten zu konversieren, wirkt einfach
Zurückt
legenheit dazu bot. Daß er sich keine sonderliche Mühe ge¬
Frechheit, von feiger Eifersuch
erlogenem
ekelhaft abstoßend und kennzeichnet den „Komplizierten“
geben hat, seine Aventüren vor seiner Frau zu verbergen,
von rasender Leidenschaft und leerer Lust,
als brutalsten Amoralisten.
hier sehe — das finde ich trübselig und —
rechnet er sich als ein ungeheures moralisches Plus an:
—grau
Die Freiheit, die sich hier brüstet, der feblt es
natürlich ist er gerecht und — sagen wir — „kompliziert“
Eine andere Form der Ehebruchs=Auffassung vertritt
an sich selbst. Darum gelingt ihr die beitere
genug. auch von seiner Frau keine Treue zu verlangen,
i Schnitzler der Bankier Natter. Er weiß wohl von den
die sie so gern annehmen möchte ..., darum ar
was ihn indessen nicht hindert, seinen Zweifeln an der
Abenteuern seiner Frau, duldet sie aber schweigend, weil
wo sie lachen will.“
Treue seiner Frau gelegentlich in einem hart an Eifer=1er „rettungslos verliebt“ in seine Frau ist und trotz allen
ie Hauptrolle des Friedrich Hofreiter
sucht grenzenden Verbör Luft zu machen¬
Bemübungen „innerlich nicht von ihr loskommen kann“. Herrn Strobl aanz vortrefflich verkörvert.