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24. Das l.I1 Land
ischnitt aus:
Hamburger Nachriel
1. 15
iben 19 Hamburg
jammerzustände. Denn „Das weite Land“ — das ist nichts die schauspielerische
anderes als die Liebe mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten,
Hagemann, dessen e
dere Wege geht, wei
verehrte Leserin. Wenn Schnitzler aber weiter rätselt, daß
Schnitzler.- Das weite Land“.
zu geben und so n
sie immer ein Chaos sei und zum Chaos führe so gilt das
Schnitzler ganz auf
hoffentlich nur für diese Zeit der Masse. Früher galt sie
Uraufführung im Deutschen Schauspielhause.
faltete in den von
als der Urtrieb zum Kosmos.
ten Landschaften um
Ein „fait divers“, das mehr die sensationslüsternen
Schnitzlers fünfaktige Tragikomödie behandelt ein Motiv
Und die Darsteller
Nerven als den Intellekt beschäftigt, liegt dem Werk
aus dem Gesellschaftsleben. Das Wort „Gesellschaft“ klingt
Leistungen, um all
zugrunde: Der im „gefährlichen Alter“ stehende reiche Fabri¬
sehr gewichtig. Franz Blei machte dazu gelegentlich die
„weiten Landes“ h
kant Hofreiter, ein verheirateter Anatol, hat eine reizende
witzige Randbemerkung: „Es ist unsere Ideologie, daß wir
besonders Robert
Frau, ist aber gelegentlichen anderen Liebesaffären durchaus
noch immer eine Gesellschaft denken, wo es nichts als sehr
Konrad Gebhardt i
nicht abgeneigt. Die arme Frau, die ihren Mann inbrünstig
Sie ist jedoch mehr als witzig, sie ist
viele Leute gibt.“
Wagner als idealis
liebt, gerät nun in den Verdacht, daß sich ihretwegen ein junger
auch richtig. Die mechanische zersetzende Entpersönlichung,
Andresen in seine
Russe erschossen habe. Der Gatte, der von ihr die Konzentra¬
die Enteignung des Einzelwillens in der Gegenwart hat alle
die Damenrollen la
tion der Zuneigung, die Treue, erwartet, die er selber um die
Rangunterschiede der früheren Zeit in brutale Geldunter¬
ophelienhafte Genich
Welt nicht aufbringen könnte, gerät darüber in Unruhe, ob¬
schiede verwandelt. Der Mensch ist heute nur soviel wert,
Paula Siltens, die
wohl sie ihm nachweist, wie unbegründet sein Verdacht sei.
als er zahlen kann; unsere Plutokratie ist ein schlechter
die Anna Meinhol
Um seine Unrast zu überwinden, läßt er sich in eine Liebelei
Bastard von Aristokratie und Demokratie. Armer Dichter,
sonstigen Darsteller
mit einer jungen frühreifen Dame ein, erkennt aber, daß
wie willft du einer so disparat gemischten Gesellschaft gerecht
sie ihm nur die überschwängliche, aber vergängliche Neigung
werden? Die Tragödie ist ihr zu angreifend, die Komödie
Emil Stettners Sch
einer unerfahrenen Seele entgegenbringt und wird sich zum
unter Umständen zu verletzend. Sie macht doch immer noch
Adele erwähnt.
erstenmal seines „gefährlichen Alters“ bewußt. Er wundert
Ansprüche darauf, ernst genommen zu werden, denn in der
Das Publikum,
sich selber, daß er jetzt in erneuter Liebe zu seiner Frau ent¬
Regel ist sie völlig humorlos. Und das um so mehr, als sie
aber die Liebe, tröstet er sich, ist „ein weites
brennt
war gutmütig genu
über sich keine Mächte — mit Ausschluß der „Obrigkeit“
Land“. Doch seine Frau gerät jetzt bei ihm in
zu bereiten.
anerkennt. Der Himmel ist entgöttert, die letzten Mythen hat
den Verdacht, eine Liaison mit einem jungen Marinefähnrich
Richard Wagner wie in einem Ramschbazar aufgekauft. Aber
zu unterhalten. Diese Menelaos=Rolle ist seiner egoistischen
da ist noch die Zeitung mit ihren Rubriken: „Verschiedenes“,
Eitelkeit (denn eines wirklich tragischen Gefühls ist seine Seele
„Aus der Gesellschaft" und „Polizeibericht“. Diese Dinge
trotz ihrer Weiträumigkeit nicht fähig) zu viel; er beleidigt
sind außerdem ja viel „interessanter". Und diese Rubriken
den jungen Dachs, duelliert sich mit ihm und erschießt ihn.
gaben Schnitzler denn auch die Anregung, in sein „Sehr viele
Der Zynismus, mit dem er seine Handlungsweise vor sich
Leute“=Milien Leben und Bewegung, Tragik plus Komik
selber und den anderen zu rechtfertigen sucht, hat etwas
plus Tragik zu bringen. Die Bastardform der heutigen Ge¬
Grauenhaftes. Aber — „so ist das Leben“ wenigstens das
sellschaft erlaubt auch nur eine Bastardform der Dramatik.
Leben der Gegenwart, das schwerfällig=schwunglos eine Tragi¬
Alle Kunstbegrenzungen sind heute verwischt. Noch Lessing
komödie an die andere reiht. Und Schnitzler lächelt melan¬
verwarf zwar die Mischspiele und machte den Begriff der
cholisch dazu und hofft bewiesen zu haben, daß die heutige
Tragikomödie mit der Bezeichnung Hilarotragödie lächerlich,
konventionelle Ehe mit oder ohne Ehebruch keine Ehe mehr
da es nur zwei dramatische Stile gäbe, den tragischen und den
ist. Aber was nützt dieser Beweis seinen Zuhörern? Und
komischen. Aber heute, wo Mischung und Zermischung Trumpf
wie schwerfällig rückt die Handlung vom Fleck, wie verworren
geworden sind, haben sich mit mancherlei anderen Auffassungen
ist sie! Wirklich, auch Schnitzler wird alt...
auch die Stilbegriffe zu Tode „differenziert“, um dies beliebte
Solchen Dramen, denen es nur um eine Wirkung auf
Modewort zu gebrauchen.
die Nerven zu kun ist, muß die malerisch reiche Bühne zu
Schnitzler fühlt sich jedoch — bei aller Ehrlichkeit, die
Hilfe kommen. Sie haben etwas Kinematoskopartiges, sie
ihn denn auch die Bezeichnung Tragikomödie wählen ließ —
wirken nur bei höchsten szenischen Anstrengungen. Be¬
ganz und nicht ohne Unbehagen als Kind seiner Zeit und
merkenswert ist immerhin, daß die größten Schöpfungen der
Dichter ihrer Bühne. Was ihr an Größe abgeht, wird durch
Dramatik — wie übrigens fast aller Kunst — bei sehr un¬
psychologische Feinheit ersetzt; an die Stelle der Idee tritt
vollkommener Technik entstanden sind; sie bedurften ihrer nur
das Problem, meistens das Eherroblem; die Liebe schwindet,
als einer bescheidenen Gehülfin. Aber der nervöse Sensa¬
aber es bleibt die Erotik; die Ehe wird nicht mehr ernst ge¬
tionalismus des heutigen Publikums stellt Ansprüche, denen
nommen, wohl aber der Ehebruch, die Ehescheidung, der heim¬
das Drama an sich nicht mehr genügt; vor allem ist die Schau¬
liche und öffentliche Skandal. Auch in dieser Tragikomödie
fungiert Schnitzler als Spezialarzt für erotische Katzen= lust stetig gewachsen und stetig gewachsen das Interesse für