II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 605

24. Dasgeite-Land

isschnitt aus Oesterreichische Volkszeitung
16JN 1975
Wien.
im:
Thonter und Kunst.
Burgtheater. Artur Schuitlersvikant
(geistvolle Tragikomödie „Das weite Land“ half
auch in der Neubesetzung die herausfordernd
spannende Wirkung getan, die dem Stück einen be¬
sonderen Gesellschaftserfolg erwarb. Weil aber in
der Tragikomödie sozusagen mit gutem Recht alles,
anders kommt und anders spricht, als nach der
Theaterregel zu erwarten wäre, haben die Darsteller
h
größte Freiheit, sie konnen sich die Rollen anpassen!“
nach Personlichkeit und Geschmack. Herr Walden
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als Hofreiter hat von diesem Rechte guten Gebrauch
gemacht. Weniger weltmännisch, auch weniger
kanstisch vielleicht, als sein Vorgänger Herr?
Korff, hat er die Gestalt mehr in das Leben
eingeführt, zum glaubwürdig Menschlichen gerundet,
chließlich aus der Niederung des Tragikomischen
fast in die Höhe des Tragischen gehoben. Fräulein]?
Mayer zeichnet die Partie der alten Schau=|?
spielerin Anna Meinhold mit zarteren Strichen als!
es die starke Hand der Frau Bleibtren getan, ist
aber angemessen und sricht klar, verständlich. Dien
Erna, das etwas angelaufene Produkt überweib¬
licher Modernität, wird von Fräulein Mayense
in ein schwer genießbares Backsischtum zurück¬
gewendet.
Wogn
ihr auch
eine
so wesensfremde Aufgabe zumuten? Der Doktorsd
Maurer des Herrn Marr und der Rhon des
Herrn Romberg wurden mit Wohlgefallen zur
Kenntnis genommen. Die anderen, fast durchaus
eigenartigen Partien waren den früheren Eignern
verblieben und werden noch in freundlicher Erinne¬“
tung der Hörerschaft sein. Die Stimmung des###
Abends war angeregt.
B. —t,
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Ausschnitt aus:
16 UUNFresdienblatt, Wien
Vom.
Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Es ist schon hübsch lange, daß Artur!!
Schnitzler „Das weite Land“ geschrieben hat —
bloß
einige Jahre, und doch länger, als sich nachweisen läßt. Der
Theaterzettel nennt das Stück eine Tragikomödie; so hat
es der Dichter seinerzeit empfunden und so hat es das Publi¬
kum hingenommen. Heute ist es eine wirksame Theater¬
komödie — was gar keine Schande ist, weder für den
Schöpfer, noch für den Genießer. Eine gesunde Komödie
namentlich wenn man die Philosopheme des Dialoges nicht
gar zu bedeutend und das Tempo kräftig und scharf nimmt,
so wie es die Regisseure alten Stils mit sogenannten
bewährten Repertoirestücken gerne tun. Das ist nämlich
schon deshalb gut, weil man solcherart nicht die Zeit
winnt, den Geschehnissen und den einzelnen Charakterentwick¬
lungen gegenüber ungläubig zu werden. Gestern ist uns das
Stück in vielfach erneuter darstellerischer Gestaltung geboten
worden. Da hätten wir zunächst eben jenes raschere Zeitmaß
gewünscht. Schnitzler selbst glaubt ja nicht, daß all die Aus¬
blicke in den Zwiegesprächen seiner Tennisspieler Ewigkeits¬
perspektiven sind. Er frozzelt sich selbst — ganz gewiß! Viel¬
leicht hat die Komödie im Burgtheater dadurch ein so nach¬
der #iches Gesicht bekommen, daß einige wienerische Dar¬
steller- und damit ein Stück unentbehrlichen Leichtsinns —
aus der Besetzung geschwunden und durch nördliche Kunst
ersetzt worden sind. Zum Beispiel trat an Stelle des Herrn
Korff als Friedrich Hofreiier Herr Walden. Wie gesagt,
nicht zum Vorteil der Figur. Gewiß, Herr Walden wußte
den Zuschauer schließlich zu überreden — aber der richtige,
mehr oberflächliche, leichtlebige Hochreiter begnügt sich, ihn
zu überzeugen. Seine Partnerin als Erna war Fräulein
Mayen; sie entwickelte den Charakter anfangs einiger¬
maßen nach der Manier der deutschen Naiven und zierte sich.
Erst später fand sie den freien Ton der Leidenschaft die sich
ihrer selbst schämt. Fräulein Marberg zählt die Genia zu
ihren glänzendsten Rollen; wie vornehm, wie stolz sinkt diese
schwache Frau! Daß der brave Dr. Maurer die richtige
Gestalt für den treuherzigen Herrn Marr ist, braucht auch
nicht erst gesagt zu werden. Sonst wären noch als interessantel
Menschen des Abends der famose, Grauhaarelegant zu nen¬
Inen, den Herr Devrient als Hoteldirektor sehen läßt,
fernei der derbe Bankier Natter des Herrn Heine, der stark
prononcierte Schriftsteller des Herrn Romberg (sollte das
nicht die Maske des Herrn Hans Müller gewesen sein ?)
und der jugendliche Otto des Herrn Gerasch. Was oft¬
störte, war die Vielfarbigkeit des Dialekts in diesem Wiener¬
Stücke. Höbling vertrat hiebei den äußersten Westen, ver¬
gaß also, daß nur ein kleiner Teil der Wiener Bevölkerung
in Lerchenfeld wohnt. Die Stimmung des Publikums —
das Haus machte den Eindruck völlig ausverkauft zu sein —
verlor bis zum letzten Vorhang nichts e Spannung. Und
es war ziemlich spät, als er fiel.