seienmide. Dincholoegrsch amamisch, 1id unch en enr
A
Tennispartie fällt ihnen auf einwal ein: „Sehderanda!
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24. Das wefte Land
Heut bin ich also so!“ Und nun ##ken sie darüber nach
und besprechen mit ihren Freunden, wie merkwürdig das
sei, daß sie so sind und zugleich doch vielleicht auch wieder
anders. Die Kunst der Seelenzergliederung ist zur psycholo¬
gischen Nabelbeschauung geworden. Man weiß von den
Buddhisten her, daß einem beim Nabelbeschauen ganz ab¬
gründige Sachen einfallen. Aber Dramen pflegen nicht
daraus zu werden. Auch bei Schnitzler ist keines daraus ge¬
worden. Da ist der Fabrikant Hofreiter, der liebt seine Frau
und bandelt gleichze.g mit einigen andern, sie weiß das,
aber sie betrügt ihn dennoch nicht mit dem Virtuosen Dafa¬
kow, so daß sich dieser ersch'eßt. Als der Gatte das aus
einem hinterlassenen Driefe erfährt, freut er sich nicht der
höchst unverdienten Anständigkeit der Frau, sondern erklärt,
ihre Tugend sei ihm unheimlich, weil sie einen Menschen in
den Tod getrieben habe. Gleich darauf läßt er sich in ein
neues Liebesabenteuer mit einem jungen Mädchen ein. Er
will sich von seiner Frau scheiden lassen und sie heiraten.
Er spricht so, daß man überzeugt ist, er sei überzeugt. Das
ist eine große Leidenschaft. Und am nächsten Morgen reist,
der ab. Er konimt dahinter, daß ihn seine Frau nun endlich
doch betrügt. Mit einem Marine=Fähnrich. Und er beleidigt
den armen Jungen, so daß sich der zum Duell stellen muß.
Er zwingt ihn zum Kampf, obzwar er seine Frau nicht liebt
und nicht haßt. Und er haßt auch den jungen Mann eigent¬
lich nicht. Aber er erschießt ihn, weil er ihn im Augenblick
des Kampfes doch haßt. Und kehrt zurück und ist glücklich,
weil seine Frau nun erklärt, daß es aus ist. Das junge
Mädchen aber, das sich ihm nun anbietet und mit ihm in
die Welt gehen will, weist er zurück. Und noch kurz vor
dem Fallen des Vorhanges entdeckt er Vatergefühle in sich
Und Frau Genia, seine Gattin! Sie liebt ihn nicht und
nöchte ihn aus „Revanche“ betrügen, aber sie tut es nicht.
Und schließlich tut sie es doch, obzwar sie den Fähnrich
sicht liebt, aber dann verläßt sie ihren Mann, weil er den
Fähnrich erschossen hat. So sind fast alle Menschen dieses
Stückes. Das weite Land! So ist nun einmal die Seele des
Menschen, sagt Schnitzler. Aber das ist eine Ausrede. Him¬
nelkreuzdonnerwetter, ist denn die ganze Menschheit nur
aus lauter Willensschwindsüchtigen zusammengesetzt? Gibt
es denn keine Kraft und keine Bewußtheit mehr, nur Däm¬
nerzustände und Übergänge und halbe Töne? Nur Instinkt
und Gehirnsubstanz! „Lahndelt“ denn alles nur so herum,
um melancholischen Arzten wie Dr. Mauer Anlaß zu edlen
Gesinnungen zu geben. Alles ist sehr fein, fein, fein, gewiß!
Aber das Drama ist nun einmal nichts anderes als der
Konflikt des in sich selbst uneinig gewordenen Willens.
Und Menschen ohne Willen sind als dramatische Personen
unmöglich. Velleicht wäre ein sehr gescheiter Roman aus
diesem Stoff geworden. Als Drama ist er vor lauter In¬
teressantheit langweilig. Das ist eine Entwicklung, die schon
mit dem „Zwischenspiel“ begann. In dem neuen Drama
sind einzig zwei Menschen, die wissen, was sie wollen, das
sind die ganz jungen, Erna Wahl und der Fänhrich. Ist es g
svielleicht der Haß des Alternden, der Hofreiter im Augen¬
sblick des Kampfes mit dem Fähnrich überwältigt, der Haß
des Komplizierten gegen den Ungebrochenen? Es war wie
ein Symbol: als habe Schnitzler mit diesem Stück seine
eigene Jugend erschossen. Aber man braucht in all der Farb¬
MDl. St. Brünner Stadttheater. Früher einmal gab es
losigkeit nur daran zu denken, daß Schnitzler auch der
im Drama die großen Leidenschaften. Da stürmten Liebe
Dichter des „jungen Medardus“ ist und kann wieder voll
und Haß wütend gegeneinander, da traf die Rache mit
Zuversicht sein. Auch Schnitzlers Kunst ist ein weites Land.
vergifteten Dolchen, da blähte sich die Hoffart, da grinste!
Die Aufführung, als deren Leiter Herr Teller
der Neid, da lag der Geiz über seinen Schätzen. Da stand die
Treue und da die Untreue, einander ewig fremd und feind¬
zeichnet, war vornehm abgestimmt und in reizende Bühnen¬
bilder gesetzt, die allerdings etwas sehr lange Zwischen¬
lich gegenüber. Dann erkannte ma#ß der Mensch viel
pausen in Anspruch nahmen. Herr Mamelok gab dem
weniger einsach sei, als man gedacht habe. Man sah Liebe
Fabrikanten Hofreiter die gelassen=vornehmen Formen, die
und Haß zugleich in derselben Brust, man fand Treue und
Untreue als Nachbarn. Da wuchsen große und schwere Kon¬
er so tadellos beherrscht und die immer für ihn einneh¬
flikte im Menschen. Er hatte nicht mehr gegen die Mächte
men. Er hielt ihn in den matten Farben, die Schnitzlers
Zeichnung will, nur in der Szene mit Erna goß er Glut:
der Außenwvelt, sondern gegen sich selbst zu kämpfen. Goethe
schrieb seinen „Torquato Tasso“, Kleist die „Penthesilea“
und Blut in die Darstellung. Hier wirkte er kräftig und
überzeugend und auch in der letzten Szene mit der Mutter
Lebbel seinen „Herodes und Marianne“ und Grillparzer
des Getöteten und mit der Gattin kam die innere Ge¬
seine „Jüdin von Toledo“. Es war eine große Zeit. Das
brochenheit gut zum Ausdruck. Ganz schwermütig und ent¬
Jeitalter der psychologischen Entdeckungen. Die Dichter stell¬
en den Menschen auf die Bühne, dessen Wollen und Fühlen sagend stand die Figur der Genia des Fräuleins Dürr
# sich zwiespältig war. Taß einer zugleich lieben und auf der Bühne. Cine Frau, die sich nicht beklagt, die gut
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Tennispartie fällt ihnen auf einwal ein: „Sehderanda!
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24. Das wefte Land
Heut bin ich also so!“ Und nun ##ken sie darüber nach
und besprechen mit ihren Freunden, wie merkwürdig das
sei, daß sie so sind und zugleich doch vielleicht auch wieder
anders. Die Kunst der Seelenzergliederung ist zur psycholo¬
gischen Nabelbeschauung geworden. Man weiß von den
Buddhisten her, daß einem beim Nabelbeschauen ganz ab¬
gründige Sachen einfallen. Aber Dramen pflegen nicht
daraus zu werden. Auch bei Schnitzler ist keines daraus ge¬
worden. Da ist der Fabrikant Hofreiter, der liebt seine Frau
und bandelt gleichze.g mit einigen andern, sie weiß das,
aber sie betrügt ihn dennoch nicht mit dem Virtuosen Dafa¬
kow, so daß sich dieser ersch'eßt. Als der Gatte das aus
einem hinterlassenen Driefe erfährt, freut er sich nicht der
höchst unverdienten Anständigkeit der Frau, sondern erklärt,
ihre Tugend sei ihm unheimlich, weil sie einen Menschen in
den Tod getrieben habe. Gleich darauf läßt er sich in ein
neues Liebesabenteuer mit einem jungen Mädchen ein. Er
will sich von seiner Frau scheiden lassen und sie heiraten.
Er spricht so, daß man überzeugt ist, er sei überzeugt. Das
ist eine große Leidenschaft. Und am nächsten Morgen reist,
der ab. Er konimt dahinter, daß ihn seine Frau nun endlich
doch betrügt. Mit einem Marine=Fähnrich. Und er beleidigt
den armen Jungen, so daß sich der zum Duell stellen muß.
Er zwingt ihn zum Kampf, obzwar er seine Frau nicht liebt
und nicht haßt. Und er haßt auch den jungen Mann eigent¬
lich nicht. Aber er erschießt ihn, weil er ihn im Augenblick
des Kampfes doch haßt. Und kehrt zurück und ist glücklich,
weil seine Frau nun erklärt, daß es aus ist. Das junge
Mädchen aber, das sich ihm nun anbietet und mit ihm in
die Welt gehen will, weist er zurück. Und noch kurz vor
dem Fallen des Vorhanges entdeckt er Vatergefühle in sich
Und Frau Genia, seine Gattin! Sie liebt ihn nicht und
nöchte ihn aus „Revanche“ betrügen, aber sie tut es nicht.
Und schließlich tut sie es doch, obzwar sie den Fähnrich
sicht liebt, aber dann verläßt sie ihren Mann, weil er den
Fähnrich erschossen hat. So sind fast alle Menschen dieses
Stückes. Das weite Land! So ist nun einmal die Seele des
Menschen, sagt Schnitzler. Aber das ist eine Ausrede. Him¬
nelkreuzdonnerwetter, ist denn die ganze Menschheit nur
aus lauter Willensschwindsüchtigen zusammengesetzt? Gibt
es denn keine Kraft und keine Bewußtheit mehr, nur Däm¬
nerzustände und Übergänge und halbe Töne? Nur Instinkt
und Gehirnsubstanz! „Lahndelt“ denn alles nur so herum,
um melancholischen Arzten wie Dr. Mauer Anlaß zu edlen
Gesinnungen zu geben. Alles ist sehr fein, fein, fein, gewiß!
Aber das Drama ist nun einmal nichts anderes als der
Konflikt des in sich selbst uneinig gewordenen Willens.
Und Menschen ohne Willen sind als dramatische Personen
unmöglich. Velleicht wäre ein sehr gescheiter Roman aus
diesem Stoff geworden. Als Drama ist er vor lauter In¬
teressantheit langweilig. Das ist eine Entwicklung, die schon
mit dem „Zwischenspiel“ begann. In dem neuen Drama
sind einzig zwei Menschen, die wissen, was sie wollen, das
sind die ganz jungen, Erna Wahl und der Fänhrich. Ist es g
svielleicht der Haß des Alternden, der Hofreiter im Augen¬
sblick des Kampfes mit dem Fähnrich überwältigt, der Haß
des Komplizierten gegen den Ungebrochenen? Es war wie
ein Symbol: als habe Schnitzler mit diesem Stück seine
eigene Jugend erschossen. Aber man braucht in all der Farb¬
MDl. St. Brünner Stadttheater. Früher einmal gab es
losigkeit nur daran zu denken, daß Schnitzler auch der
im Drama die großen Leidenschaften. Da stürmten Liebe
Dichter des „jungen Medardus“ ist und kann wieder voll
und Haß wütend gegeneinander, da traf die Rache mit
Zuversicht sein. Auch Schnitzlers Kunst ist ein weites Land.
vergifteten Dolchen, da blähte sich die Hoffart, da grinste!
Die Aufführung, als deren Leiter Herr Teller
der Neid, da lag der Geiz über seinen Schätzen. Da stand die
Treue und da die Untreue, einander ewig fremd und feind¬
zeichnet, war vornehm abgestimmt und in reizende Bühnen¬
bilder gesetzt, die allerdings etwas sehr lange Zwischen¬
lich gegenüber. Dann erkannte ma#ß der Mensch viel
pausen in Anspruch nahmen. Herr Mamelok gab dem
weniger einsach sei, als man gedacht habe. Man sah Liebe
Fabrikanten Hofreiter die gelassen=vornehmen Formen, die
und Haß zugleich in derselben Brust, man fand Treue und
Untreue als Nachbarn. Da wuchsen große und schwere Kon¬
er so tadellos beherrscht und die immer für ihn einneh¬
flikte im Menschen. Er hatte nicht mehr gegen die Mächte
men. Er hielt ihn in den matten Farben, die Schnitzlers
Zeichnung will, nur in der Szene mit Erna goß er Glut:
der Außenwvelt, sondern gegen sich selbst zu kämpfen. Goethe
schrieb seinen „Torquato Tasso“, Kleist die „Penthesilea“
und Blut in die Darstellung. Hier wirkte er kräftig und
überzeugend und auch in der letzten Szene mit der Mutter
Lebbel seinen „Herodes und Marianne“ und Grillparzer
des Getöteten und mit der Gattin kam die innere Ge¬
seine „Jüdin von Toledo“. Es war eine große Zeit. Das
brochenheit gut zum Ausdruck. Ganz schwermütig und ent¬
Jeitalter der psychologischen Entdeckungen. Die Dichter stell¬
en den Menschen auf die Bühne, dessen Wollen und Fühlen sagend stand die Figur der Genia des Fräuleins Dürr
# sich zwiespältig war. Taß einer zugleich lieben und auf der Bühne. Cine Frau, die sich nicht beklagt, die gut