II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 482


24. bas 1te Land
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Krilik. Sapent alseten
. Du
zu legen, soll nur angedeutet sein. Über Schnitzlers neues Stück hat
die Kölnische Zeitung schon (in Nr. 1134) von Berlin und Wien aus
ziemlich eingehend berichtet; darum darf sie über die hiesige Aufführung
kürzer sein. Wir versuchen, eine gedrängte Zusammenfassung des Ge¬
schehens zu geben, die zugleich erkennen lassen wird, wie wohlberechnet
die Dinge geordnet und gefügt sind — fast so untadelig wie eine malhe¬
matische Aufgabe samt ihrer Lösung, freilich auch mit der herzkühlenden
Wirkung solcher Übungen.
Am Eingang des Dramas liegt eine Leiche, ebenso am Schlusse (in
der Mitte des Stücks erhebt sich dazu der undentliche Schatten eines
dritten Toten). Es sind die Opfer eines bei aller frivolen Heiterkeit des
Gehabens zynisch=brutalen Herrenmenschen, des Fabrikanten Hofreiter,
der in rücksichtslosem Genießertum erotischen Abenteuern nachgeht. Er
wähnt, seine Gattin Genia zu lieben und betrügt sie doch in schamloser
Offenheit, heute mit einer leichtfertigen Bankiersfrau, morgen mit einer
klugen Jungfrau, die schon darauf brennt, töricht zu sein. Seine Seele
ist das weite Land, wo Liebe und Treulosigkeit, Ehrlichkeit und Verrat
einträchtig beieinander wohnen. Frau Genia weiß, wie sie betrogen
wird, liebt trotzdem den Gatten und wirbt um seine Zärtlichkeit — immer
umsonst. Ihr Verehrer, ein junger Musiker, geht, von Hofreiter zu einer
Art amerikanischen Duell gezwungen, in den Tod (erste Leiche). Hof¬
reiter wünscht, um seine Blutschuld vor sich rechtfertigen zu können, von
Genia zu hören, daß sie des Musikers Geliebte gewesen. Als er sich
aus einem Briefe überzeugt hat, daß Genia rein geblieben ist, gibt er¬
ihr zu verstehen, daß ihm das Gegenteil lieber wäre. Sie wiederholt
nunmehr das Liebesspiel mit einem hübschen Marine=Fähnrich, es in der
ihr nahegelegten Weise abwandelnd, und muß gleichwohl erleben, daß
Hofreiter den jungen Menschen zum Duell fordert und ihn erschießt¬
(zweite Leiche). Warum tötet er? Nicht aus Eifersucht, sondern weil
in dem Nebenbuhler ihm die starke und lebenstrahlende Jugend entgegen¬
trat, die er für sich nicht wieder zurückrufen kann. Mit der Trennung
der Ehegatten schließt das Drama die Haupthandlung. Daneben wird
ein in seinen entscheidenden Wendungen um Jahre zurückliegender
Parallelfall einer zerbrochenen Ehe dargestellt. Auch hier ist der Mann
Dus Wesen mit der weiträumigen Seele, in der Liebe und Liebeleien
Initsammen gedeihen. Schnitzler verführt dazu, die Parallelen zu ver¬
jängern: Der Sohn dieser Ehe ist jener Marine=Fähnrich, den Hofreiter
erschießt. Da nun auch aus Hofreiters Ehe ein Sohn entsprossen ist (der
zim Schluß des Stücks aus seiner englischen Schule zum Besuch eintrifft)
so öffnet sich dem Zuschauer der betrübliche Ausblick, daß auch dieser junge
Mann dereinst der Kugel eines betrogenen Ehegatten, der in ihm die
Jugend haßt, zum Opfer fallen wird. Man sieht hier wie in der Haupt¬
handlung die Mathematik des Aufbaus.
Sie bietet einen
intellektuellen Reiz, aber nichts für die Teilnahme des Gemüts.
Auch von den Personen sind nur wenige, deren Art
dem Zuschauer einiges Mitgefühlt abnötigt. Im ganzen ist diese — angeb¬
liche wienerische — Welt des leichtsinnigen Genusses, der dreisten Ehe¬
brücheleien, der frivolen Offenlegung intimster Dinge, der ideallosen Skepsis
und der lächelnden Verderbtheit in ihren Daseinsäußerngen recht un¬
erfreulich; es ist eine Welt, die das Leben als Spiel bewertet, aus der
Liebe eine Sportübung macht: es ist so etwas wie ein Symbol, daß die
Personen drei volle Akte hindurch Lawn Tennis spielen. Man kann nicht
warm werden unter diesen Schnitzlerschen Menschen und ertappt sich wohl
gar bei dem Gedanken, die ganze Gesellschaft sei im Grunde nichts nütze
und zum Untergang reif. Es ist kein Ausgleich für das Gefühl des Un¬
behagens, wenn man an dem Dialog die Vorzüge wiedererkennt, die die
Sprache von Schnitzlers frühern Stücken auszeichnen: der scheinbar breite,
zwanglos plaudernde Fluß der Rede, das rechtzeitige, die Spannung
sichernde Abbrechen und Unterbrechen, die kunstlos scheinende Einfügung
kluger, nachdenklicher oder paradoxer Wendungen.
Die hiesige Darstellung der Tragikomödie hatte sich nach Kräften bemüht,
die Schwierigkeiten, welche die beiden Hauptrollen bieten, zu überwinden. Diese
Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß der Dichter die Charakter¬
linien der beiden das Stück tragenden Figuren nicht überall klar und
unmißverständlich herausgebracht hat. Solcher verwischten Stellen gibt's
so viele, daß man sogar von Grund aus verschiedene Auffassungen der
Rollen beinahe gleichermaßen rechtfertigen kann. Herr Goetz hatte sich
den Hofreiter als einen noch ziemlich jugendlichen Mann mit drauf¬
gängerischer Unbesorgtheit zurechtgelegt, Frau Frey gab die Genie #
mit einer gewissen ruhigen, das Erlebte verbergen wollenden freundlch¬
müden, ein wenig nochdenklichen Kühle; beide zeigten erst im Schlußakt
etwas mehr von den innern Nöten die sie bewegten. Es wäre wohl der
Erwägungewerden en u # Zimendfrohe seiner
Nebendühler Vernichtungsgedanken eingibt, minder jung und frisch, die
durch die Untreue des Mannes verletzte Frau mit deutlichern Zügen
schmerzlicher Resignation zu zeichnen. In der Parallelhandlung, die
der Dichter allzu knapp gehalten hat, zeigten sich Herr Ekert und Frau Teller
voll klugen Verständnisses. Der modernen Jungfrau, die in der nächsten
Nacht diesen Titel preisgeben will, lieh Frl. Schönfeld überzeugende
leidenschaftliche Lockung. Mit aufrichtigem Lobe sei auch Herr Dysing
bedacht, der die sympathische Rolle des Arztes mit Würde und gutem
Geschmack durchführte. Den an das Hörnertragen gewöhnten Bankier
gab Herr Senden mit vergnügt=trockener Laune; als seine liebe¬
bedürftige Frau war Frl. Büller allerdings viel zu jung und zu un¬
scheinbar. Sehr gut fand sich Herr Aßmann mit dem dem Tode ge¬
weihten Marinefähnrich ab. Zu nennen sind weiter mit lobender Her¬
vorhebung Herr Kiesau als spaßhafter Lawn=Tennis=Geck und Fraus
Scholt als geschwätzige Mutter der starken Jungfrau. Von den in
dem bunten Episodenwerk des dritten Aktes auftretenden Gestalten haben
uns der belockte Dichter und seine hübsch aussehende, zum Flirt lockende
Frau (Herr Heber und Frl. Treu), der Portier (Herr Willi), uni
die drei fremden Schönheiten (Frl. Bischoff, Koenen und
Gaebler) gut gefallen. Sehr hübsch hatte Fritz Odemars Regie für
die Ausstattung der Schauplätze gesorgt (besondere Freude hatten wir as
dem Zimmer des fünften Aktes); die Bewegung der Gäste und Touriste¬
in dem Vorraum des Alpenhotels (dritter Akt) war lebhaft und glaul
würdig.
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