II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 430

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24. Das veiteLand
Es hat häufig genug den Anschein, als ob in den weiten Ländern
e der Bankiersgattin
der Seele kein Zusammenhang zwischen den einzelnen, widerspruchs¬
wie sie ihre Kleider
vollen Elementen bestehe. Und bei diesem äußerlichen Schein bleibt
husfrau und Mutter,
Sch itzter stehen. Diesen äußeren Schein gibt er mit feiner Beob¬
hieser von den Extra¬
achtungsgabe, mit geistreicher Lanne, mit wissenschaftlicher Objektivität
ihm
ptz allem ist
wieder. Erist als Impressionist bewundernswert; aber er leuchtet nicht
neres Chaos herrscht
in die Gründe des Geschehens. Er begnügt sich damit, die Vorgänge
seine Frau wahrhaft
mit zarter Sorgfalt zu notieren und findet den Menschen haltlos, ein
swegen vor zwanzig
Spiel jedes Druckes der Luft, beweglich wie das Wasser. Aber auch für
prden ist, und der in
die beweglichen Elemente gibt es eine Acro= und Hydrodynamik mit festen
hat. Und noch ein
Normen. Weil Schnitzler ein feiner Beobachter der äußeren Formen,
n modernen Weibes
des farbigen Abglanzes der Dinge in unserer Zeit ist, ist er ein moder¬
hs Außergewöhnliche
ner Künstler. Als moderner Künstler hat er die Haltlosigkeit und
hände fällt, während
Regellosigkeit, das Chaotische, Gewaltsame und Perverse unserer Zeit
einzigen Menschen
in einem Spiegel'aufgefangen. Unserer Zeit? Vielleicht nur einer Ge¬
hut, als Frau be¬
sellschaftsschicht in unserer Zeit, die keine Zeit mehr hat das Tragische
tragisch zu empfinden und die Komik des Geschehens voll auszu¬
genießen. Einer Zeit, die teilnahmlos an Gräbern steht, achtlos über
wir wirklich in das
Leichen schreitet, auf die höchsten Bergspitzen klettert und höchstens nur
er Menschenseele ge¬
noch äußerlich sensationell bewegt, nicht innerlich erschüttert werden
und sonderbarsten
kann. Die ganze Haltlosigkeit und Rastlosigkeit, die innere Unruhe
eWidersprüche. Vor
und Freudlosigkeit der Großstadt pulsiert in diesem Drama,
en Widersprüche auf
letzte Forde¬
das höchst beachtenswert ist, obgleich es die
be von Ursache und
die letzten
rung des Dramas nicht erfüllt: Es zeigt
schauer im Theater
Ursachen dieser Rast= und Haltlosigkeit nicht auf. Aber ihre
ühne gegenüber wie
Folgen erlebt der Zuschauer mit den Kindern dieser Zeit auf der Bühne.
Erkenntnis und Er¬
Innerlich verödet, sich selber gleichgültig, frech und unbefriedigt, lebens¬
chnitzler, bemerkt der
unfroh, weichlich und ironisch bissig, wie der Hofreiter des Stückes tau¬
pnettengetriebe. Die
meln sie dahin. Ihr Leben ist eine schwächliche, klanglose Tragikomödie
s, daß der natürliche
trotz aller verzettelter Kraft. An diesem Leben tragen sie samt und
finktiven Augenblicke¬
sonders schwer; ihre Heiterkeit ist gemacht und künstlich. Die Bedeutung
ermächtigen Sexual¬
des Stückes liegt in dieser Spiegelung moderner, „weiter" Seelen.
snd pervers ist, weil
er Gattung auftritt.
Unter der Regie Carl Hagemanns ging die Uraufführung
enschliche Natur nicht
des Dramas (allerdings gleichzeitig mit verschiedenen anderengroßen
dern zur Liebe, zur
Bühnen) am Sonnabend erfolgreich in Szene. Künstlerisch und außer¬
Chaos, sondern es ist
lich erfolgreich. Die Hauptdarsteller und der regieführende Künstler
beinahe gesetzlos
mußten sich am Schluß wiederholt vor der Rampe zeige. Die Striche
Drähten gezogen
des Regisseurs waren im ganzen berechtigt, obgleich man an dem
immer neuem Ehe¬
Spiegelbild nicht gern etwas vermißt. Das geschriebene Stück ist sehr
Trotz. Der Dichter
lang. Die Wirkungen der Tragikomödie erschienen auf das Sorg¬
ksamkeit dieser Idcen
fältigste, Feinste und Wirksamste herausgearbeitet. Glänzend
des Fabrikanten Hofreiter von Herrn
sein. Die Erfahrung
wurde die Figur
ngsphilosoph Locke hat
Rhil gegeben. Die Gestalt erhöhte sich in dieser ebenso fein¬
zügigen wie großartigen Leistung zu einem symbolischen Repräsentan¬
iger wahr und nicht
#ten unserer Zeit, der alle Tragik zur Tragikomödie wird, weil sie sich
** Schaffen mußten,
selber in kritischer Ironie verhöhnt. Eleganz, Liebenswürdigkeit, Kraft,
en sind natürlich nicht
Unsoiderstehlichkeit, brutale Energie unter gesellschaftlich abgeschliffenen
die Konstruktion des
Formen, Rücksichtslosigkeit, Nervenschwäche, die dem Collaps entgegen¬
geht: alle Vorzüge und Schwächen des typisch modernen Menschen schien
in dieser Darstellung vereinigt. Ebenso glänzend gelang Fräulein
Elsinger die Genia, die charaktervolle Frau, deren fester sittlicher
Kern aufgelöst, zerbrochen wird in dem Strome des Lebens um sie her,
insbesondere durch den Einfluß ihres Mannes. Sie erliegt; dem
Milien, dessen Angehörige sie ist. Aber sie scheint sich am Schluß wieder
zu fester Haltung aufzuraffen. Mit sicherstem Takt bewältigte
Frl. Elsinger die vielen Schwierigkeiten ihrer delikaten Rolle.
Für die resignierende, kluge, geschiedene Frau Weinhold=Aigner fand.
Frau Ellmenreich die eigntümlichsten und trefflichsten Darstel¬
lungsmittel. Die Liebenswürdigkeit einer gut erzogenen, bescheiden¬
selbstoewußten Jugend wurde in dem Otto des Herrn „Gebhardt
ebenso trefflich dargestellt, wie die Leidenschaft und Verwirrung des
glücklich=unglücklichen Liebhabers. Den Doktor von Aigner, den großen
geschäftlichen und erotischen Unternehmer hielt Herr Lang etwas zu
gemutlich. Prächtig humoristisch wurde die Figur der Frau Wahl
durch Frau Otto=Körner wiedergegeben; es ist die Frau im ge¬
fährlichen Alter, das noch Jugend sein möchte (nicht der verlogene
Unsinn der Karin Michaélis). Vortrefflich spielten auch Herr An¬
dresen den Bankier Natter, und Herr Wagner den nicht modernen
Arzt, der mit reinen Sinnen durch den Hexensabbat des Gefühlslebens
in diesem Stücke geht. Nicht ganz auszureichen schienen die Erna des
Frl. Silten und die Adele des Frl. Haydorn. Famos dagegen,
sozusagen der große Hotelportier, war Herr Brahm; der ohne
Uebertreibung, mit dem glücklichsten Humor den wichtigsten Mann
einer Gebirgskarawanserei darstellte. Als treffliche Darsteller tleinerer
Rollen fielen die Herren Stettner, Röhl, Sartory, v. Dollen
U. 0.
und Pichler angenehm auf.
Liederabend von Julia Culp.
Julia Culps Kunst tristallisiert sich immer mehr, verfeinert sich jetz¬
bis zur höchsten Idealität. Feinen Ohren war gestern vielleicht eine
geringe Abnahme von des Organs Goldschimmer, von dem lieblichen
Duft des Pianound dem vollen, leuchtenden Glanz des Forte be¬
Anprall hiesiger Temperaturverhältnisse beruhende Minus durch um so
größere Vertiefung und Verinnerlichung ihres Vortrags. Sie sang
Schubert, Brahms und Hugo Wolf, alle drei mit einer ganz seltenen
technischen Vollendung, mit einer bewunderungswürdigen Schärfe
geistiger und seelischer Durchdringung. Und größte Vollendung und
Vollkommenheit erreicht Frau Culp durch Anwendung der einfachsten
Mittel. Die Aristokratie ihrer Kunstart, die überzeugendste Ab¬
geschliffenheit ihrer Darstellungsweise und das restlose Aufgehen in dem
Charakter eines jeden Liedes verschaffte der Konzertgeberin, die übri¬
gens in Erich I. Wolf wieder einen in jeder Beziehung kongenialen
Partner am Klavier fand, einen vollen und ehrlichen Erfolg.
R. Ph.