W
box 29/2
24. bas teLand
(Onallenangabe chne Gewähr).
Isschnitt aus:
Kölnische Vellszeilung
m:
B
— Kölner Schauspielhaus. In eine sittlich bis ins Mark
angefaulte Gesellschaft führt uns Artur Schnitzler in seiner
neuesten Tragikomödie Das weite Landedie amu
erstenmal über unsere Buhne ging. Fheliche Treue ist ein lächer¬
licher Begriff, und selbst die Frauen erörtern die erotischen Nei¬
gungen der Männer mit einer Selbstverständlichkeit, die Verwun¬
derung erregt. Das Stück zeigt uns zu Anfang die Gesellschaft
unter dem Eindruck des Selbstmordes eines russischen Klavier¬
virtuosen Korsakoff, von dem der Fabrikant Hofreiter annimmt,
daß er mit seiner Frau Beziehungen unterhalten habe, worin er
übrigens gar nichts Auffallendes finden würde. Man sagt, der
Russe habe infolge eines amerikanischen Duells mit Hofreiter Hand
an sich gelegt, aber die Angelegenheit, obgleich sie bis zum Ueber¬
druß immer wieder zur Erörterung kommt, bleibt dunkel. Der Herr
Fabrikant macht von seinem Recht, sich auszuleben, ergiebigen Gebrauch.
Jetzt ist die Reihe an Erna Wahl, ein liebestolles Fräulein, daß sich
ihm mit nackten Worten anbietet. In den beiden ersten Akten, die
im Landhause Hofreiters in Baden bei Wien spielen, und im größten
Teil des britten, der uns in ein Dolomitenhotel führt, sieht sich
die Sache verhältnismäßig noch harmlos an und man langweilt
sich nur bei dem endlosen zwecklosen Gerede. Eine Eigentümlichkeit
des Stückes ist, daß sich die Personen immer bis zur Grenze der
Langweile unterhalten und dann im letzten Moment ein Dritter
dazwischen platzt. Dabei setzt es Plattheiten, die man von Schnitzter
nicht erwarten sollte. Im letzten Teil des dritten Aktes geht die
Sache erst los: das Fräulein wirft sich Hofreiter an den Hals, der
Hoteldirektor, der geschiedene Mann einer Person des Stückes, wird
als der reine Haremsinhaber geschildert, aus Frau Genia Hof¬
reiters Schlafzimmerfenster steigt nächtens ein Marinejähnrich, die
Bankiersfrau Natter unterhält mit einem Oberleutnant Stanzides
ein Verhältnis. Und alles das ist ganz offenkundig; man regt sich
nicht früher darüber auf, bis Hofreiter den Fähnrich im Duell
über den Haufen schießt. Bleibt noch der Titel zu erklären. Im 1
britten Ait erilart der Held des Stückes, Hofreiter, in der ver¬
schwommenen Art, die sein ganzes Wesen und im besonderen seine
Philosophie auszeichnet, die Seele des Menschen sei ein weites Land,
auf dem sehr vieles Platz habe; ins verständliche Deutsch über¬
tragen meint er nämlich, die Seele des Mannes sei zu groß, als
daß sie sich mit einer Frau begnügen könne! Wie diese Probe, so
ist alles in diesem teilweise langweiligen und teilweise abstoßenden
Stücke, Charaktere und Geschehnisse, molluskenhaft, öhne Konturen,
unbestimmt und verschleiert.
Die Aufführung, von Hrn. Odemar inszeniert, rettete das Stück
vor der verdienten Ablehnung. Den haltlosen Fabrikanten, der an
Charakter das reine Chamäleon ist, gab Hr. Götz vortrefflich in
all seinen Launen und dem plötzlich schnellen Wechsel seiner Ge¬
fühlchen. Frau Frey wußte aus seiner Frau einen an sich sym¬
patyischen Menschen zu machen, den die unverstandene Liebe zu
ihrem nun selbstischen Gefühlen zugänglichen Manne lange Zeit vor
dom Falle schützt. Wie immer war sie eine elegante Erscheinung,
die sich in dieser stickigen Welt der Heuchelei mit Haltung und
Sicherheit bewegte. Alle anderen Personen sind nebensächlicher
Natur. Frl. Scholtz gab eine exaltierte Witwe, in der Herzlosig¬
keit, Dummheit und Geziertheit um die Herrschaft kämpften. Sie
machte verschiedene Versuche, ihrer Sprache eine wienerische Dialekt¬
färbung zu geben. Als ihre Tochter Erna hatte Frl. Schönfeld
effektvolle Momente. Hr. Ekert war ein umsichtiger Hotelier, der
sich von dem nörgelnden Hotelgast, den Hr. Engels vorzüglich
kopierte, nicht aus seiner Haltung bringen läßt. Seine Frau hatte
in Frau Teller=Habelmann und beider Sohn, der unglückselige
Fähnrich, in Hrn. Aßmann gute Vertretung gefunden. Als Arzt,
den einzig anständigen Menschen in dieser schmutzigen Gesellschaft,
schnitt Hr. Dysing gut ab, Hr. Senden und Frl. Büller gaben die
Bankiersgatten, die Herren Heber, Würthenberger, Mercklein,
Kiesan, Turrian, Nitzgen und Salomon andere überflüssige Per¬
sonen, Hr. Willi einen gewandten Hotelportier, Frl. Treu die Frau
eines Schriftstellers usw. Während sich in Wien bei der Urauf¬
führung vor acht Tagen gegen die Moral des Stückes eine bedenk¬
liche Stimmung im Pudlikum bemerkbar machte, beklatschte man
in unserer Aufführung am Sonntag, der wir beiwohnten, alle Akte
gleicherweise und widerspruchslos. Ganz vereinzelt verließen aller¬
dings mehrere Herren nach dem britten Att das Theater.
= Deutsches Theater in Köln. Wer die Noman#
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(Onallenangabe chne Gewähr).
Isschnitt aus:
Kölnische Vellszeilung
m:
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— Kölner Schauspielhaus. In eine sittlich bis ins Mark
angefaulte Gesellschaft führt uns Artur Schnitzler in seiner
neuesten Tragikomödie Das weite Landedie amu
erstenmal über unsere Buhne ging. Fheliche Treue ist ein lächer¬
licher Begriff, und selbst die Frauen erörtern die erotischen Nei¬
gungen der Männer mit einer Selbstverständlichkeit, die Verwun¬
derung erregt. Das Stück zeigt uns zu Anfang die Gesellschaft
unter dem Eindruck des Selbstmordes eines russischen Klavier¬
virtuosen Korsakoff, von dem der Fabrikant Hofreiter annimmt,
daß er mit seiner Frau Beziehungen unterhalten habe, worin er
übrigens gar nichts Auffallendes finden würde. Man sagt, der
Russe habe infolge eines amerikanischen Duells mit Hofreiter Hand
an sich gelegt, aber die Angelegenheit, obgleich sie bis zum Ueber¬
druß immer wieder zur Erörterung kommt, bleibt dunkel. Der Herr
Fabrikant macht von seinem Recht, sich auszuleben, ergiebigen Gebrauch.
Jetzt ist die Reihe an Erna Wahl, ein liebestolles Fräulein, daß sich
ihm mit nackten Worten anbietet. In den beiden ersten Akten, die
im Landhause Hofreiters in Baden bei Wien spielen, und im größten
Teil des britten, der uns in ein Dolomitenhotel führt, sieht sich
die Sache verhältnismäßig noch harmlos an und man langweilt
sich nur bei dem endlosen zwecklosen Gerede. Eine Eigentümlichkeit
des Stückes ist, daß sich die Personen immer bis zur Grenze der
Langweile unterhalten und dann im letzten Moment ein Dritter
dazwischen platzt. Dabei setzt es Plattheiten, die man von Schnitzter
nicht erwarten sollte. Im letzten Teil des dritten Aktes geht die
Sache erst los: das Fräulein wirft sich Hofreiter an den Hals, der
Hoteldirektor, der geschiedene Mann einer Person des Stückes, wird
als der reine Haremsinhaber geschildert, aus Frau Genia Hof¬
reiters Schlafzimmerfenster steigt nächtens ein Marinejähnrich, die
Bankiersfrau Natter unterhält mit einem Oberleutnant Stanzides
ein Verhältnis. Und alles das ist ganz offenkundig; man regt sich
nicht früher darüber auf, bis Hofreiter den Fähnrich im Duell
über den Haufen schießt. Bleibt noch der Titel zu erklären. Im 1
britten Ait erilart der Held des Stückes, Hofreiter, in der ver¬
schwommenen Art, die sein ganzes Wesen und im besonderen seine
Philosophie auszeichnet, die Seele des Menschen sei ein weites Land,
auf dem sehr vieles Platz habe; ins verständliche Deutsch über¬
tragen meint er nämlich, die Seele des Mannes sei zu groß, als
daß sie sich mit einer Frau begnügen könne! Wie diese Probe, so
ist alles in diesem teilweise langweiligen und teilweise abstoßenden
Stücke, Charaktere und Geschehnisse, molluskenhaft, öhne Konturen,
unbestimmt und verschleiert.
Die Aufführung, von Hrn. Odemar inszeniert, rettete das Stück
vor der verdienten Ablehnung. Den haltlosen Fabrikanten, der an
Charakter das reine Chamäleon ist, gab Hr. Götz vortrefflich in
all seinen Launen und dem plötzlich schnellen Wechsel seiner Ge¬
fühlchen. Frau Frey wußte aus seiner Frau einen an sich sym¬
patyischen Menschen zu machen, den die unverstandene Liebe zu
ihrem nun selbstischen Gefühlen zugänglichen Manne lange Zeit vor
dom Falle schützt. Wie immer war sie eine elegante Erscheinung,
die sich in dieser stickigen Welt der Heuchelei mit Haltung und
Sicherheit bewegte. Alle anderen Personen sind nebensächlicher
Natur. Frl. Scholtz gab eine exaltierte Witwe, in der Herzlosig¬
keit, Dummheit und Geziertheit um die Herrschaft kämpften. Sie
machte verschiedene Versuche, ihrer Sprache eine wienerische Dialekt¬
färbung zu geben. Als ihre Tochter Erna hatte Frl. Schönfeld
effektvolle Momente. Hr. Ekert war ein umsichtiger Hotelier, der
sich von dem nörgelnden Hotelgast, den Hr. Engels vorzüglich
kopierte, nicht aus seiner Haltung bringen läßt. Seine Frau hatte
in Frau Teller=Habelmann und beider Sohn, der unglückselige
Fähnrich, in Hrn. Aßmann gute Vertretung gefunden. Als Arzt,
den einzig anständigen Menschen in dieser schmutzigen Gesellschaft,
schnitt Hr. Dysing gut ab, Hr. Senden und Frl. Büller gaben die
Bankiersgatten, die Herren Heber, Würthenberger, Mercklein,
Kiesan, Turrian, Nitzgen und Salomon andere überflüssige Per¬
sonen, Hr. Willi einen gewandten Hotelportier, Frl. Treu die Frau
eines Schriftstellers usw. Während sich in Wien bei der Urauf¬
führung vor acht Tagen gegen die Moral des Stückes eine bedenk¬
liche Stimmung im Pudlikum bemerkbar machte, beklatschte man
in unserer Aufführung am Sonntag, der wir beiwohnten, alle Akte
gleicherweise und widerspruchslos. Ganz vereinzelt verließen aller¬
dings mehrere Herren nach dem britten Att das Theater.
= Deutsches Theater in Köln. Wer die Noman#