II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 805

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24. Das nd
rtmüller,
Standpunkt ist der, dass der Psycho¬
n den Gestalten der Dich¬
s er ihre vom Dichter uns einzeln
Gedanken auf Grund seiner psycho¬
leitlichen Gesamtbilde zu vereinen
urückzuführen sucht. Als Methode
hren freilich von sehr beschränktem
n der Dichtung Phantasiegestalten,
yse gezogen, die diese Phantasie¬
ein noch luftigeres Gebäude er¬
könnte, wäre nur, für auf anderem
gemein zugängliches Anschauungs¬
Ihre volle Bedeutung aber kann
kommen, wo man nicht die Dichtung
en will, sondern wo umgekehrt die
er Dichtung stellt. Mit ihrer Hilfe
ügen, die der Dichter intuitiv als
lingt gefühlt hat und die ihm in
estalt zu erschöpfen schienen, aus¬
hre psychologische Tragweite prüfen
keit, die der Dichter intuitiv vor
ichnen können. So kann psycho¬
ein vertieften ästhetischen Verständ¬
wei Einwände bin ich hier gefasst.
ständnis des Kunstwerkes gewisser¬
ufgabe aufgefasst werde, statt als
und Nacherlebens. Nichts liegt mir
das Kunst-Verstehen ersetzen
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ben an intellektuelle Voraus¬
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habe, soll natürlich nicht sagen,
öllig getrennt werden können oder
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ird sich der andern als Hilfe be¬
box 29/6
Schnitzler’s Tragikomödie „Das weite Land“.
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Für heute aber möchte ich mich trotzdem bei meiner Untersuchung
von Schnitzler’s Tragikomödie „Das weite Land“ auf die zweite Methode
beschränken, also vom Dichter ganz absehen und mich nur den Gestalten
der Dichtung, speziell dem Helden, zuwenden.
Es handelt sich mir dabei zunächst darum, den Versuch zu wagen,
ob die psychoanalytische Literaturbetrachtung wirklich imstande sei, das
Verstehen eines Kunstwerkes zu fördern. Schnitzler’s Drama scheint mir
zu einem solchen Versuch geradezu herauszufordern, weil die literarische
Kritik, wenigstens soweit ich sie verfolgen konnte, diesem Werke gegen¬
über eine merkwürdige Unentschiedenheit, ja Hilflosigkeit bekundet hat.
Ich rede da nicht von der Wertung des Dramas, sondern von seiner
Auffassung. Man fand, dass der Dichter uns vor Rätsei stelle und
uns auch mit Rätseln entlasse, man wollte bald in der, bald in jener
Ausserung des Helden den Schlüssel zu seinem Charakter finden, um als¬
bald durch einen gegensätzlichen Zug wieder desorientiert zu werden.
Meist tröstete man sich dann damit, dass der Dichter eben bewusst auf
blendende und verblüffende Paradoxie ausgegangen sei und enthob sich
so der Mühe, hinter dem Paradoxen Verständliches zu suchen.
Daneben aber scheint mir die psychoanalytische Betrachtung dieses
Dramas doch auch eines gewissen theoretischen Interesses nicht zu ent¬
behren. Einer der Angelpunkte unserer wissenschaftlichen Diskussionen
ist ja gegenwärtig das Problem, ob die Sexualität, die Libido es ist, die
das psychische Geschehen in seiner ganzen Tiefe und seinem ganzen
Wesen beherrscht und bestimmt, oder ob nicht die Ausserungen der
Sexualität selbst dahinterliegenden Kräften gehorchen. Schnitzler scheint
eigentlich auf seine Weise, als Dichter, zu diesem Problem längst Stellung
genommen zu haben. Wenn man sein bisheriges Schaffen überblickt,
könnte man es wagen, ihn den Dichter der Libido zu nennen. Um so merk¬
würdiger würde es sein, wenn wir bei einer seiner Gestalten, und zwar
bei einer von besonders betonter Sexualität, finden sollten, dass nicht
die Libido sie treibt, sondern dass etwas anderes in ihr ist, was sie zun
Libido treibt. Wir würden dadurch natürlich zur Lösung der wissenschaft¬
lichen Streitfrage nichts beitragen, aber wir hätten doch ein Streif¬
licht auf sie geworfen. Für den oberflächlichen Beobachter kann ein
Zweifel freilich nicht bestehen. Für ihn kann im „Weiten Land“ in allen
seinen Teilen, in den episodischen Vorgängen so gut wie in der Haupt¬
handlung nur eine treibende Kraft offenbar werden, die Libido, die mit
ihrer geheimnisvollen, verstandesmässig nicht begreifbaren Macht die
Mensehen zueinander treibt, und indem sie so nach ihren dunklen
Gesetzen Bande schafft, alle durch Vernunft, Gesellschaft und persön¬
liche Achtung geschaffenen Verbindungen erbarmungslos auseinanderreisst.
Die Liebe ist ja ausser dem Tennisspiel die einzige menschliche Aktivität,
die auf der Bühne erscheint, und der Held des Stückes spricht die Lehre
vom Primat der Sexualität gewissermassen programmatisch aus, wenn
er sagt: Wenn man Zeit hat und in der Laune ist, baut man Fabriken,
erobert Länder, schreibt Symphonien, wird Millionär. Aber glaub mir,
das ist doch alles nur Nebensache. Die Hauptsache seid ihr! — ihr —
ihr!
Alles Leben, das nicht die Frauen erfüllen, ist ihm nur die
Pause zwischen der einen und der anderen.