II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 437

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24. Las „1te Land
Tragikomödie spielte Herr Nhil mit seinem
horchte, mußte man allerdings merken, daß
Verständnis des Dichters, ein auch nur leises
das Publikum nur widerstrebend dem Dichter in,
Zuviel hätte diese Rolle total umbringen
das Gestrüpp und Gewirre von Verfehlungen
können, die schon an sich zur Brutalität hin¬
folgte, aus denen die Sünder alle heil hervor¬
neigt. Ganz ausgezeichnet, geradezu von innen
geben und die nur der einzige anständige Mensch
heraus erleuchtet spielte Frl. Elsinger ihre
des Stückes mit seinem jungen Leben bezahlen
Genia. Der Arzt, den Herr Wagner gab,
muß. Für die Szenierung hatte Baron Ber¬
hatte nicht Farbe genug. In der Umgebung
ger das Beste getan, für die Darstellung setz¬
allzu leichtlebiger Menschen wirkte die Figur
ten sich die Schauspieler allen voran Frl. Mar¬
schon an sich sonderbar, es geschah nicht genug,
berg als Genia, Frl. Hofteufel als
um sie den andern etwas näher zu bringen.
Erna und Frau Reinhold als Frau Wahl —
Sehr gut sand sich Frl. Silten mit ihrer
mit all ihren Kräften ein. Herr Korff spielte
Demi vierge ab, an Temperament fehlt es der
den sündhaften Helden mit mathematischer trocke¬
jungen Künstlerin nicht, auch kann man ihr das
ner Treffsicherheit. Die Herren Gerasch,
Zeugnis geben, daß sie dieses Temperament
Devrient, Heine gaben ihren Gestalten
richtig abzutönen verstand und die Figur ein¬
scharfe Umrisse. Nicht an der Szenierung und
dringlich zur Wirkung brachte. Prächtig gezeich¬
nicht an der Darstellung lag's, daß die rechte
net erschienen die Figuren des Hoteldirektors
Empfänglichkeit, die rechte Wärme sich nicht ein¬
durch Herrn Lang des Natter durch Herrn
stellte.
Andresen und des Portiers durch Herrn
Brahm. Die zuletzt genannte Leistung ein
König und Bauer.
kkeines Kabinettstück diskreten Humors. Von fa¬
moser Frische war dor Kreindl des Herrn
Altonaer Stadt=Theater.
Pichler. Ziemlich matt dagegen die Adele
des Frl. Heydorn und der Dichter des
Als dritte Vorstellung in seinem Klassiker¬
Herrn Stettner, dem diese Rolle offenbar
Zyklus brachte das Altonaer Stadt=Theater am
Sonnabend das Lustspiel „König und-
gar nicht lag. Frau Ellmenreich hatte
ein geschmeidiger Höfling, Die Geschwister¬
die etwas undankbare Rolle einer älteren Frau
Bauer“ des Spaniers Lope de Vega zur
Ferron reizende Mädchen vom Lande, Herr
inne, eine andere Dame spielte mit leichter Ko¬
Aufführung. Es stammt aus der Blütezeit der
Reimers ein jugendlich stürmischer, nach
mik Frau Otto=Körner, und last not
spanischen Literatur, die in enger Verbindung
Glanz sich sehnender Sohn des Bauern, Herr
least Herr Gebhardt einen schneidigen
stand mit dem Aufschwung zu Weltmacht und
Auspitz ein köstlicher tölpelhafter Bauern¬
Fähnrich.
Ansehen, zu denen die spanische Nation im
knecht. Die Bühne hübsch angeordnet, die
16. Jahrhundert unter der Herrschaft der
So ganz warm wurde das Publikum im
Szenen wirkungsvoll gestellt durch Herrn
Habsburger gelangte. Das Werk erinnert an
Laufe des Abends nicht, doch gab es nach jedem
Eppens. Alles in allem: eine sehr erfreu¬
einen eigenartigen Menschen und Dichter. Man
Akte Beifall, der sich zum Schluß außerordent¬
liche Aufführung.
M.
lich verstärkte. Die Novität fand schließlich
hat ihn mit Goethe verglichen, eine gleiche,
einen lebhaften Erfolg, den zu einem großen
glückliche und genußfreudige Lebensführung war
Teil Regie und Darstellung für sich beanspruchen
ihm bereits in seinen Jünglingsjahren beschie¬
Herz-Sieben.
bürfen.
den. Eine ungeheuer rege Phantasie wurde
Ph. B.
schon früh durch wissenschaftliche Studien, durch
Operette von Siegmund Schickler.
Ueber die Aufnahme der Schnitzlerschen
eine angeborene Abneigung vor allem Niedri¬
Musik von Albert Mattausch.
gen und Gemeinen in die rechten Wege ge¬
Novität auf anderen Bühnen liegen folgende
Magdeburg, 15. Oktober.
Meldungen vor:
leitet. Später schaffte ihm ein sehr wechselndes
Hamburg und Magdeburg hatten sich ver¬
Leben reiche, scharfe und tiefe Eindrücke. Er
In der Schauburg zu Hannover fand
einigt, im Sont#abmmder-braufführunge
diente in der spanischen Marine und mußte die
am 14. d. M. unter ungeteiltem großem Bei¬
der neuen Operette „Herz=Sieben“ auf dem Ge¬
Vernichtung der Armada im Jahre 1588 mit¬
fall bei vorzüglicher Darstellung die Urauffüh¬
biete der feineren heiteren Bühnenwerke im
erleben, ein schwerer Schlag für sein national¬
rung von Arthur Schnitzler „Das weite Land“
Stadt=Theater einen außerordentlich erfreulichen
stolzes Herz. Später war er Sekretär im Hause
statt.
Sieg zu erringen. Die Autoren, der Hamburger
Albas und wurde schließlich nach dem Tode
*
Librettist und der Magdeburger Komponist,
seiner zweiten Gattin Priester.
Die Leipziger Erstaufführung von
nennen ihr Werk schlechthin Operette. Das ist es
Arthur Schnitzlers unendlich lang¬
Schon im Alter von vierzehn Jahren schrieb
nicht ganz, zu seinem Vorteil. Vielleicht könnte
atmiger Ehebruchskomödie „Das
er seine erste Comedia „El verdadero Amaute“
weite
man bedauern, daß sie im Stil noch zwischen
Land“ fand im Neuen Theater statt und
(Der getreue Liebhaber). Ihr folgten noch an
Lustspieloper und Operette schwanken. Aber
erntete trotz des ausverkauften Hauses kaum
die fünfzehnhundert Comedias, ohne die übrigen
auch so liegt eine Bühnenschöpfung vor, die weit
mehr als einen Achtungserfolg, der zudem noch
zahlreichen Werke. Da ist es erklärlich, wenn
über das übliche Niveau hinausragt und auch
zum guten Teil der fein abgetönten Inszenierung
behauptet wird, daß er manches Stück in vier¬
ein Stadt=Theater=Publikum in einer ganzen
und der vortrefflichen Interpretation der Haupt¬
undzwanzig Stunden geschrieben habe. Ebenso
Reihe prächtiger Szenen köstlich zu erheitern
partien aufs Konto zu schreiben ist. Namentlich
erklärlich ist es aber auch, daß die meisten seiner
vermag.
nach dem allzu salopp gearbeiteten vierten Akt
Schöpfungen eine gewisse Flüchtigkeit und eil¬
Siegmund Schickler benutzte das alte
drohte das Interesse völlig zu erlahmen. Von
fertige Oberflächlichkeit aufweisen. So sind denn
Lustspiel von Louks Angely: „Von Sieben
der Mitwirkenden machten sich um die raffiniert¬
heute auch nur annähernd fünfhundert seiner
Häßlichste“.
Sehr alte Theater¬
pointierte Ausführung des manchmal geistreichen
Werke noch erhalten. Verschiedene haben sich
besucher haben die Geschichte vielleicht noch im
Dialogs besonders verdient die Herren Wal¬
eine Umarbeitung und Nachdichtung gefallen
Schauspiel gesehen. In Neapel verliebt sich, an¬
ter und Wendt als Hofreiter und Dr.
lassen müssen. Darunter das am Sonnabend
scheinend hoffnungslos, ein armer Schlucker in
Mauer, mehr noch die Damen Nolewska
aufgeführte Stück, das von dem Dichter den
eine schöne Unbekännte. Da erreicht ihn die
und Fuchs als die Trägerinnen der Schnitzler¬
Titel „El villano en su rineon“ (Der Bauer
Kunde, daß
in der sächsischen Heimat
schen Anschauung von Ehe und Liebe.
in seinem Winkel) erhielt. In ihm wird der
O.S.
Universalerbe geworden ist, allerdings mit der
König von Frankreich von dem Bauer Jnan be¬
angenehmen Aussicht, nach einer Testaments¬
Ueber die Aufführung der Schnitzlerschen
wirtet und erweist diesem wieder Gastfreund¬
klausel von den sieben Töchtern des Guts¬
Tragikomödie „Das weite Land“ im
schaft. Fr. Halm hat das Stück frei bearbeitet
inspektors, der später die ulkige Figur als
Wiener Burg=Theater wird 13 aus
und es „König und Bauer“ betitelt. Diese Be¬
zweiter Schäfer Ast abgibt, die häßlichste heim¬
Wien, 14. Oktober, geschrieben, sie habe außer¬
arbeitung hat sich dauernd auf den deutschen
führen zu müssen. Daheim im Sachsenland
Bühnen erhalten.
lich den Erfolg gebracht, den die Höflichkeit der
findet er seine Angebetete natürlich ausgerechnet
Wiener ihrem Poeten Laureatus schuldig zu sein
Bei Halm rühmt sich der Bauer Jean
als die schönste der sieben Schwestern wieder.
glauben, oder vielmehr
warum es nicht
Gomard, noch nie seinen König geschaut zu
Noch ist Erlösung aus der Not möglich, da drei
sagen? — schuldig sind. Tatsächlich gab es nach
haben, trotzdem sein Schloß in der Nähe liegt,
alte Damen als Preisrichterkollegium zu
jedem Akte starken Beifall, den stärksten nach dem
und er will sterben, ohne ihn zu schauen. Aber
fungieren haben. Wie nun ein Freund auf den
vierten Akte, und der Dichter konnte mehr als
er muß es erleben, daß seine Kinder nach höfi¬
genialen Gedanken kommt, die drei Richterinnen
zwanzigmal vor der Rampe erscheinen und sich
schem Glanze streben und sich dann blenden
dahin zu bringen, die Angebetete doch als die
dankend verneigen. Wenn man genauer hin¬ lassen. Es liegt ein tiefer Sinn in diesem! Häßlichste zu bezeichnen, das ist ja im letzten