II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 385

La
24. Das weite und box 29/1
Genia, die Verlassene, fängt ein Ver
lerschen Dramas; doch liegt der Kern nicht offen
— aus Liebe
einem jungen Fähnrich -
zutage, sondern er ist eingehüllt in die Augenblicks¬
Vielleicht aus Liebe — zu Friedrich!
— aller Sprechenden.
stimmung des Sprechenden —
Friedrich ist heimlich zurückgekon
Man hört in diesem Stücke die Menschen sprechen —
unter Ernas Fenster gestanden hat d
den augenblicklichen Einfällen und ihrer Stimmung
Garten seine Frau mit dem Fähnric
entspringen Worte —,
aus den gesprochenen Wor¬
sich auf die Wiese gelegt und pracht
#ten gehen Handlungen hervor, denn das einmal
Es ist ihm wie eine innere Befy
ausgesprochene Wort ist eine Tatsache geworden, die
nicht mehr als Schuldiger herum, er
die Menschen zum Weiterhandeln zwingt, die Seele
ist, als hätte seine Frau Sühne getat
aber, die den Impuls für das Wort gab, hat nichts
des anderen.
mehr mit ihm zu schaffen, sobald es auf der Zunge
Als er aber am nächsten Tag den
geboren ist.
Auge sieht, beleidigt er ihn tödli
Wir versuchen wohl, Ordnung in uns zu schaf¬
„Wenn es Haß wäre — Wut — Eifer
fen — wir stellen Begriffe auf — geben Namen:
„Na ja, von all dem verspür' ich
Liebe — Haß —
ifersucht —, aber diese Ordnung
dannt wenig. Aber man will do
ist doch nur etwas Künstliches.
Hopf sein." Er erschießt den Gec
Der Fabrikant Friedrich Hofreiter hat eine
Die Liebe seiner Frau stirht an d
Frau, und es ist ihm Lebensgewohnheit, sie mit an¬
die
Und war es nicht doch „Liebe“,
deren Frauen und Mädchen zu betrügen, ganz of¬
Morde trieb?
„Hineinschauen in
fenkundig; es ist nicht seine Schuld, daß sie ihn nie
direkt gefragt hat, er würde ihr nichts abgeleugnet doch nicht. Kann keiner.“
Genia flieht zur Mutter des Ersch
Jedenfalls
haben. — Liebt er seine Frau nicht? —
möchte Friedrich folgen, wohin es i
hat er ein merkwurdig gutes Gedächtnis für Ge¬
„Wird nicht angenommen. Alles
spräche — vielleicht ganz belanglose Gespräche —
Aus, Erna, auch zwischen uns!
seiner Frau mit anderen Mannern. Ein guter
nie¬
Es ist schrecklich, aus einem Dran
Freund von ihm hat Selbstmord begangen —
nur
gesamten Weltliteratur einzig ist, zu
mand ahnt, niemand kann ahnen, warum —
des Verständnisses ein Stück Inhalt h
Friedrich Hofreiter wittert — man kann wirklich
denn jede der hier nicht genannten
nur das Wort „wittern“ hier anwenden — irgend
deren Personen hat eine Seele — un
einen Zusammenhang dieses Selbstmordes mit sei¬
ner Frau. Sie gibt ihm den Abschiedsbrief des und so weiter —
Es wird schwer sein, das Stück, das
Freundes, den unglückliche Liebe zu ihr zum Selbst¬
fern liegt von allem, was wir als
morde trieb, zu lesen. Er ist sprachlos vor Stau¬
überhaupt zu spielen, denn selbst Ibse
nen, denn er hat wirklich nicht das Geringste ge¬
hiergegen als „Theater“, und die S
wußt; ihr auch nicht das Geringste angemerkt, als
schauers ist —— ein weites Land. —
er ihr die Nachricht vom Tode des Freundes gebracht
Fran
hat, trotzdem sie den Abschiedsbrief vorher erhalten
hatte. —
Oh nein — ein dummes,
Eifersucht?
albernes Wort — keine Spur — im Gegenteil —
Grauen flößt ihm die Frau ein, deren starre Tugend
einen Menschen in den Tod getrieben. Tugend —
ein Nichts, ein Schemen, etwas, das es in Wirklich¬
keit gar nicht gibt, wenigstens einem so furchtbaren,
irreparabelen Ding gegenüber wie der Tod. Und
Aussehn¬
warum? Sie hat den Freund doch sehr gern ge¬
habt: Er war leider nicht ihr Geliebter sagt sie!
4•(Jiliannoversenen Anseiger, Hannover
Warum also, wo sie doch weiß, daß es nur Gleiches
mit Gleichem vergelten hieß, wenn sie Friedrich be¬
vom:
kroc? Nicht um seinetwillen blieb sie standhaft,
nichht einmal um des Kindes willen — sie konnte
es sben einfach nicht —.
Theater und Musik.
FFriedrich flieht vor seiner Frau — 14 Tage hat
„Das weite Land“.
mit sich herumgeschleppt, fast ohne es selbst zu
Tragikomödie von Arthur Scniniler.
wisssen — da plötzlich über Hals und Kopf reist er
Wir entnehmen die nachstehenden Aus¬
dasvon — ins Gebirge mit seinem Freunde ¬
führungen dem Programmheft der „Schauburg“
frägt nach dem Grunde — und er sagt es ihr offen
und deutlich ¬
in dem Glauben, dem Publikum hinsichtlich der
so deutlich, daß es beinahe schon
Uraufführung (am 14. d. M.) von „Das weite
wilder nicht wahr geworden ist —
Land“ damit nützen zu können. Dieses Werk ist
Im Gebirge, wo, an einem Seile angeseilt,
keins von denen, die mit einem fluchtigen An¬
Fräedrich, sein Freund Mauer und dessen stille
schauen genossen und ausgkostet sind.
Liebe, Fräulein Erna Wahl, dem Tode ins Gesicht
geschaut und die Wonnen gefahrvollster Hochgebirgs¬
„Sollte es Ihnen noch nicht aufgefallen sein, was
besteigung genossen haben, erklärt Friedrich Erna ##
für komplizierte Subjekte wir Menschen im Grunde
sein Liebe und den Wunsch, sich von seiner Frau
sind? So vieles hat zugleich saum in uns! Wir
scheiden lassen zu wollen — und nach der ersten und
versuchen wohl Ordnung in um zu schaffen, so gut
einzigen Liebessucht, jagt er davon, ruhelos, und
es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas
schreibt kurze Ansichtskarten und Grüße aus Ka=|k
Künstliches —. Die Seele — ist in weites Land —
Diese Sätze bergen den Kern ds neuesten Schnitz= prile, Pordoi und Gott weiß noch woher. — Frau„