II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 750

24. Das veite Land
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cs.
Auch „Gemütlichkeit“ muß ihre Grenzen
haben
Im Lustspiel Schäffers steht ebenfalls ein nicht
ganz sauberer Kavalier als Mittelpunkt, der
Der Tag, Berlin
manches Skrupellose leicht begeht, — indes: der
Puder des Louis Seize hüllt den Gefälligen ge¬
fällig ein und schafft eine Distanz, die ihn uns
näher bringt als jenen Zylindergigerl. Sein
„weites (Gewissens=) Land“ hält eben Grenzen,
Wegweiser, Moral
: Wenngleich ein wenig
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jesuitische. Ihm kommt es darauf an, charmant
zu sein, nicht nur Charmeur. Und: manches
Gute zu tun, wenngleich mit laxen Mitteln. So
Weite Länder
gewinnt er uns immer, wo er eigentlich verlieren
müßte, und verliert uns niemals, weil er stets
Münchener Premieren.
gewinnend bleibt. Die Grazie Molières paart
„Das Weite Land.“ Tragikomödie von Arthur
sich der Problematik des Enzyklopädisten und
Schnitzler, im Schauspielhaus.—Der Ge¬
hinterläßt nichts Zwiegespaltenes. Man fühlt und
fällige —Lustspiel nach Diderot, von Albrecht
sicht Komödie. Die amüsant wirkt, weil sie nicht
Schäffer, im Residenztheater.
mehr sein will. Und, was sie sein will. — ist!
Sagen wir: weit zurückliegende. Denn Schnitz¬
In Schäffer fand Diderot seinen besten Er¬
lers Stück aus der Vorkriegszeit steht uns bei¬
neuerer, im Residenztheater den schönsten Rahmen
nahe ferner als Diderots. Dieses „weite Land“
(Pasetti schuf die Füllung), in Graumann einen
der Seele — oder eigentlich des Gewissens —, mit
guten (vor allem: gut sprechenden) Titelhelden
seinen alten Ehre= und Ehebrüchlein, seinem alten
und im Ensemble ein behaglich eingespieltes,
Duelleffekt, ... wie unendlich fremd, vergangen,
Mitte, und Mittelmaß nicht überschreitendes
verstaubt mutet es an! Wie geringfügig erschei¬
Personal. Viel Beifall rief die Darsteller und
den Dichter.
nen Konfliktchen, die schlechtestenfalls nur mit
4. De Nora.
dem Säbel und der Scheide ausgefochten zu wer¬
S
den brauchen, um glatt gelöst zu sein! Wie
windig wirkt das im Brennpunkt stehende
„Wiener Früchtl“ (gespielt von Forster=Larinaga),
— gemessen an den Rastaquaren, Schiebern,
Liebern unserer Zeitl
Nicht als ob unsere Zeit besser wäre! Aber
etwas hat sie vielleicht vor jener voraus: das
Rücksichtslose! Die Lumpen und Instinkte von
heute übertünchen sich kaum mehr. Am Ende ist
diese Offenheit Zynismus. Allein möchte man
nicht der rohen Frechheit doch den Vorzug geben
vor jener ekelhaft bemäntelten, mit der ein Mör¬
der der Mutter des Ermordeten die Hand schüt¬
Augoburger Postzeitung
telt und sie einlädt, in seinem Hause Gast zu sein?
Soviel vom Inhalt. Von der Form nur dies:
Zu wenig Tempo! Zu schleppend, zu gedehnt war
Spiel und Rede. Man darf nicht mit dem
Bummelzug durch weites Land, sonst langweilt
Mal 1926
—.— Tibtbuniversttar Manster.
Musik und Cheater
Münchener Schnuspielhaus.
Das weite Land, Trugikomödie in 5 Akten
Ivon Arthur Schnitzler.
Ein weites Land ist
die Seele des Menschen, sagt Arthur Schnitzler und
führt uns das zum Zeichen die dekadente Wiener Gesell¬
schaft Hofreiter und Konsorten vor, die in Baden, dem
„Dorado der österreichischen Tagediebe, mit Flirt. Ehebruch,
Klutsch, Selbstmord und Tennisspiel ihre Daseinsbe¬
rechtigung beweist, die jedoch eigentlich darin besteht, daß
sie des Dichters tiefgründige Sentenzen etwas fesch, etwas
resch, etwas g'müatvoll und etwas sentimental der auf¬
horchenden Mitwelt vermitteln muß. Daß solches vor
Jahren — besonders vor dem welterschütternden Erlehnis
des Krieges — für manche Leute ganz nett und amüssant
zu hören und anzuschauen gewesen war, mag unbe¬
stritten bleiben. Welcher Anlaß aber heute noch besteht,
uns dieses Ragout aus Binsenweisheit, pappendeckelner
Tragik und Tränen=Drüsenspekulation aufzuwärmen und
zum verneintlichen — Genusse vorzusetzen, bleibt schlecht¬
hin unerfindlich und läßt sich nur durch die
schon
oft erwähnt —. Plan= und Ziellosigkeit in der Spielplan¬
politik der „Interessengemeinschaft“ erklären. Die Auf¬
führung, unter Forster und Larrinages Spiel¬
leitung, war — wie alles in letzter Zeit — ungleichmäßig.
Neben interessanten Leistungen der Damen Anton,
Ferron, de Lalsky und Hambach (Aktschluß III!)
und der Herren Framer, Katsch und Forster,
dem allerdings der richtige österreichische oder vielmehr
Schnitzlerische Ton zumeist mißlang, blieb alles andere
recht dürftig. Herr Heß war zu harmoyant, Herr
Baum war nie und nimmer ein Fähnrich zur See,
höchstens ein Kommis auf Ausgang. Herr Gerhard
spielte in der Maske von Hermann Bahr. Dialekt und
Art beherrschten außer Framer nur Frau Ferron
und der sonst leider zu aufdringliche Herr Bach. Güte
Changen
boten
Masserrek, Steger, und
Schroeder.
R. M