II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 396

WE
box 29/1
Da
Lan
24. Lisite band
Nachrichten
jammerzustände. Denn „Das weite Land“ — das ist nichts! die schauspielerische Leistung und die Kulisse. Nun, Carl
anderes als die Liebe mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten,
weite Land“.
Hagemann, dessen eigenster Geschmack freilich wohl ganz an¬
verehrte Leserin. Wenn Schnitzler aber weiter rätselt, daß
dere Wege geht, weiß doch ganz gut jedem Drama das Seine
sie immer ein Chaos sei und zum Chaos führe, so gilt das
hen Schauspielhause.
zu geben und so war seine Inszenierung dieses neuesten
hoffentlich nur für diese Zeit der Masse. Früher galt sie
als der Urtrieb zum Kosmos.
Schnitzler ganz auf üppige Schauwirkung gestellt und ent¬
Komödie behandelt ein Motiv
faltete in den von einem verfeinerten Geschmack komponier¬
Ein „fait divers“, das mehr die sensationslüsternen
s Wort „Gesellschaft“ klingt
ten Landschaften und Interieurs allen Zauber der Kulisse.
Nerven als den Intellekt beschäftigt, liegt dem Werk
lchte dazu gelegentlich die
Und die Darsteller erschöpften sich in feinen und komplizierten
zugrunde: Der im „gefährlichen Alter“ stehende reiche Fabri¬
unsere Ideologie, daß wir
Leistungen, um alle Nuancen in den Stimmungen des
kant Hofreiter, ein verheirateter Anatol, hat eine reizende
iken, wo es nichts als sehr
„weiten Landes“ herauszubringen. Meisterlich gelang dies
Frau, ist aber gelegentlichen anderen Liebesaffären durchaus
ch mehr als witzig,
sie ist
besonders Robert Nhil mit seinem Fabrikanten Hofreiter.
nicht abgeneigt. Die arme Frau, die ihren Mann inbrünstig
hersetzende Entpersönlichung,
Konrad Gebhardt in der Rolle des Marinefähnrichs, Carl
liebt, gerät nun in den Verdacht, daß sich ihretwegen ein junger
B in der Gegenwart hat alle
Wagner als idealistisch angehauchtem Dr. Mauer und Hans
Russe erschossen habe. Der Gatte, der von ihr die Konzentra¬
Zeit in brutale Geldunter¬
Andresen in seinem Natter getauften Tartüff; aber auch
tion der Zuneigung, die Treue, erwartet, die er selber um die
ist heute nur soviel wert,
die Damenrollen lagen in den besten Händen, was die
Welt nicht aufbringen könnte, gerät darüber in Unruhe, ob¬
tokratie ist ein schlechter
ophelienhafte Genia Marie Elsingers, die kapriziöse Erna#
wohl sie ihm nachweist, wie unbegründet sein Verdacht sei.
emokratie. Armer Dichter,
Paula Siltens, die Frau Wahl Margarete Otto=Körners und
Um seine Unrast zu überwinden. läßt er sich in eine Liebelei
mischten Gesellschaft gerecht
die Anna Meinhold Franziska Aigners bewiesen. Von den
mit einer jungen frühreifen Dame ein, erkennt aber, daß
zu angreifend, die Komödie
sonstigen Darstellern seien noch Heinrich Langs Dr. Aigner,
sie ihm nur die überschwängliche, aber vergängliche Neigung
Sie macht doch imme
r noch
Paul Ellmars Gustav, Ludwig Brahms Portier Rosenstock,
einer unerfahrenen Seele entgegenbringt und wird sich zum
n zu werden, denn in der
Emil Stettners Schriftsteller Rohn und Tony Heydorns
erstenmal seines „gefährlichen Alters“ bewußt. Er wundert
Adele erwähnt.
nd das um so mehr, als sie
sich selber, daß er jetzt in erneuter Liebe zu seiner Frau ent¬
sschluß der „Obrigkeit“
Das Publikum, obwohl in seinen Erwartungen getäuscht,
brennt — aber die Liebe, tröstet er sich, ist „ein weites
s#ttert, die letzten Mythen hat
war gutmütig genug, dem Stück einen freundlichen Empfang
Land“. Doch seine Frau gerät jetzt bei ihm in
mschbazar aufgekauft. Aber
zu bereiten.
den Verdacht, eine Liaison mit einem jungen Marinefähnrich
Rubriken: „Verschiedenes“
zu unterhalten. Diese Menelaos=Rolle ist seiner egoistischen
lizeibericht“. Diese Dinge
Eitelkeit (denn eines wirklich tragischen Gefühls ist seine Seele
ter“. Und diese Rubriken
trotz ihrer Weiträumigkeit nicht fähig) zu viel; er beleidigt
kregung, in sein „Sehr viele
den jungen Dachs, duelliert sich mit ihm und erschi ßt ihn.
hung, Tragik plus Komik
Der Zynismus, mit dem er seine Handlungsweise vor sich
tardform der heutigen Ge¬
selber und den anderen zu rechtfertigen sucht, hat etwas
Bastardform der Dramatik.
Grauenhaftes. Aber — „so ist das Leben“, wenigstens das
e verwischt. Noch Lessing
Leben der Gegenwart, das schwerfällig=schwunglos eine Tragi¬
machte den Begriff der
komödie an die andere reiht. Und Schnitzler lächelt melan¬
Hilarotragödie lächerlich,
cholisch dazu und hofft bewiesen zu haben, daß die heutige
säbe, den tragischen und den
konventionelle Ehe mit oder ohne Ehebruch keine Ehe mehr
und Zermischung Trumpf
ist. Aber was nützt dieser Beweis seinen Zuhörern? Und
herlei anderen Auffassungen
wie schwerfällig rückt die Handlung vom Fleck, wie verworren
erenziert“, um dies beliebte
ist sie! Wirklich, auch Schnitzler wird alt ...
Solchen Dramen, denen es nur um eine Wirkung auf
bei aller Ehrlichkeit, die
die Nerven zu tun ist, muß die malerisch reiche Bühne zu
gikomödie wählen ließ -
Hilfe kommen. Sie haben etwas Kinematoskopartiges, sie
als Kind seiner Zeit und
wirken nur bei höchsten szenischen Anstrengungen. Be¬
Größe abgeht, wird durch
merkenswert ist immerhin, daß die größten Schöpfungen der
die Stelle der Idee tritt
Dramatik — wie übrigens fast aller Kunst — bei sehr un¬
blem; die Liebe schwindet,
vollkommener Technik entstanden sind; sie bedurften ihrer nur
wird nicht mehr ernst ge¬
als einer bescheidenen Gehülfin. Aber der nervöse Sensa¬
ie Ehescheidung, der heim¬
tionalismus des heutigen Publikums stellt Ansprüche, denen
in dieser Tragikomödie
das Drama an sich nicht mehr genügt; vor allem ist die Schau¬
für erotische Katzen= lust stetig gewachsen und stetig gewachsen das Interesse für