We
24. Das 1te Land
box 29/2
burg, Toronto.
(Gnelienangabe ohme Gewähr.
nitt aus:
139001911
12
Frauen sind ihm alles und es ist ihm ganz gleich= Art, wie er das Wienerische leicht obenhin anklingen¬
Das weite Land.
gültig, auf wen seine Liebe fällt, ob es seines Ge¬
wie er die Gefühle unter der Eisdecke des Lebe¬
schäftsfreundes Gattin oder seines Jugendfreundes
manns nur leise ansprechen ließ, eine unnachahmliche
Tragikomödie von Arthur Schnitzler.
Braut ist, er bricht jede liebe Blume, die ihm am
Grazie, und als die Katastrophe eingetreten war, als
Aufführung im Schauspielha###
Weg blüht, nur mit der eigenen Frau kann er
das ganze Instrument dieses unverwüstlichen
rechte Beziehungen nicht finden. Sie ist ihm zu
Die wienerische Gesellschaft ist lange nicht mehr
Damenmannes verstimmt sein mußte, fand er ein
anständig, er möchte gern, daß ihre Tugend stran¬
don der Gemütlichkeit, die früher für die Kaiser¬
hartes Krächzen, das ergreifend die Dissonanzen die¬
chele und er nicht der einzige Sünder im Hause sei.
stadt an der Donau typisch war. Das neue Wien
ser Lebeseele andeutete. Marianne Wulf gab die
Schließlich bringt er es auch so weit; und dann
ist dasselbe Babel wie alle anderen Weltstädte. Die
Gattin Hofreiters und sie sah so verwirrend schön
kommt das Seltsame. Er beschimpft den Liebhaber
Kultur hat den Weg genommen, den sie seit Jahr¬
aus, daß man ihr wohl glauben mochte, zwei Män¬
seiner Frau und tötet ihn dann im Duell. Anfäng¬
tausenden immer nahm, zu dem Zustand, den man
ner hätten um ihrer weichen Lippen willen den
lich erscheint es so, als ob Hofreiter der ritterliche
inz moralischen Geschichtsbüchern Ueberkultur, in
Sprung in die dunkle Unendlichkeit getan. Leider
Kavalier wäre, aber im letzten Akt wird es klar,
neteren Schriften Dekadence und am Ende des
war das alles, sie blieb im Aeußerlichen stecken, sie
daß er seinen Gegner erschoß aus einem anderen
war nur schön. Dazu kam noch, daß der Regisseur
vorigen Jahrhunderts fin de siecle nannte. In
Motiv, und das ist eigentlich die feinste Nuance in
Wien lebt man nicht philiströs. Man amüsiert sich,
in souveräner Verachtung des Publikums die Expo¬
Schnitzlers Psychologie. Er tötet den Schiffsfähn¬
sitionsszene in die Kulisse flüstern ließ, sodaß das
man betrügt sich und die kleinen süßen Mädel und
rich, den er bei einem Schäferstündchen mit seiner
die gelangweilten Frauen küssen ebenso süß ihre= Lieb¬
Publikum nichts verstand, daß ihm der Boden für
Frau fand, seiner frechen, jungen Augen wegen, es
das Folgenkönnen entzogen wurde. Und die Wulf
haber wie im bürgerlichen Haushalt den Bräutigam
ist also der Haß des alternden Lebemannes gegen die
und Gatten. Die Welt ist weiter fortgeschritten,
sprach auch im Verlauf des Stückes so undeutlich,
herandrängende Jugend. Ein sehr natürliches und
Fiemand garantiert dem andern mehr den Allein¬
so in sich selbst hinein, daß sehr viel verloren ging.
ein sehr fein beobachtetes Moment. Diese Wendung
verhallte, verklang, verrauschte. Stark individuell
#besitz seiner Frau, und die Frau mag selbst nicht
gibt auch die Erklärung dafür, daß Hofreiter das
war Gerda Irmen als Erna. Das richtige Wie¬
das einzige Turteltäubchen ihres Mannes sein. Die
zwanzigjährige Mädel, das er sich erobert, in dem
ner Finanzmädel, heiß und süß, ein Pflänzchen aus
Monogamie ist ein überwundener Standpunkt und
Augenblick zurückstößt, wo er frei ist und nun seine
dem dekatenten Sumpf des Donaubabels. Beson¬
das gefallene Mädchen genau so wertvoll, vielleicht
Absicht, die er vorher ausgesprochen, wahr machen
ders in den Szenen mit Hofreiters Frau und in
wertvoller als die unberührte Jungfrau.
könnte. Er hatte der Kleinen vertraut, er wolle
den Liebesszenen war sie von unvergleichlicher Rea¬
Dieses Wien hat Arthur Schnitzler in seinen
sich von seiner Frau scheiden lassen und sie heiraten.
listik. Sie ließ sich küssen und versagte sich so gold¬
Dramen treffend geschildert plastisch, mit all dem
Jetzt tut ers nicht. Nicht weil ihm der tote Schiffs¬
echt, wie nur je ein Mädel, das nach der Messe
fähnrich oder die unglückliche Gattin moralische
süßen Reiz der Verdorbenheit, mit dem ganzen
auf der Ringstraße promeniert. Unter den übri¬
Glanz der Ritterlichkeit jener Männer, die zwar
Skrupel bereiteten, nein, weil er die zwanzig Jahre
gen Darstellerinnen zeichneten sich Sophie König
nicht die geringste Achtung vor der Ehre einer Frau
der koketten Erna fürchtet und, wenn er auch Ehe¬
und Thessa Klinkhammer vorteilhaft aus.
haben, sie aber trotzdem jeden Augenblick mit ihrem
mann werden will, so hat er doch keine Lust, sich
Max Bayrhammer verstand es, in rich¬
zum Trottel stempeln zu lassen.
Leben verteidigen. Auch „Das weite Land“ schildert
tiger Würdigung der etwas antiquierten Form
das neue dekatente Wien, aber Schnitzler ist nicht
des Dr. Aigner die Figur modern zu charak¬
Die Handlung dieses fälschlich Tragikomödie ge¬
mehr der scharfsichtige Beobachter, der große Künst¬
nannten Stückes ist sehr dürftig. Die Hauptsache terisieren. Die Regie sah ihre Aufgabe damit er¬
ler, der in knapper Konturierung Menschen und
ledigt, hübsche Bühnenbilder zu schaffen, sie trug
ist das Milieu und die Menschen, die, wenn auch
Dinge vor uns hinzeichnete, er ist redselig gewor¬
aber nicht Sorge, die Längen des Stückes durch
langatmig, mit vielem trivialen Pathos geschildert,
den, er sagt die Dinge drei und viermal und er sagt
ein gesteigertes Tempo abzukürzen, Aufgänge und
so doch lebendig und glaubhaft gemacht worden sind.
sie nicht mehr so fein, nicht mehr so geschliffen wie
Dabei hat Schnitzler mit dem bewährten Rüstzeug
Abgänge logisch zu verbinden und zu motivieren;
früher. Aber es ist immer doch noch Arthur Schnitz¬
der französischen Gesellschaftsdramatiker gearbeitet,
kurz gesagt, sie hatte sich ihre Tätigkeit äußerst
ler und wenn man auch während der fünf langen
sogar der Räsonneur der alten Dumaskomödie ist
leicht gemacht. Und so erschien die Darstellung
Akte manchmal das Gähnen nicht unterdrücken kann,
durch den Hoteldirektor Dr. von Aigner in ehrwür¬
schleppend, undiszipliniert und unsicher. Der Re¬
so gibt es doch immer wieder Momente, die die ganze
diger Fossilität vertreten. Er erklärt sogar in einer
gisseur war offenbar zufrieden, wenn die Dar¬
Gestaltungskraft und den alten Milieuzauber der
bei Schnitzler unverständlichen Geschmacklosigkeit den
steller ihre Rollen textlich beherrschten. Daß der
früheren Zeit lebendig werden lassen.
Titel des Stückes.
Dichter so etwas wie eine einheitliche Idee habe,
Friedrich Hofreiter, der Held des Stückes, i
die der Regisseur nachschaffen müsse, das scheint!
Die Darstellung war, in großen Zügen gesehen,
man nicht genügend begriffen zu haben. F. R.
ein Mensch von einer dämonischen Genußsucht. Die recht gut. Herr Bauer als Hofreiter hatte in der!
24. Das 1te Land
box 29/2
burg, Toronto.
(Gnelienangabe ohme Gewähr.
nitt aus:
139001911
12
Frauen sind ihm alles und es ist ihm ganz gleich= Art, wie er das Wienerische leicht obenhin anklingen¬
Das weite Land.
gültig, auf wen seine Liebe fällt, ob es seines Ge¬
wie er die Gefühle unter der Eisdecke des Lebe¬
schäftsfreundes Gattin oder seines Jugendfreundes
manns nur leise ansprechen ließ, eine unnachahmliche
Tragikomödie von Arthur Schnitzler.
Braut ist, er bricht jede liebe Blume, die ihm am
Grazie, und als die Katastrophe eingetreten war, als
Aufführung im Schauspielha###
Weg blüht, nur mit der eigenen Frau kann er
das ganze Instrument dieses unverwüstlichen
rechte Beziehungen nicht finden. Sie ist ihm zu
Die wienerische Gesellschaft ist lange nicht mehr
Damenmannes verstimmt sein mußte, fand er ein
anständig, er möchte gern, daß ihre Tugend stran¬
don der Gemütlichkeit, die früher für die Kaiser¬
hartes Krächzen, das ergreifend die Dissonanzen die¬
chele und er nicht der einzige Sünder im Hause sei.
stadt an der Donau typisch war. Das neue Wien
ser Lebeseele andeutete. Marianne Wulf gab die
Schließlich bringt er es auch so weit; und dann
ist dasselbe Babel wie alle anderen Weltstädte. Die
Gattin Hofreiters und sie sah so verwirrend schön
kommt das Seltsame. Er beschimpft den Liebhaber
Kultur hat den Weg genommen, den sie seit Jahr¬
aus, daß man ihr wohl glauben mochte, zwei Män¬
seiner Frau und tötet ihn dann im Duell. Anfäng¬
tausenden immer nahm, zu dem Zustand, den man
ner hätten um ihrer weichen Lippen willen den
lich erscheint es so, als ob Hofreiter der ritterliche
inz moralischen Geschichtsbüchern Ueberkultur, in
Sprung in die dunkle Unendlichkeit getan. Leider
Kavalier wäre, aber im letzten Akt wird es klar,
neteren Schriften Dekadence und am Ende des
war das alles, sie blieb im Aeußerlichen stecken, sie
daß er seinen Gegner erschoß aus einem anderen
war nur schön. Dazu kam noch, daß der Regisseur
vorigen Jahrhunderts fin de siecle nannte. In
Motiv, und das ist eigentlich die feinste Nuance in
Wien lebt man nicht philiströs. Man amüsiert sich,
in souveräner Verachtung des Publikums die Expo¬
Schnitzlers Psychologie. Er tötet den Schiffsfähn¬
sitionsszene in die Kulisse flüstern ließ, sodaß das
man betrügt sich und die kleinen süßen Mädel und
rich, den er bei einem Schäferstündchen mit seiner
die gelangweilten Frauen küssen ebenso süß ihre= Lieb¬
Publikum nichts verstand, daß ihm der Boden für
Frau fand, seiner frechen, jungen Augen wegen, es
das Folgenkönnen entzogen wurde. Und die Wulf
haber wie im bürgerlichen Haushalt den Bräutigam
ist also der Haß des alternden Lebemannes gegen die
und Gatten. Die Welt ist weiter fortgeschritten,
sprach auch im Verlauf des Stückes so undeutlich,
herandrängende Jugend. Ein sehr natürliches und
Fiemand garantiert dem andern mehr den Allein¬
so in sich selbst hinein, daß sehr viel verloren ging.
ein sehr fein beobachtetes Moment. Diese Wendung
verhallte, verklang, verrauschte. Stark individuell
#besitz seiner Frau, und die Frau mag selbst nicht
gibt auch die Erklärung dafür, daß Hofreiter das
war Gerda Irmen als Erna. Das richtige Wie¬
das einzige Turteltäubchen ihres Mannes sein. Die
zwanzigjährige Mädel, das er sich erobert, in dem
ner Finanzmädel, heiß und süß, ein Pflänzchen aus
Monogamie ist ein überwundener Standpunkt und
Augenblick zurückstößt, wo er frei ist und nun seine
dem dekatenten Sumpf des Donaubabels. Beson¬
das gefallene Mädchen genau so wertvoll, vielleicht
Absicht, die er vorher ausgesprochen, wahr machen
ders in den Szenen mit Hofreiters Frau und in
wertvoller als die unberührte Jungfrau.
könnte. Er hatte der Kleinen vertraut, er wolle
den Liebesszenen war sie von unvergleichlicher Rea¬
Dieses Wien hat Arthur Schnitzler in seinen
sich von seiner Frau scheiden lassen und sie heiraten.
listik. Sie ließ sich küssen und versagte sich so gold¬
Dramen treffend geschildert plastisch, mit all dem
Jetzt tut ers nicht. Nicht weil ihm der tote Schiffs¬
echt, wie nur je ein Mädel, das nach der Messe
fähnrich oder die unglückliche Gattin moralische
süßen Reiz der Verdorbenheit, mit dem ganzen
auf der Ringstraße promeniert. Unter den übri¬
Glanz der Ritterlichkeit jener Männer, die zwar
Skrupel bereiteten, nein, weil er die zwanzig Jahre
gen Darstellerinnen zeichneten sich Sophie König
nicht die geringste Achtung vor der Ehre einer Frau
der koketten Erna fürchtet und, wenn er auch Ehe¬
und Thessa Klinkhammer vorteilhaft aus.
haben, sie aber trotzdem jeden Augenblick mit ihrem
mann werden will, so hat er doch keine Lust, sich
Max Bayrhammer verstand es, in rich¬
zum Trottel stempeln zu lassen.
Leben verteidigen. Auch „Das weite Land“ schildert
tiger Würdigung der etwas antiquierten Form
das neue dekatente Wien, aber Schnitzler ist nicht
des Dr. Aigner die Figur modern zu charak¬
Die Handlung dieses fälschlich Tragikomödie ge¬
mehr der scharfsichtige Beobachter, der große Künst¬
nannten Stückes ist sehr dürftig. Die Hauptsache terisieren. Die Regie sah ihre Aufgabe damit er¬
ler, der in knapper Konturierung Menschen und
ledigt, hübsche Bühnenbilder zu schaffen, sie trug
ist das Milieu und die Menschen, die, wenn auch
Dinge vor uns hinzeichnete, er ist redselig gewor¬
aber nicht Sorge, die Längen des Stückes durch
langatmig, mit vielem trivialen Pathos geschildert,
den, er sagt die Dinge drei und viermal und er sagt
ein gesteigertes Tempo abzukürzen, Aufgänge und
so doch lebendig und glaubhaft gemacht worden sind.
sie nicht mehr so fein, nicht mehr so geschliffen wie
Dabei hat Schnitzler mit dem bewährten Rüstzeug
Abgänge logisch zu verbinden und zu motivieren;
früher. Aber es ist immer doch noch Arthur Schnitz¬
der französischen Gesellschaftsdramatiker gearbeitet,
kurz gesagt, sie hatte sich ihre Tätigkeit äußerst
ler und wenn man auch während der fünf langen
sogar der Räsonneur der alten Dumaskomödie ist
leicht gemacht. Und so erschien die Darstellung
Akte manchmal das Gähnen nicht unterdrücken kann,
durch den Hoteldirektor Dr. von Aigner in ehrwür¬
schleppend, undiszipliniert und unsicher. Der Re¬
so gibt es doch immer wieder Momente, die die ganze
diger Fossilität vertreten. Er erklärt sogar in einer
gisseur war offenbar zufrieden, wenn die Dar¬
Gestaltungskraft und den alten Milieuzauber der
bei Schnitzler unverständlichen Geschmacklosigkeit den
steller ihre Rollen textlich beherrschten. Daß der
früheren Zeit lebendig werden lassen.
Titel des Stückes.
Dichter so etwas wie eine einheitliche Idee habe,
Friedrich Hofreiter, der Held des Stückes, i
die der Regisseur nachschaffen müsse, das scheint!
Die Darstellung war, in großen Zügen gesehen,
man nicht genügend begriffen zu haben. F. R.
ein Mensch von einer dämonischen Genußsucht. Die recht gut. Herr Bauer als Hofreiter hatte in der!