1
24. basLand
Dr. Max Goldschmiet
Büre für Zeitungsausschnitte
Teleion: Norden 3051
BERLIN N 4
Ausschnitt aus:
Börsen-Courier
Berliner
30 Nov. 1924
Das weite Land.
Lessingtheäter.
Die Direktion Rotter hat gestern vom
Lessingtheater Besitz
ergriffen. Zwischen den
fruheren Leitern dieser Bühne hat die Revue
„Wien gib Acht“ eine derartige Distanz ge¬
schaffen, daß dem Einzug im Zeichen Schnitzlers
fast ermunternde Vorbedingungen geschaffen
waren. Jedenfalls sieht man sich vor gegebene
Tatsachen gestellt und kann nur darauf hinweisen,
daß die Wirkung eines scharfen Kontrastes nicht
lange vorhalten wird. Die Lessingtheaterbühne
ist ein Haus, das schon ganz von selber, nicht floß
wegen der Erinnerungsathmosphäre, seine An¬
spruche stellt. Es bereitet der Verwaschenheit,
dem beiläufigen Gespiele, dem unentschiede¬
nen Gemöchte, der zerfahrenen Linie natürliche
Hindernisse, da in diesem Raum nur feste Kon¬
turen gedeihen und bloß die geschlossene, energisch
ausholende Kraft die Aufmerksamkeit des
Publikums konzentriert und Tücken der Akusti¬
überwindet. Außerdem hat dieses Theater sein,
Publikum, das sich gestern, im Bilde von ans
deren Premieren des Friedrich=Karl=Ufer nicht
sonderlich unterscheiden, eifrig zusammenfand
nebst dem Zuwachs, den die Direktion Rotter
einbrachte.
Diese Zuhörerschaft wird nur wiederkommen,
wenn man ihr die Voraussetzungen durch Regie¬
arbeit tüchtiger Kräfte durch einen erträglichen
Spielplan, durch den Willen zu einer ernsthaften
Ensemblebildung schafft
Sollte man sich
auf die nächstjährige Ankunft des Direktor Hell¬
mers verlassen, wurde es für die jetzige Spielzeit
nur das Fortwursteln mit hin= und her beor¬
derten, für Premierenzwecke dekorativ heraus¬
gestellten Besetzungsmanövern sein.
All das
will, ohne daß man der Wirkung traut, bei sol¬
cher Gelegenheit ausgesprochen sein.
Die Inszenierung des Schnitzlerwerkes ist
schon von früheren Aufführungen im Residenz¬
theater bekannt und wurde bereits bis auf einzelne
Neubesetzungen wiederholt gewürdigt. Sie machte
gestern keinen sonderlich frischen Eindruck, sie
stellte auch keinen intensiven Kontakt mit dem
Publikum her. Am qualendsten war der starke
Mangel an einer Wienerischen Note, gegen die
einige urberlinische Töne Einzelner (Olga Lim¬
burg, Georg Alexander) besonders hart anstießen.
Irene Triesch, vor ein paar Jahren noch halb¬
wegs mit Frau Hofrichter identisch, ist dem
Rollenkreis erotischer Heimlichkeit entwachsen.
Max Korff war da, der den umkippenden Er¬
lebenskünstler in Ton und Haltung aus dem
Wiener Milieu heraus spielt, und den Dialog
durch nonchalante Leichtigkeit von zu gewichtigen
Akzenten und Sentimentalitäten entlastet. Adele
Sandrock gibt die Melancholie einer Mutter
mit so feinen zarten Strichen, daß man auch an
diesem Abend sich die Zeuen und Möglich¬
keiten zurückdenken kann. Trotzdem Ellen Tietz
von Wien recht entfernt war, weht durch ihre
Darstellung ein Halch von Begabung.
Es traten noch Ferdinand Bonn, Heinrich
Schroth und Josef Klein auf. Aber auch Julius
[Falkenstein, der in winziger Rolle tröstlich¬
Minuten spendete.
Emil Faktor. —
box 29/5
Dr. Max Goleschmiet
Büro für Zeitung=ausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Ausschnitt sus:
Der Tag, Berlin
30 Nov. 1929
Das weite Land.
Lessing=Theater.
Die Brüder Rotter haben dem Umstand, daß sie
nunmehr auch die Leitung des Lessing=Theaters
übernommen haben, weiter kein Gewicht bei¬
gelegt. So anspruchsios, wie eben möglich, haben
sie ihr neues Regiment angetreten. Nur die
Angriffe der Feinde wollten sie nicht entkräften,
und nur nichts N#es, Eigenes geben und sagen.
Sie brachten wieder Arthur Schnitzlers¬
Tragikomödie oder komische Tragödie „Das
weite Land“, die sie schon im Residenz=Theater
weidlich ausgekostet haben. Auf dem Theater¬
zettel standen viele große und bekannte Namen,
die aber zumeist nur etwas leere Rollen deckin
mußten. Es gab freundlichen, aber doch nur ge¬
J., Ht.
mäßigten Beifall.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N 4
Russchnitt aus:
Berliner Lokal-Anzeiger
0 Nov. 192
Lederöffnung des Lefsingtheakers.
Arthur Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land“.
Die Operette ist beendet, die Tragikomödie be¬
ginnt. Aber sie beginnt mit Klugheit. Mit einem
Stück, das z. T. in gleicher Besetzung, schon oft am
Residenzthater gespielt worden ist und das den¬##
noch sowohl literarischen Rang wie eine eigen¬
tümlich mondäne flimmernde Armosphäre hat.
Schnitzlers „Weites Land“, wohl an die zwei
Jahrzehnte bereits alt, sagt heutigen Menschen
immer noch mancherlei — wenn auch die lässige
breit auseinandergezogene Art der szenischen Füh¬
rung unserem gesteigerten Tempo nicht mehr ent¬
spricht.
Aber das ist ein artistischer Mangel, den nicht
jeder spürt. Die Menschen und die menschlichen
Verhältnisse haben sich nur wenig verändert —
trotz des dazwischen liegenden Weltkrieges. Alle
sind sie nicht besser und im Grunde vielleicht
auch nicht einmal schlechter geworden. Einer
verführt des anderen Weib und wenn dann der P
Beleidigte den „Schuldigen“ totknallt, so ges
schieht es weniger um der verletzten Ehre als ums
der verletzten Eitelkeit willen. Denn im Grunde
kennen diese Menschen keine Leidenschaft, #
lieben und hassen einander bloß zu ihrer Unter¬
haltung, sie spielen voreinander Schau, und wer
aus Zufall dabei einmal strauchelt, der ist dann
ein verlorener Mann.
Der Theaterzettel zeigt eine Fülle mehr oder
weniger berühmter Namen. Doch stand Arnold
Korff am meisten im Mittelpunkt, schon deshalb,
weil er die Wiener Atmosphäre am sichersten auf
die Bühne trug: diese Art, konversationsmäßig zu
tändeln und dann ganz nebenbei die tödlichsten
Dinge zu sagen; das Schlimmste stets mit lachen¬
dem Munde. Die Szene, als er dem jungen Ma¬
rinefähnrich (Georg Alexander), als seinem Re¬
benbuhler, gegenübersteht und ihn aufs liebens¬
würdigste moralisch ohrseigt, um ihn desto sicherer
hinterher im Duell erschießen zu können, prägte
sich am stärksten ein.
Die weibliche Hauptrolle lag bei Irene Triesch.
Viel vornehme Diskretion, glimmende Leiden=
—
S
24. basLand
Dr. Max Goldschmiet
Büre für Zeitungsausschnitte
Teleion: Norden 3051
BERLIN N 4
Ausschnitt aus:
Börsen-Courier
Berliner
30 Nov. 1924
Das weite Land.
Lessingtheäter.
Die Direktion Rotter hat gestern vom
Lessingtheater Besitz
ergriffen. Zwischen den
fruheren Leitern dieser Bühne hat die Revue
„Wien gib Acht“ eine derartige Distanz ge¬
schaffen, daß dem Einzug im Zeichen Schnitzlers
fast ermunternde Vorbedingungen geschaffen
waren. Jedenfalls sieht man sich vor gegebene
Tatsachen gestellt und kann nur darauf hinweisen,
daß die Wirkung eines scharfen Kontrastes nicht
lange vorhalten wird. Die Lessingtheaterbühne
ist ein Haus, das schon ganz von selber, nicht floß
wegen der Erinnerungsathmosphäre, seine An¬
spruche stellt. Es bereitet der Verwaschenheit,
dem beiläufigen Gespiele, dem unentschiede¬
nen Gemöchte, der zerfahrenen Linie natürliche
Hindernisse, da in diesem Raum nur feste Kon¬
turen gedeihen und bloß die geschlossene, energisch
ausholende Kraft die Aufmerksamkeit des
Publikums konzentriert und Tücken der Akusti¬
überwindet. Außerdem hat dieses Theater sein,
Publikum, das sich gestern, im Bilde von ans
deren Premieren des Friedrich=Karl=Ufer nicht
sonderlich unterscheiden, eifrig zusammenfand
nebst dem Zuwachs, den die Direktion Rotter
einbrachte.
Diese Zuhörerschaft wird nur wiederkommen,
wenn man ihr die Voraussetzungen durch Regie¬
arbeit tüchtiger Kräfte durch einen erträglichen
Spielplan, durch den Willen zu einer ernsthaften
Ensemblebildung schafft
Sollte man sich
auf die nächstjährige Ankunft des Direktor Hell¬
mers verlassen, wurde es für die jetzige Spielzeit
nur das Fortwursteln mit hin= und her beor¬
derten, für Premierenzwecke dekorativ heraus¬
gestellten Besetzungsmanövern sein.
All das
will, ohne daß man der Wirkung traut, bei sol¬
cher Gelegenheit ausgesprochen sein.
Die Inszenierung des Schnitzlerwerkes ist
schon von früheren Aufführungen im Residenz¬
theater bekannt und wurde bereits bis auf einzelne
Neubesetzungen wiederholt gewürdigt. Sie machte
gestern keinen sonderlich frischen Eindruck, sie
stellte auch keinen intensiven Kontakt mit dem
Publikum her. Am qualendsten war der starke
Mangel an einer Wienerischen Note, gegen die
einige urberlinische Töne Einzelner (Olga Lim¬
burg, Georg Alexander) besonders hart anstießen.
Irene Triesch, vor ein paar Jahren noch halb¬
wegs mit Frau Hofrichter identisch, ist dem
Rollenkreis erotischer Heimlichkeit entwachsen.
Max Korff war da, der den umkippenden Er¬
lebenskünstler in Ton und Haltung aus dem
Wiener Milieu heraus spielt, und den Dialog
durch nonchalante Leichtigkeit von zu gewichtigen
Akzenten und Sentimentalitäten entlastet. Adele
Sandrock gibt die Melancholie einer Mutter
mit so feinen zarten Strichen, daß man auch an
diesem Abend sich die Zeuen und Möglich¬
keiten zurückdenken kann. Trotzdem Ellen Tietz
von Wien recht entfernt war, weht durch ihre
Darstellung ein Halch von Begabung.
Es traten noch Ferdinand Bonn, Heinrich
Schroth und Josef Klein auf. Aber auch Julius
[Falkenstein, der in winziger Rolle tröstlich¬
Minuten spendete.
Emil Faktor. —
box 29/5
Dr. Max Goleschmiet
Büro für Zeitung=ausschnitte
BERLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Ausschnitt sus:
Der Tag, Berlin
30 Nov. 1929
Das weite Land.
Lessing=Theater.
Die Brüder Rotter haben dem Umstand, daß sie
nunmehr auch die Leitung des Lessing=Theaters
übernommen haben, weiter kein Gewicht bei¬
gelegt. So anspruchsios, wie eben möglich, haben
sie ihr neues Regiment angetreten. Nur die
Angriffe der Feinde wollten sie nicht entkräften,
und nur nichts N#es, Eigenes geben und sagen.
Sie brachten wieder Arthur Schnitzlers¬
Tragikomödie oder komische Tragödie „Das
weite Land“, die sie schon im Residenz=Theater
weidlich ausgekostet haben. Auf dem Theater¬
zettel standen viele große und bekannte Namen,
die aber zumeist nur etwas leere Rollen deckin
mußten. Es gab freundlichen, aber doch nur ge¬
J., Ht.
mäßigten Beifall.
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051
BERLIN N 4
Russchnitt aus:
Berliner Lokal-Anzeiger
0 Nov. 192
Lederöffnung des Lefsingtheakers.
Arthur Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land“.
Die Operette ist beendet, die Tragikomödie be¬
ginnt. Aber sie beginnt mit Klugheit. Mit einem
Stück, das z. T. in gleicher Besetzung, schon oft am
Residenzthater gespielt worden ist und das den¬##
noch sowohl literarischen Rang wie eine eigen¬
tümlich mondäne flimmernde Armosphäre hat.
Schnitzlers „Weites Land“, wohl an die zwei
Jahrzehnte bereits alt, sagt heutigen Menschen
immer noch mancherlei — wenn auch die lässige
breit auseinandergezogene Art der szenischen Füh¬
rung unserem gesteigerten Tempo nicht mehr ent¬
spricht.
Aber das ist ein artistischer Mangel, den nicht
jeder spürt. Die Menschen und die menschlichen
Verhältnisse haben sich nur wenig verändert —
trotz des dazwischen liegenden Weltkrieges. Alle
sind sie nicht besser und im Grunde vielleicht
auch nicht einmal schlechter geworden. Einer
verführt des anderen Weib und wenn dann der P
Beleidigte den „Schuldigen“ totknallt, so ges
schieht es weniger um der verletzten Ehre als ums
der verletzten Eitelkeit willen. Denn im Grunde
kennen diese Menschen keine Leidenschaft, #
lieben und hassen einander bloß zu ihrer Unter¬
haltung, sie spielen voreinander Schau, und wer
aus Zufall dabei einmal strauchelt, der ist dann
ein verlorener Mann.
Der Theaterzettel zeigt eine Fülle mehr oder
weniger berühmter Namen. Doch stand Arnold
Korff am meisten im Mittelpunkt, schon deshalb,
weil er die Wiener Atmosphäre am sichersten auf
die Bühne trug: diese Art, konversationsmäßig zu
tändeln und dann ganz nebenbei die tödlichsten
Dinge zu sagen; das Schlimmste stets mit lachen¬
dem Munde. Die Szene, als er dem jungen Ma¬
rinefähnrich (Georg Alexander), als seinem Re¬
benbuhler, gegenübersteht und ihn aufs liebens¬
würdigste moralisch ohrseigt, um ihn desto sicherer
hinterher im Duell erschießen zu können, prägte
sich am stärksten ein.
Die weibliche Hauptrolle lag bei Irene Triesch.
Viel vornehme Diskretion, glimmende Leiden=
—
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