II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 505

24. Das weite Land
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nügte über eine Reichsfinanzreform ablehnen, die denfligung.
sozialen Ausgleich gegenüber den indirekten Steuern nicht,
enthielt und einseitig einzelne Volksschichten belastete.
Die Wahlaufrufe der Fortschrittlichen Volkspartei und der
Die nächsten Wahlen rufen das Volk auf zum Gericht! Nationalliberalen, die am gestrigen Tage an die Oeffent¬
gefundene Gemälde zeigt den Dichter in Treiviertelansicht weniger ausgeprägt, seine individuellen Züge. Zugleich
von links ausgenommen. Das linke Auge, die ganze Stir aber sind sie auch sämtlich mit dem Stempel einer ge¬
partie und die obere Nasengegend haben volles Licht, das
meinsamen Kultur gezeichnet, beherrschen alle mit Sicher¬
um die unteren Mundwinkel und um die Nasenflügel noch
heit den typischen plauschenden, liebenswürdig lächeln¬
einmal emporzuckt. Das linke Ohr liegt bereits im tiefen
den, niemals ernsten Ton des Gespräches und suchen
Schatten, so daß das Licht schräg von vorne eingefallen zu
einander zu übertreffen in der Kenntnis der intimen ge¬
sein scheint, womit allerdings die Schatten auf der rechten
gesellschaftlichen Beziehungen und der neuesten Skan¬
Wange nicht ganz in Einklang zu bringen sind. Ueber den
dälchen und Sensatiönchen. Das Ideal der jüngeren
Angen fallen die seingeschnittenen Brauen auf. Die Augen
Generation, zu der sich noch mancher freiwillige Rekrut
selbst blicken zu weltklug auf den Beschauer, der üppig auf¬
aus den höheren Jahrgängen gesellt. ist natürlich das
geschürzte Mund hat einen leicht spöttischen Ausdruck. Mag! Tennis. Besonders gut gelungen ist ein junger Fanatiker
aber das Bild auch Porträtähnlichkeit besitzen, den Eindruck
dieses Spieles, der mit dem Racket auf die Welt ge¬
Ivon Kleists Wesen gibt es nicht wieder. Das Rätselhafte.
kommen scheint und der immer in den spannendsten und
##ale ist schließlich noch besser in dem
diskretesten Situationen vom Tennisplatz hergestürzt
Zeitungsausschnitte
an“ Gewiß
kommt und schon von Weitem aufgeregt von der letzten
da er so
Partie berichtet. Etwas anderes hat ihm die Natur als
Berlin N. 24
Telephon III. 3061.
aber es
Lebensaufgobe nicht auferlegt. Herr Kanzenel traf
genblicke
den Ton dieser Gestalt, die eine keineswegs nebensächliche
braunes
Rolle spielt und ihre ganz bestimmte Aufgabe in der
Ausschnitt aus
hen nur
Entwicklung der Handlung hat, mit sicherer Erfassung des
dnet ins
Typus.
Schon diese flüchtigen Andeutungen lassen
als einen charakteristischen Zug
des Stuires
General-Anzeiger, Frankfurt a. M. standen
den Reichtum
agte die
an
Charakteren erkennen, den
runde
Schnitzlers Kunst hier geschaffen hat, und den im Ein¬
1911 M
r ganze
zelnen zu beobachten, vielleicht der größte Reiz des Stückes
jeheuren
ist. Zugleich aber taucht schon hier ein grundlegender
iche war
[Mangel an der die Wirkung des Stückes empfindlich
haftester
schädigt. Es ist kein Zufall, daß der Dichter jede seiner
serständ¬
Gestalten so subtil und persönlich schildert. Es ist viel¬
.K.
mehr eine notwendige Folge seiner psychologischen An¬
schauung und jener moralischen Theorie, die Schnitzler
—Frankfurter Schauspielhaus. Die mit Spannung
mit dem Titel seines Stückes symbolisch ausdrücken will.
erwartete erste Aufführung von Arthur Schnitzlers
Denn sein eignes Leben hat den Dichter gelehrt, wie falsch es
Trggikomödie „Das weite Land“ hat sich nun end¬
ist, den Handlungen des Menschen einen engbegrenzten Weg
lich am Samstag ermöglichen lässen: Die Aufnahme des
vorzuschreiben und sie nach einem festen Maßstab zu beur¬
Stückes war so, wie sie in den letzten Jahren die Premieren
teilen und er hat erkannt, ein wie ungeheuer kompliziertes
neuer Stücke oft gefunden haben: es war kein Mißerfolg,
Gebilde die Seele des Menschen ist, und daß es unmöglich
es war aber auch kein Erfolg. Schnitzler wird als Dichter,
ist, dieses Chaos unbewußter Gefühle und bewußter Ver¬
als Menschengestalter niemals versagen. Seine
nunft mit Machtworten und Vorschriften zum Kosmos
Menschen tragen immer eigene Züge. Sie haben jeder
zu verwandeln. Und er beobachtet nun von diesem
mit sich selbst zu tun, erleben jeder sein eigenes und eigen¬
Standpunkte aus das Treiben der Menschen und ins¬
tümliches Schicksal und haben einen eigenen Maßstab für
besondere der leichtlebigen Gesellschaft in den Kurorten
ihre Handlungen, — während sie gegenüber den Hand¬
und den Sommerfrischen des Hochgebirges, das seinen scharf¬
lungen der Mitmenschen die vorgeschriebene Moral zur
und weitblickenden Augen bald als ein komisches Ge¬
Anwendung bringen. Es gehört eine große dtief¬
wimmel, bald aber auch als eine Tragödie erscheinen muß.:
reichende Kenntnis der Seele dazu, um a. diese
Das ist die eigentümliche Auffassung vom Handeln des!
Variationen menschlicher Charaktere, wie Schnitzler sie in
Menschen, zu der Schnitzler gelangt ist.
besonderer Reichhaltigkeit gerade in diesem Stücke geschaffen
hat, auf ihrer eigenen Bahn zuhalten und auch den kleinsten
Von hier aus aber ist es
nicht möglich, zu
Rollen ein eigenes Gesicht zu geben. Da ist auch keine von leiner dramatischen, geschlossenen Handlung zu ge¬
den zahlreichen Gestalten, die das Per sonenver zeichnis anführt,
langen, di diesen Einzelwesen, deren jedes nur seine
mit der Schablone hergestellt. Jede ist dem wirklichen
egoistischen Zwecke verfolgt, jede Beziehung zu dem großen,
Leben entnommen und zeugt von scharfer Beobachtung,
gewaltigen Schicksal fehlt, die dem Leben einen Sinn geben.
wie sie nur dem Dichter eigen ist. Jeder trägt, mehr oderl und die jenen Verlauf des Menschenlebens herbeiführen,]