II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 548

24. Das weite Land
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hrlsruhe.
Kopf geht. Daß er seiner Frau dabei aber nichts von seinen
Schleichwegen abseits vom Pfade der ehelichen Tugend erzählt,
Pand“,
ist leicht verständlich, und gibt ihm weder etwas Großes noch gar
hur Schnitzler.
„Dämonisches“. Scmitzler will in diesem Fabrikanten wohl eine
hau, daß die eigentliche
Art Vertreter des rücksichtslos sich durchsetzenden und gewinnen¬
Dialog liegt, in der
den Nietzeschen Uebermenschentums auf die Bühne bringen, aber
stvoll=eleganten psycho¬
Friedrich Hofreiter beweist seine Ueberlegenheit im Stück eigent¬
wierigsten und gewag¬
lich nur dadurch, daß er im Tennis siegt, daß er Erfolg mit seinem
lebens. Darum hat er
neuen Glühbirnenpatent hat und daß er einen blutjungen Fähn¬
icht erst bemüht, eine
rich mit kaltblütigex Sicherheit über den Haufen schießt, weil ihn
me Fabel zu erfinden,
der junge freche Blick seines Duellanten ärgerte und reizte.
Handlung zusammen¬
Seit Jahren hat Friedrich Hofreiter schon seine gute, vor¬
bleme des modernen
nehme und kluge Frau Genia betrogen. Sie weiß es, aber sie
bt werden und bei der
liebt ihn dennoch und läßt darum einen Verehrer in den Tod
t in der feinen inner¬
gehen. Und nun — das ist eines der feinsten Probleme, die
en, scheinbar furchtbar
Schnitzler aufgreift — steht dieser Tote zwischen beiden. Hof¬
leuchten lassen kann.
reiter, der ausgemachte Genußmensch, für den alles und alle nur
das Motto, unter den
ausgemachte Instrumente für eine naive Selbstsucht sind, begreift
le einer ganzen Reihe
nicht, warum seine Frau ihm treu blieb und jenen in den
n Ausschnitt aus dem
Tod zwang. Es wäre ihm eine Erleichterung gewesen, sie schul¬
gibt. vereinigt. Es
dig zu wissen, schon zur Beruhigung seines bösen Gewissens; ist
Seele“, in dem sich die
er doch gerade dabei, eine für ihn besonders reizvolle Blüte zu
e,
Treue und Verrat
brechen, ein junges, frühreifes Mädchen, das er schon als Kind
nicht mehr zurecht
auf den Knien schaukelte, und das sein bester Freund als Gattin!
endlosen Variationen
ersehnt. Während nun droben im Gebirg die junge und wilde Erna
Wahl sich ihm hingibt, nimmt unten seine Gattin — wars Rache
en Mädels“, war bis
oder nur vage Sehnsucht und trostsuchendes Einsamkeitsgefühl?
euerer Zeit hat er an¬
die so oft freigestellte „Revanche“ mit einem blutjungen
d seiner philosophisch¬
Marinefähnrich. Und nun wird plötzlich
und das ist der Clon
im „weiten Land“
der Schitzlerschen Tragikomödie — aus dem Ungetrenen aus
rich Hofreiter gedient.
Protession der beleidigte und racheschnaubende Ehemann, der den
nland er jetzt nach
Nebenbuhler brutal provoziert und im Duell über den Haufen
schologisch=interessanten
schießt. Warum? Aus einem Rückfall in die alte Konvention,
irklich der Mühe wert
von der er sich doch so ziemlich ganz losgesagt hat, aus plötzlich
unmtürlichen, aber
wiedererwachter Liebe zu seiner Fran, aus Eitelkeit, um nicht
wo der redselige
„der Dumme“ zu sein. aus einer Lonne, die das primitivste Elc¬
keiner hinein, keiner!“
ment des Ewig=Männlichen geweckt hat? Von alledem wird ein
rArt ein ganz offener
bißchen angedentet, aber die „rage selbst wird offen gelassen. Und
das sich seiner Selbst=: das gibt der Gestalt eben das schillernd Zwiespältige. das an ihr
8 ihm durch Herz und 1 haftet und das dem aamen Stücke anbänat. Gewiß ist die Ge¬

stalt eines Mannes, in dem die alten plötzlich erwachten Instinkte¬
des Geschlechtes die Schranken seiner Kultur zertrümmern, eine
tieftragische Erscheinung, aber Schnitzler nennt sein Stück eine
Tragikemödie und rückt dadurch die Gestalten in eine ungewiß
spielerische Beleuchtung. So tragen Form wie Inhal' dieser
Bühnendichtung etwas unsicher Schwankendes an sich und lassen
nur hin und wieder leise jene Schnitzler eigentümliche Stims
mung erklingen, die aus Ironie und resignierender Wehmut ges
mischt ist, die äußerlich kalt berechnet und die innerlich doch so
leidenschaftlich heiß sein kann.
Die Tragikomödie fand gestern abend unter der Leitung von
Fritz Herz eine sehr gute Aufführung. Den Hofreiter gab Herr
Baumbach temperamentvoll, sicher und überzeugond. Nur
das Aeußere war etwas zu jugendlich, sonst aber half sein ge¬
wandtes, und bis ins kleinste fein durchdachtes, ausgearbeitetes
Spiel über manche Unmöglichkeit der Rolle weg. Die übrigen
Gestalten des Stückes läßt Schnitzler diesmal ja mehr im
Schatten stehen. Sie dienen ihm nur dazu, das Wesen des
„Helden“ in gebrochenen Lichtern widerzuspiegeln. Die Genia
der Frau Ermarth war eine feine, vielleicht in manchem all¬
zufeine Leistung. Die Kompliziertheit der Frauengestalt reizt
die Darstellerin allem Anschein nach zu übertriebener Detailarbeit.
Etwas weniger wäre mehr gewesen. Besonders zu Anfang hätte der
Genia ein einfacherer und leichterer Ton bester gestanden als
der schwere und tragische von gestern abend. Die übrigen Rollen
bieten ja keine besondere Schwierigkeiten. Durch ihr frisches und
natürliches Spiel machte Frl. Noorman auch die pikantesten
und gewagtesten Stellen ihrer Rolle, an denen diese ja ziemlich
reich ist, wenigstens einigermaßen genießbav. Famos waren
dann noch der Dr. v. Aigner des Herrn Herz sowie der Marine¬
fähnrich des Herrn v. Krones Gute Episodengestalten stellten;
ferner noch auf die Bühne, die Herren Höcker als Dr. Mauer,
Kienscherf als Schriftsteller Rhon und Wassermann
als Bankier Natter, sowie die Damen Frauendorfer als
Frau v. Aigner und Pix als Frau Wahl. Die szenische Aus¬
stattung war sehr geschmackvoll und zeugte besonders im letzten
Akt von gutem Farb= und Stilempfinden. Das Zusammenspiel
war flott und sicher. Der Beifall des Publikums, das sich schwer
in das Stück hineinfand, war nicht allzu stark.
Walther Günther.