II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 680

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24 weite Land
Dieser eine Akt hat im Buch fünf Szenen und kein Wort zu viel.
Was der Charakteristik des Menschengekribbels nicht dient, ist übrig
für das Lokalkolorit, den Landschaftsbrodem, die Sprengelstimmung,
das Grenzschmuggelwesen, den Wirtshausklatsch, das ordinäre Par¬
fum ungelifteter Hurenstuben und die Tendenz. Ja, auch die Ten¬
denz. Nicht umsonst ist die offizielle Sedanfeier mit Blechmusik und
Fahnenumzug der Fond, von dem sich die Anklagerede des Apothe¬
kers wider den Nebenbuhler von Gendarmen in seiner amtlichen
Eigenschaft abhebt. Den Halbakademiker wurmt, daß solch ein An¬
alphabet, solch ein Herr Notizbuch als „Auge des Gesetzes“ aufgestellt
ist und seine Dununheit mit der Falschheit der Pfaffen zum Schaden
des Bayernlandes verbündet. Oder er tut doch, als ob es ihn wurme.
Seine soziale Stellung erfordert so etwas wie ethische Unterkellerung
eines keuchenden Sexualneids. Die beiden Kerle kämpfen zuletzt mit
den Flinten, zuvor mit den Fäusten und zuerst mit den . .. um ein
Weib, um die Innozenz, die sich zwar dem gebrechlichsten zahlungs¬
fähigen Mitglied des Honoratiorenschaft nicht verschließt, aber nur
sie beide und die stachelnde Eilersucht auf die Kommandantin nötig
hat. Dieser Lautensack konnte erdige Geschöpfe entfesseln und bis
zur Raserei treiben. Er konnte die Luft zwischen ihnen elektrisch
laden und entladen. Er konnte in einem Sonntagnachmittagjahrmarkts¬
gewinnnel die derbe und gutartige Süddeutschheit einer bäuerischen
Bevölkerung zu farbigster Eindringlichkeit zusammenlassen. Er konnte
die stirnenpressende Macht des Katholizismus jählings aufblitzen las¬
sen. Seine Werke sind in keinem Zuge zu transponieren. Sie wur¬
zeln mit jeder Faser. Er war ein Thoma, dem ein gehöriger Tropfen
Fegefeuer eingeheizt und das Gehirn zu so viel Prophetengabe er¬
leuchtet hatte, daß manche Sätze — „man sieht es an höherer Stelle
nicht gern, daß dem Morde immer noch nachgespürt wird“ — wie
aus dem heutigen Tag für den heutigen Tag gesprochen klingen. Ein
grimmiger, bitterer, erkennerischer Schwefelhumor zuckt durch den
erbarmungslos ruhig gemalten Lebensausschnitt.
Dies und das: die in sich selbst beharrende Speckesfülle und die
Nervenzuckungen drüber hin muß eine Aufführung zu vereinen wissen.
Der Herr des Lustspielhauses hat sich gleichermaßen am Fleisch und
am Geist versündigt: er hat von den fünf Szenen eine ganz, und die
saftigste, die vierte, entfernt, mitsamt dem schwer entbehrlichen Epi¬
log, dem bezeichnend lügenhaften Epitaph für den erschossenen Gen¬
darmen Buchholz, oder wie er sonst heißt, dem ein ehrenvoller Selbst¬
mord nachgerühmt wird; und er hat in den andern vier Szenen mit
einer kaum überbietbaren Taubileit für Lautensacks Dialogik, für ihren
Tonlall herumgestrichen, herumgehackt. Durch die metzgerhafte Be¬
seitigung von Uebergängen sind Antithesen herausgekommen, Anti¬
tnesen — als wolle Einer in Expressionismus machen, der noch gar¬
nicht erfahren hat, was Impressionismus ist, und es niemals erfahren
wird, weil von allen ismen seiner einzig der Dilettantismus ist. Diese
Aufführung — mit einem Kommandanten für allerkleinste Ortsver¬
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bände — ist keifend, kurzatmig, voll
zu verpassen, und ohne Scheu, jede se
in der Seele weh, daß ich Bassermann
sieht sich nicht und wird deshalb. für
tiger Besorgtheit entspringenden Rat
morgen wieder einem einigermaßen gle
gleichstrebenden Ensemble unter der
einzugliedern.
Wiener Theater von Alfre
Auch die Theater hier sind dem
— Clanz und Freude des Metiers
plagen sich im „Nachtgeschäft“
schwingen, das heißt: sie arbeiten
haus, im Tingl. Oder zumindest in
denen die Bühnen selbst sich helfer
lukrativer nützen wollen. Die zur
bedingt nötigen Mittel heiligen der
Literarisch hat die wiener Schaubül
bedeutet jetzt weniger als gar nichts
hier zum ersten Wort, auch kein neu
der wiener Kultur springt der Theat
ab. Und nicht einmal das Theat
mehr Freude. Die Schauspieler si
linge“ aber das liebende Publikum
seine Gönnerschaft hat keinen Nähl
Zeit. Ein Glück noch, daß es auch
Heulen komisch in ihrer Gehetzth
pathetischen Asthma.
Also finden die Klagen des Ka
und schnöde Ordnung der Welt heu
wenn ein so starker Komödiant wie
trägt, in klassischer Heldenattitude,
Mienen, die Unterlippe voll Bitterkei
haupt aufwärts, gewissermaßen: mit
polemisierend. „Augenrollen und I
Chronist von der ersten mannheimer
sich bei der Neu-Inszenierung der „F
nau im Deutschen Volkstheater) all
szenierung, die viel mit Vorhängen
und den Szenenwechsel bei hochg
holt keinen neuen Ton und keine n
Wo sie's versucht, wirkt es als Pos
jede innere Beziehung mangelt.
Franz Moor vom Scheinwerfer mit
optischer Vorschmack des Höllenfeuen
das fast wie Parodie auf das Stil-Be
Eine Konvention, die erschrecklich da
erkannt zu werden. Herr Onno fü
Schlangenhaut des Franz. Seine Bes