II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 769

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nicht darauf an, in wie tiese Menschen, sondern mit wie scharfen Blicken
ein Dichter in Menschen hineinsieht. An Hofreiter ist vielleicht nur ein
Zug — wie er lügt, mit wie seinem Bewußtsein er lügt, und daß er
sich dabei selbst nicht belügt — nur dieser eine Zug ist vollkommen ge¬
glückt. Aber um ihn lebt es. Das Theater hat Arbeit.
Brahm hat der Dichtung das Herz herausgebrochen und sie zur
Entschädigung in ein „prächtiges Gewand gesteckt. Indessen will ich
den richtigen Schnitzler lieber zwischen Fetzen als den verbrahmten
zwischen echten Hölzern und den bunten Zaubern eines wienerischen
Gartens hören. Für die Halle eines Dolomitenhotels herrschte auf der
Bühne ein angemessen reges, für Schnitzlers Gesprächskomödie ein viel
zu reges Leben, da es von ihr ablenkte. Gerade im Lessingtheater
müßte man wissen, daß der Schein niemals die Wirklichkeit erreichen
soll. Von den Schauspielern wurde die Wirklichkeit insofern erreicht, als
Reichers Hoteldirektor Aigner dem Autor Schnitzler aufs Haar und auf den
Bart, Forests Schriftsteller Albertus Rhon (aus dem „Zwischenspiel))
unserm Peter Altenberg auf Kneiser, Sprechmanier und jede Geste
glich. Ohne solche Hilfsmittel war die Grüning eine amüsante wiener
Schwatzschwester im ungesährlichen Alter, Herr Ziener ein genügend
blonder Tennisblödian, Herr Froböse ein bemerkenswert scharf um¬
rissener Bankier Notter. In eine einsame Zukunft blickte Herr Marr
als Doktor Mauer mit der Klarheit eines anständigen Herzens, auf
eine einsame Vergangenheit als Schauspielerin Anna Aigner Fräu¬
lein Sussin, die die feinsten Töne einer guten Künstlerin und guten
Mutter hatte. Wichtiger als alle diese ist die Dreiheit: Erna, Friedrich,
Genia. Fräulein Herterich und Herr Monnard blieben ganz unzu¬
länglich. Sie gab diesem klugen und tapfern Geschöpf zuerst ein
Dauerlächeln, zuletzt eine Schmerzgrimasse, die keine Empfindung
verriet und keine erweckte. Er hat weder Geist genug, uns Herrn
Hofreiter zu erklären, noch Persönlichkeit genug, sich selbst als ein
deutlicher Mensch an die Stelle einer verschwimmenden Figur zu setzen.
Ihr Ton war leer, sein Ton war subaltern, und wenn sie von ihrer
Liebe sprachen, so hatte man das unbehagliche Gefühl einer Unappetit¬
lichkeit. Dagegen die Triesch! Welche Freude, sie nach so langer
Zeit wiederzusehen! Sie füllt die Bühne. Ihr Schicksal beklemmt uns,
auch wenn sie nicht redet. Sie ist, als diese gequälte Frau, wahrhaft
von Schmerz umflossen. In ihren Augen, in ihrer Haltung, in den
müden Abwehrbewegungen und im Ringen der Hände — darin liegt
alles, was Schnitzler mit seiner Dichtung hat sagen wollen: daß wir
immer allein sind, daß es keine Verschmelzung von Seele und Seele gibt.

s weite Land
as weite Land ist die Seele des Menschen. Es gibt kostbarere
Gleichnisse, auch in den Titeln Schnitzlerscher Dramen. Aber
nehmen wirs hin und fragen wir lieber, was Schnitzler in
ähr einem Dutzend weiter Länder gesehen hat. Dann fällt zunächst
weg, das ein einziger Tennisplatz ist, und ein paar andre, die
ie seriösen Länder angrenzen, wie Operettenstaaten an Gro߬
n, und die nur dazu da sind, um die Karte möglichst bunt zu
m. Schnitzler hat hier ab und zu nachdrücklich ans Theater ge¬
Er verschmäht nicht Schwankscherze, nicht Schwankfiguren, nicht
anksituationen. Aber es ist wirklich nicht zu bezweifeln, daß er
nd übrigens mit Maß, in seine Tragikomödie hineingesetzt hat,
er auch gröbere Elemente als uns, die wir ihm sicher sind, für
ragik seiner Komödie gewinnen wollte. Verwunderlicher ist,
anfängerhafte Not auf einmal wieder der Verfasser von bühnen¬
n und schlagkräftigen Werken hat, um die Karre in Gang zu
in und in Gang zu erhalten. In den ersten drei Akten ist, ab¬
n von jenen listig eingestreuten Lustigkeiten, je ein Viertel Füllsel
merkwürdig unbeholfenen Technikers. Erst die beiden Schlu߬
aben die Prägnanz, die das Drama braucht. Es sind durchaus
illein die handgreiflichen Effekte, die diese Akte eindrucksstärker
i. Schnitzler hat sich einfach heiß geschrieben. Die Sätze werden
c, schneller, kürzer und sagen, trotzdem oder deshalb, mehr. Der
bekommt hier manchmal den Klang von Stichomythien. Der
Akt hat dreizehn, der erste fünfunddreißig Seiten. Das ist be¬
nd. Als Schnitzler fertig war, hätte er im Fieber der Arbeit
euem an die erste Hälfte gehen sollen. Aber das, nicht wahr,
c für die Wirkung aufs Publikum wichtig, keineswegs für die
ng auf mich, für den sich ein kultivierter Kenner wie Schnitzler
cht genug Zeit nehmen kann. Auch aus dem gestrecktesten Ge¬
r eines Dichters will ich heraushören, worum es ihm ernst ist,
es nur ein Dichter, und wenn es ihm nur ernst ist.
chnitzlern ist es gerade diesmal verteufelt ernst. Leider ist er
elin an eine ausdrucks= und gefühlsnüchterne Bühne geraten,
i Ernst wohl zu pathetisch war, und die ihn darum gestrichen hat.
f den Dichter also nicht erstaunen, daß selbst ein kluger Kritiker
rfrivol gehalten hat. Der Doktor Mauer, der als der an¬
ste Mensch durch die Gesellschaft des Stückes spaziert, fällt über sie
teil. Er hätte nichts einzuwenden gegen eine Welt, in der die Liebe
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