II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 391

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Stückchen seelisches Leben einiger Menschen, wirk= f übelriechenden Verwesungsprozeß für die ganze, à
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liches wahres, unbeschönigtes Leben-
— munterer
menschliche Gemeinschaft bedeuten, wenn sie all¬
Pragikomödie in 5 Akten von Arthur Schnitzler.
Genuß, in dem das Leid ruht, und furchtbare Not,
gemein wären. Und man kann so gesund sein, so
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die der Komik nicht entbehrt, weil alle kleinen
(Uraufführung in der Schauburg.)“
unmodern — man schämt sich allerdings beinahe,
menschlichen Schwächen mit im Spiele sind. So
es einzugestehen
Tragikomödie nennt Schnitzler sein neuestes
daß man doch einen leisen
ist
dieses
Werk
ein
Beweis
der
von
Abschen vor den Schnihzlerschen Menschen nicht ver¬
Werk. Leicht ist es ihm gewiß nicht geworden,
Kenntnis der menschlichen Seele, eine starke Lei¬
windet. Aber wer will dem Dichter sein Ma¬
diese Bezeichnung zu wählen, denn er weib so

stung an geistiger Kraft
eine echte Dichtung
terial vorschreiben? Weniger was er verarbeitet
gut wie wir, daß die Tragikomödie ein Stieftind
endlich, weil nicht spitzfindige Klügelei, sondern
als wie er es tut, kommt in Betracht.
der Muse ist, ein Zwitter, meist eine Scheußlichkeit.
Und der
allein dichterische Inspiration auf diesen allerver¬
letzte Akt des Werkes bringt ja denn auch eine
Aber Schnitzlers „Weites Land“ is ein anderer
borgensten Pfaden des weiten Landes führen
Schauplatz der Handlung als der bisher geschaffe¬
ganz offenbare, sittliche Klärung und Erhebung.
konnte.
ner Tragikomödien. Sonst —
Doch halt! Ist das auch wirklich der Falls
man denke an das
Das Aeußere dieses Werkes zeugt von großer
klassische Beispiel des Unerträglichen: Hebbels
Man kann beim Lesen des Werkes anderer An¬
Kunst: der dramatische Aufbau ist geschickt, was
sicht sein. Man kann es erleben, daß keine Er¬
„Trauerspiel in Sizilien“ — schritt eine sozusagen
ich schon dadurch erweist, daß eine Zuhörerschaft
äußerliche Handlung lustig dahin, um durch Ver¬
wärmung für die Schnitzlerschen Menschen ein¬
sehr
bald durchaus gefesselt
Die
wird.
wickelungen oder auch die rohe Hand des Zufalls
tritt. Ich habe den Argwohn, daß hier Hand
Charaktere sind von verblüffender Mannigialtig¬
und Geist eines Nachschaffenden etwas Sympa¬
in grausamste Tragik verwandelt zu werden, die
keit und doch jeder in sich geschlossen, eine zum
sich doch nur wieder wie ein frecher Spaß ge¬
thischeres zustande gebracht und uns durch die
mindesten interessante, Persönlichkeit
ein le¬
1 Bühne vermittelt haben, als der Dichter selbst vie
bärdete. Solche Tragikomödie ist eine dichterische
bender Mensch. Die Sprache ist von ungezwun¬
leicht beabsichtigte
Anstrengung nicht wert. Aber Schnitzler fand
Es sollte mich darum
gener Alltäglichkeit der Worte und doch oft schön.
wundern, wenn bei anderen Bühnen der
einen entschieden neuen Weg, dem Tragikomischen
Wenn man Ibsens Dialog einen solchen Zzweiten
mit dichterischer Würde beizukommen.
des Werkes nicht ein so warmer, unbest
Grades“ genannt hat, so möchte ich den Schnitzlers
wäre als in der Schauburg. Direktor
Dem Menschen pessimistischer Weltanschauung ist
einen Dialog der vierten Dimension nennen. Hier
Rolan hat das Werk meines Erachtens i
es eine ausgemachte Sache, daß hinter allen Freu¬
wollen oft die Worte nicht sagen, was sie zu
rend aufgefaßt, wozu die Möglichkeit
den des Daseins das Fixchtbare lauert —
die
Wier
bedeuten scheinen. Nein, hinter ihnen bergen sich
natürlichen, eigenwilligen Mächte, die sich als Zu¬
man will — ebenfalls aus der Eigenart
che
Dinge, die der Hörer nicht weiß, und die
fall geben und den Glauben an einen Gott des
Schnitzlerschen Dialogs zu gewinnen ist. Sodann
we
o Kühnheit! — der Sprecher selbst vielleicht nur
hat er der Dichtung sehr umfangreiche Streichun¬
Bösen, nicht des Guten, aufkommen ließen. Um¬
ahnt oder auch das nicht einmal. Denn so
gekehrt erkennt der Mensch jedweder Anschauung
gen angedeihen lassen die eine geradezu uner¬
ideg
ist es im wahren Leben. So sprechen die diffe¬
auch in dem Traurigsten des Lebens, in der Nähe
trägliche und ermüdende Breite glücklich verbin¬
striche
renzierteren Menschen — zumal unseres modernen
dert haben. Für beides muß das hannoversche Pu¬
besehen, meist eine gewisse Komik. Sie kommt
Zeitalters
Aber
zumal wenn sie auf der Kehrseite
aus den menschlichen Schwächen, die noch der
blitum dankbar sein, und es bewies dies auch
stellun
seiner Kraft stehen, wo Nervosität, Hysterie und
durch starken, immer wiederholten Beifall.
Stärkste hat. Das Leben — die Welt der Tatsachen
des
gar psychopathische Anwandlungen zu Hause sind.
ist so die Stätte der Tragikomik. Unser einseiti¬
Die Uraufführung dieser Tragikomödie bedeutet
eigene
Damit bin ich bei dem Punkte der Betrachtung,
ges, bedingtes Fühlen läßt uns nur oft das im¬
einen wahren Erfolg für die Schauburg. Es
gen
der nicht allein die Freude auslöst. Mußte es
mer Zwiespältige nicht sehen. Die Welt aber ist
sehr zu beachten, wie diese Bühne, die doch oft der
noff
sein, daß unter diesen vielen Menschen der Dich¬
in des Menschen Seele,
leichtgeschürzten Muse dient, eine derartige Auf¬
im Mikrokosmus der
legt
tung gerade nur ein Mann lebt, der wahr und
Makrobosmus, — die Seele ist — das weite Land.
gabe bewältigte. Das waren schauspielerische Lel¬
Cle¬
treu ist, und eine Frau, die die Reinheit keunt?
stungen von sowohl literarischer wie gefühlsmäßt¬
Ein Wandern in dem weiten Land der Men¬
Mußten die anderen Männer neben tächtigen Eigen¬
ger Durchdringung. Der Dichter soll zufrieden sein,
schenseele ist das Schnitzlersche Werk. Seine Hand¬
10
schaften die der Schürzenjägeret haben oder jäm¬
dem eine solche Verdolmetschung seiner Gedanken
lungen sind nicht klar bewußte, wie sie Dramen¬
und
merliche Ehehelden sein, die die Ehebrechereien
helden schaffen, seine Verwicklungen sind nicht
zuteil wird! Wie die dramaturgische Bearbeitung,
daß
ihrer Weiber wissen und doch in Liebe vor ihnen
äußerliche, die irgend eine Kraft klären könnte,
so lag selbstverständlich auch die Spielleitung in
Abend
auf den Knien liegen? Mußte die zuerst tugend¬
sondern allerfeinste, seelische Verästelungen der
Franz Rolaus Händen. Und sie bewies sich
hanno
same Heldin den jungen Sohn ihrer Freundin —
einen Menschen, die in ähnliche oder gleiche an¬
durch straffste Disziplin aller Mitwirkenden, feinste
verführen? Mußte ein junges Mädchen von sonst
derer hineinranken, sich mit ihnen verkrampfen,
Durcharbeitung jeder kleinsten Szene, auch der
scheinbar klaren Anschauungen durchaus das Ille¬
ein schweres Kampfspiel treiben, das doch so ober¬
scheinbaren Nebensachen, endlich stilvolle Ausstats
gitime wollen und schamlos sein, wo man die
flächenfern ist, daß man es nur ahnt uind fühlt,
tung. Wenn nun auch noch die außerordentlich
rung
Kraft einer großen Liebe fühlen soll? Mußte es
oft nicht sieht und selten — versteht. Denn die
schwierige Rolle des Hauptspielers der Dichtung
berichts
sein? —
Natürlich! Wer will mit einem Dichter
Seele ist ein ach so weites Land! Unsere eigene
denselben Mann ins Feld führte und ihm schau¬
meist
rechten!
Schnitzler ist Oesterreicher und seine
schon, wie wir mit Eitelkeit konstatieren. Und
spielerisch ehrliche. Bewunderung eintrug, so kommt
genan
Menschen sind Wiener. Die Decadence steht auf
nun erst die des andern, zu der wir im letzten
man dazu, diese Leistung der Schauburg, die sich mit
Wien,
ihren Stirnen eingebrannt. Moral ist ein ver¬
Sinne nie den Schlüssel finden. „Hineinschauen
der Uiraufführung des Wertes in die Reihe von
wuirde
alteter Begriff
Ich will nicht sagen, daß dreizehn anderen ersten Bühnen stellte, als seine
in mich kannst du doch nicht! Kana keiner!“
mer.
Das
wir anderen Menschen alle anders wären. Ich] Tat zu erkennen und das warm und dankbar zu
der Grund und Boden, auf dem die
richtet
werde mich hüten. Aber Menschen wie die der j betonen.
Schnitzlersche Tragikomödie gewachsen ist: ein Schnitzlerschen Tragikomödie würden natürlich einen! Eine Angabe des Inhalts der Tragikomödie!