II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 383

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24. Das weite Land

Ein Freund Hofreiters hat sich nämlich erschossen, und Seine Rache besteht nur in hämischen Verleumdungen des süllte Frau Santen als Frau Genia die weitgebendsten
Wünsche. Herr Elfeld bemühte sich erfolgreich, ein,
jeweiligen Geliebten seiner angebeteten Ehegattin.
„vorurteilsfreie“ Chemann hält den Selbstmord für
würdiger, ernster Vertreter der offenbar als antiquiert an¬
Eine dritte Svezies des Ehebruchs hören wir aus der
kausalen Zusammenhange mit dem Verhältuis des
Schilderung des Hoteldirektors Dr. von Aigner. Er hatzusehenden Moral zu sein. Herrn Bauer glaubte man
lbstmörders zu seiner (Hofreiters) Frau stehend. Als
seine Unwiderstehlichkeit, die er als Direktor Dr. v. Aigner
seine Frau ebenso heiß geliebt, wie sie ihn, und als er sie
ihm nun an der Hand des Abschiedsbriefes des Ver¬
auf alle weiblichen Wesen ausüben soll. Auch Herr Skoda
enen nachweist, daß sie nie die Geliebte des Er=gewissermaßen „naturgemäß“ betrog, war es aus, völlig
gab sich redliche Mühe mit dem Marine=Fähnrich Otto.
ssenen war, und daß gerade in dieser Versagung aus zwischen den beiden, eben weil sie sich so liebten.
Die kleine Rolle des Bankiers Natter war bei Herrn
Dann ist von wesentlichen Charakteren da noch außer
Grund des Selbstmordes lag, da fühlt er sich seiner
Schmidt in guten Händen. Dagegen war es fraglos ein
einem moralfesten Dr. Maner (der in dem Mileu schon
au entfremdeter denn je, und zwar —
— weil er nicht
Besetzungsfehler, die zwanzigjährige Erna dem Frl. Lind
zu übertragen. Sie hat zwar keineswegs versagt, und hat
lediglich seiner Moral wegen fast trottelhaft wirkt) noch eine
reifen kann, daß sie „einer solchen Kleinigkeit“ wegen
aus der Rolle gemacht, was sie daraus machen konnte, aber
en so tüchtigen Menschen habe in den Tod schicken
Zwanzigjährige, die Erna Wahl, deren falsch geleitet¬

ein Besetzungsfehler bleibt's doch. Frl. Jauck we
nen! Diese Auffassung wäre ja nun freilich sehr
Sinnlichkeit sie in Hofreiter den Idealtyn des Mannes er¬
hätte gerabe für diese Rolle ganz andere Qualitä
mpliziert“, wenn sie wirklich der wahre Grund seiner
blicken läßt, so daß sie diesem wurmstichigen, posierenden
zufeben gehabt. Schlieftlich sei dem nichts verdi
eisellos durch den Selbstmord eingetretenen größeren
Schwächling dem tüchtigen Dr. Mauer vorzieht.
Frl. Salta noch ein Lob für ihre verständige Fra
tfremdung wäre. Der gute Lebemann macht sich und
Bei der Neigung Schnitzlers, sich in Details zu ver¬
hold Aigner gespendet. In den kleineren Rollen
ner Frau aber nur etwas vor. Im Grunde ist es
lieren, gibts natürlich noch eine Menge mehr oder weniger
beschäftigt Frl. Eckert und Frl. Kernic die
ließlich nur die für ihn beschämende Erkenntnis, daß
belangloser Evisodenfiguren, die mit dem Kernpunkt des
Ilt, Halvern Glasemann, Koch und Lion, die
ne Frau auf einem ganz anderen, ihm unerreichbaren
Stückes nicht das geringste zu tun haben, und die bei der
sich mit einem Kollektivlob begnügen mögen.
bralischen Niveau steht. Frau Genia mit ihren bürger¬
Breslauer Aufführung zum Teil wohltätigen Regiestrichen
E. Scupin.
en Moralbegriffen wird nach der Erklärnug ihres
zum Opfer fielen. (Auch ein rauhbeiniger Hotelgast Bres¬
Begatten naturgemäß an sich und der Welt irre, sie läßt
lauer Provenienz, der in der Buchausgabe vorkommt, ist
In den anderen „Premieren“=Städten hat Schnitzlers
htrotz aller hoffnungslosen Liebe zu Hofreiter in ein
hier mit Recht ausgeschaltet worden.)
Tragikomödie etwa den gleichen Erfolg gehabt, wie in
imes Verhältnts mit einem jungen, unbedeutenden
Alles in allem: Schnitler hat im weiten Land (der
arine=Fähnrich ein, den der „vorurteilsfreie“ Ehemann
Titel stammt von dem Stiefen“ Ausspruch Dr. v. Aigners: Breslau, so wird aus Berlin geschrieben: „Artbur
Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ wurde im
raufhin kaltblütig über den Hausen schießt. Der kom¬
Die Seele ist ein weites Land“) gezeigt, daß ihm der Zug
Lessing=Theater aufgeführt. Unbestrittenen Erfolg hatte
zierte Herr Hofreiter ist also im Grunde weiter nichts.
für das große Drama fehlt. So packend seine Einakter
der dritte Akt, in dem namentlich die hübschen Lustsviel¬
ein haltloser, posierender Instinktmensch, der zynischste
stets waren, so wenig ist es ihm bisher gelungen, in län¬
szenen gefielen. Nach den anderen Akten klang der Beifall
frutalität für imponierende Größe hält. Nicht mal die
geren Bühnenarbeiten pausenlos zu fesseln, wofür der
nicht sehr stark. Vom vierten Akt an gab es auch Wider¬
Ptung des jungen Geliebten seiner Frau ist bei ihm aus
keineswegs entbusiastische Beifall, den die Première hier
— Aus München verlautet: „Im Königlichen
spruch.“
iem wertbaren „besseren“ Gefühl heraus erfolgt, (etwa
fand, immerhin als Gradmesser mit angeführt sein mag.
Residenztheater fand heute Schnitzlers Tragikomödie „Das
s Eisersucht), im Grunde glaubt er das Duell lediglich
Probleme stellt oder löst die fünsaktige Tragikomödie
weite Land“ eine namentlich vom dritten Akt an sehr
keineswegs, sie gibt lediglich eine Milieuschilderung ge¬
iner durch Konvention bestimmten Pose schuldig zu sein:
In Hamburg
lebhafte und freundliche Aufnahme.“ —
wisser Lebekreise, die Schninler durch seinen Dr. Maner
will dem jungen Meuschen eigentlich gar nichts tun.
wird geurteilt: „Der Erfolg von Schnitzlers Tragikomöbie
ganz richtig mit folgenden Worten charakterisieren läßt:
derst als er auf dem Kampsolatz im Auge des Jungen
rIch versichere Ste. Gonia, nicht das geringste hätt ich ein¬
„Das weite Land“ im Deutschen Schauspielhaus, inszeniert
ht, daß es dem verflucht ernst ist, schießt er ihn kalt¬
zuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe wirklich nichts
von Dr. Hagemann, war bereits nach dem zweiten Akt
ütig tot, — um das eigene Leben zu retten. Daß Hof¬
anderes wäre als ein köstliches Spiel . . . Aber dann.
entschieden, obwohl die leichtere wienerische Lebensauf¬
fiter es fertig bringt, unmittelbar nach dem Duell in
dann ehrlich, bitte! Ehrlich bis zur Orgie
Das ließ fassung das schwerblütige Hamburger Publikum teilweise
leichgültig=liebenswürdigem Tone mit der nichtsahnenden
ich gelten. Aber dies Ineinander von Zurückhaltung und
Aus
befremdete. Besonders packte der vierte Akt.“
utter seines Kontrahenten zu konversieren wirkt einfach
Frechheit, von feiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut,
Hannover wird berichtet: „In der Schauburg zu
felhaft abstoßend und kennzeichnet den „Kamplizierten“
von rasender Leidenschaft und leerer Lust, wie ich es
Hannover fand unter ungeteiltem großen Beifall, bei
s brutalsten Amoralisten.
hier sebe — das finde ich trübselig und — grauenhaft.
vorzüglicher Darstellung die erste Aufführung von Arthur
Die. Lroget die sich bier brüstet, der fehlt es am Glauben
In Wien hatte
Schnitzlers „Das weite Land“ statt. —
Eine andere Form der Ehebruchs=Auffassung vertritt an sich selbst. Darum gelingt ihr die heitere Miene nicht,
die Uraufführung, der Arthur Schnitzler versönlich bei¬
i Schnitzler der Bankier Natter. Er weiß wohl von den die sie so gern annehmen möchte ..., darum grinst sie ...
wohnte, einen guten Erfolg. — Auch in Prag ist dem
benteuern seiner Frau, duldet sie aber schweigend, weil
wo sie lachen will.“
weiten Land eine recht freundliche Aufnahme bereitet
Die Hauptrolle des Friedrich Hofreiter wurde von
„rettungslos verliebt“ in seine Frau ist und trotz allen
emübungen „innerlich nicht von ihr loskommen kann“. Herrn Strobl aans vortrefflich verkörvert. ebenso er= worden.