II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 716

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24. DasteLand
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Br. Mas Goldschn
Bureau für Zeitungsaussch.
BERLIN N. 4
Telefon: Nor.
Ausschnitt aus:
Volltsge
Berlin.
B
Rotter=Premiere im Lessing=Theater
Arkur Schnitzler: „Das weite Land“
Rotters sind fein geworden. Das Lessing=Theater ist ihnen
nun auch in die Hände gefallen. Jenes Haus, das sogar die
Leiter dieser Schaubudenvereinigung zu einem gewissen Sichmühe¬
geben zwingt. Denn erstens ist da ein Publikum, das sicher ver¬
zichtet, wenn nicht Niveau gehalten wird. Zweitens ist die Tradi¬
tion des Hauses stärker und wird stärker sein als jede parvenühafte
Geste. Freilich, wer das geistige Publikum des Lessing=Theaters
früher gekannt hat und sich jetzt im Parkett diese ausgebrochene
Elephantiasis ansah, die zwar Smokings über den Fettbrüsten
trug, aber ihr Gesicht zu Hause gelassen hatte, dem wurde klar,
daß die Berliner Gesellschaft bei dieser Premiere zu Hause
geblieben und nur die Gesellschaft des Trianontheaters an der
Friedrichstraße mit hinüber gewandert war.
Es wären nicht Rotters gewesen, wenn sie sich nicht von
Schnitzler das abgeklapperteste, unmodernste und uninteressanteste
Stück für diese Eröffnungsvorstellung ausgesucht hätten. Im
letzten Akt sagt der Doktor Mauer zu der ach so komplizierten
Genia: „Dies Ineinander von Zurückhaltung und Frechheit, von
feiger Eifersucht und erlogenem Gleichmut — von rasender Leiden¬
schaft und leerer Lust, wie ich es hier sehe — das finde ich trübselig
und grauenhaft. Ja, trübselig und grauenhaft ist es, sehen zu
müssen, wie rasch dies pathetische, hohle Stück vom Gefühl der Zeit
ad absurdum geführt worden ist. Trübselig und grauenhaft war
es wie in einem Panoptikum. Keiner dieser Menschen, die da
durcheinander reden, lieben, schießen, ist irgendwie lebendig. Wachs¬
figuren, Wachsfiguren! Der Dichter drückt auf den Knopf, sie tut
den Mund auf und quarrt: „Die Seele ist ein weites Land“ oder
ähnliches. Wer verträgt das heute noch? Halten wir uns doch an
den Dichter des „Paracelsus“ oder des „Sterben“. Dieser Schnitzler
wird nicht vergehen.
Und die Darstellung! Die Darstellung klappte. Eine fabel¬
hafte Präzisionstechnik, bei der Rede und Gegenrede wie auf Oel
glitt und im richtigen Moment mit den richtigen Glucksern ein¬
schnappte. Arnold Korff, ein Mensch, der doch starke Charaktere
formen kann, blieb eintönig. Irene Triesch sollte bei der Aus¬
wahl ihrer Rollen heute weiser sein. Was nutzt es, wenn unter
vielen anderen Adele Sandrock bisweilen auftritt und ein paar
stille, starke Augenblicke hat. „Die Rotters setzen ungenügend,
fünf!“ würde mein verstorbener Oberlehrer sagen. Dabei haben
sie neulich sogar, wie hier auch anerkannt wurde, Unter den Linden
ganz nett mit „Papa“ Theater gespielt. Heute tun einem die
freundlichen Worte schon wieder leid.
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