II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 583

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24. Das seite. Land
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Dichter es einmal ausdrückte.“ Auf diesem weiten; Chantecler lebt er, aber ein fixer, intelligenter Indu¬] Daß der Fabrikant mit der Erna Wahl, jenem for¬
Land der Seele kennt sich Artur Schnitzler trefflich
strieller ist er — mit einem jungen Ding an das
schen Mädel, das sich zu Hofreiter so magisch hinge¬
aus. Fretlich, er will uns hie und da als ein gar zu
nicht mehr von ihm lassen will und seinen Verehrer,
zogen fühlt, eine sehr schwierige Besteigung gemacht
läßlicher Spaziergänger erscheinen; wir möchten ihn
einen lüchtigen Arzt, der aber in Liebesdingen ein
hat, was dann zu den letzten Konsequenzen nach der
um einen Grad männlicher, entschiedener, durchgrei¬
arger Unstern ist, abdankt. Dazu kommt als weiterer
Rückkehr führt; zum andern, daß der Hoteldirektor
fender; wir möchten nicht immer wieder die ge¬
Vertreter der Polygamie der Doktor Aigner, dessen
den Titel des Stückes interpretiert. Schließlich über¬
schlechtliche Zone in das Zentrum aller Interessen
Ehe einst ob seiner Aufrichtigkeit der Gattin gegen¬
wiegt aber in dem Drama doch die tragische Fär¬
ch unsere
gerückt sehen, als ob das ganze Leben nur von die¬
über in die Brüche gegangen ist, und der nun als
bung. Oder ist es nicht eine wahrhaft ergreifende
ges Ar¬
sem einen Punkt aus orientiert wäre. Allein, das ist
Direktor eines großen Gasthofes im Gebirge seine
Situation, wenn im letzten Akt Frau Hofreiter und
man die
doch vielleicht wieder nur die Kehrseite des kultivier¬
galanten Triebe ehelos spazieren führt. Und just
die Schauspielerin Aigner (der geschiedenen Direk¬
h wenige,
ten Wienertums in Schnitzler, das notwendige Kom¬
diesem Aigner legt Schnitzler das Wort von der
torsfrau) bei einandersitzen, und jene weiß, daß ihr
en, man
plement zu dem, was ihn uns lieb und wert macht.
Seele als dem weiten Land, vom Chaos als dem
Mann sich mit dem Sohn Otto Aigner, dem Marine¬
als zu
(Und wir erinnern uns, daß aus Oesterreich das
Natürlichen, von der Ordnung als dem Künstlichen
fähnrich schießt und in diesem Augenblick das Duell
is als ei¬
Dysangelium Freud seinen Ursprung genommen
in den Mund, und dies mitten im Trubel eines
schon zu Ende ist, während die Mutter Aigner von
hat.)
ine wenn
Hotelvestibüls. Viele haben sie vielleicht nicht einmal
alledem nichts ahnt und der Ansicht ist, der Sohn
reichere,
Wir stehen mit dem Gesagten schon mitten in
genau verstanden. Man tut deshalb gut, über der
fahre am Abend nach Pola zum mehrjährigen
Er hat
der „Tragikomödie“ die wir jüngst auf unserer
Aufführung das Buch nicht zu vergessen; nie gewohnt
Marinedienst; und nun tritt zu den zwei Frauen
ns. Er
Bühne gesehen haben. Die Komödie wie die Tragödie
bei S. Fischer ist die Tragikomödie erschienen, ein
der Fabrikant Hofreiter, und er, der eben das einzige
s mensch¬
bezieht ihren Nährstoff wesentlichaus dem Boden
stattliches Bändchen von 174 Seiten; dieser Umfang
Kind der Frau Aigner im Duell erschossen hat, muß
nschlichen
des Sexuellen, oder vornehmer gesagt: der Liebe.
bedingt natürlich einige Striche für die Bühne. Ueb¬
ihr nun die Hand reichen und Höflichkeiten mit ihr
all das
Im Mittelpunkt steht ein Fabrikant, der, im Besitz
rigens: der genannte Berliner Verlag bereitet eine
austauschen. Hier ist von irgend einer Komödien¬
ber eben
einer reizenden Frau, die ihn liebt, aus der Poly¬
Gesamiausgabe von Schnitzlers Dichtungen vor; mit
stimmung nichts mehr zu spüren, und wir sind
mus ver¬
gamie nicht herauskommt, der daher im Grunde völlig
dem Erzählenden wird sie beginnen, dann erst folgt
Schnitzler herzlich dankbar dafür. Denn um tiefstes
mplizier¬
begreifen würde, wenn seine Frau schließlich Glei¬
als zweite Abteilung das dramatische Oeupre des
Weh geht es da.
h=starrem
ches mit Gleichem vergälte, der trotzdem dann aber,
Fünfzigjährigen.
Die Aufführung brachte vieles in dem Stück zur
ein Wort
als dies wirklich eintritt (aus dépit amoureux, nicht
Daß sich Tragisches und Komisches tagtäglich,
richtigen Wirkung, nicht alles. Hr. Marx verdient
ennzeich¬
aus Leidenschaft, und darum doppelt abstoßend), den
stündlich unheimlich berühren, wer weiß es nicht?
für seinen Hofreiter warmes Lob; die Rolle verlangt
s! Liebe
jungen Liebhaber niederknallt im Duell, nicht sowohl
Fragt sich nur, ob diese Mischung so ohne weiteres
vielen Takt, wenn sie nicht ins sehr Unangenehme
nbetung
aus eifersüchtiger Wallung, die ja bei Ehefrevlern
auch ins Kunstwerk hinübergenommen werden kann.
geraten will; Hr. Marx vermied alles Forcierte, alles
ern oder
nichts Seltenes ist, als um sich künftig von einem
Schnitzler scheint mir da doch stellenweise zu sorglos
widrige Betonen des siegreichen Schwerenöters mit
g in uns
Bankier, mit dessen Frau der Fabrikant ein offen¬
vorgegangen zu sein. Der dritte Akt, im Hotel am
angegrautem Haar. Frl. Reiter bewahrte als Genia
nung ist
kundiges Verhältnis unterhalten hat, nicht unge¬
Völser Weiher, entgleitet sozusagen völlig in die
Hofreiter durchweg die Haltung der feinen Frau;
rliche ist
straft Sottisen gefallen lassen zu müssen. Daneben
Komödie, und damit schadet der Dichter seinem Werk
ihre Mimik gibt letzte, tiefste Regungen der Seele
wie ein bandelt der Fabrikant — Hofreiter heißt er, wie ganz entschieden. Was bleibt von diesem ganzen Akt?I nicht her, und die Färbung des Tones bleibt etwas