24. D
Land
Las veite
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Dr. Carl Furtmüller,
Jetzt wissen wir zumindest, wie der Held sich verstanden wissen
will. Aber wir werden uns hüten, uns mit seinem Selbstzeugnis zu be¬
gnügen; nicht umsonst hat der Dichter an diese Gestalt eine fast unüber¬
sehbare Menge charakterisierender Züge verschwendet. Wir wollen ver¬
suchen, uns von dieser Fülle nicht verwirren und von den Widersprüchen
nicht aus der Fassung bringen zu lassen, und wollen sehen, ob es uns So
gelingt, aus der bunten Mannigfaltigkeit der Details ein einheitliches
Charakterbild des Helden zu gewinnen.
Betrachten wir zunächst Hofreiter, wie er in jenen „Pausen“ seines
Lebens ist; sehen wir zu, wie er sich dort verhält, wo es sich nicht um
Erringen oder Besitzen einer Frau handelt, um so den allgemeinen Hinter¬
grund zu gewinnen, von dem das Kräftespiel der Libido sich abhebt. Der
ganzen Anlage des Stückes nach ist, was wir über diese „Pausen“ erfahren,
spärlich genug. Um so sorglicher müssen wir das Wenige zurate ziehen.
In seinen früher zitierten Worten — „Wenn man Zeit hat ... baut man
Fabriken, erobert Länder, schreibt Symphonien, wird Millionär“ — geht
er von seiner eigenen Person aus, um das Beispiel dann immer mehr ins
Ideale zu erhöhen, bis er im vierten Glied wieder plump ins Materielle
zurückfällt und damit wohl auch zu seiner eigenen Person zurückkehrt.
Hier also haben wir die Zielvorstellung, die ihn in den Pausen, also in
seinem Leben, soweit nicht die Frauen es ausfüllen, leitet. Und wir
hören, dass er diesem Ziel eine zähe Ausdauer, eine ungewöhnlich grosse
und bis aufs Ausserste angespannte Arbeitskraft widmet. Wo des Ge¬
schäftsmanns Hofreiter Erwähnung getan wird, geschicht es mit einem
Unterton von Achtung, die an Bewunderung grenzt, Wir können also
wenigstens darüber beruhigt sein, dass er die Pausen so grosszügig und
zeitgerecht bemisst, dass die geschäftlichen Unternehmungen nicht zu leiden
haben. Dieses allgemeine Bild wird durch einen einzelnen Zug belebt:
er kündigt an, dass er geschäftlich nach Amerika müsse, und auf den er¬
staunten Einwand seiner Frau: „Du wolltest ja einen Herrn aus dem
Bureau hinüberschicken!“ antwortet er: „Ach, ich muss ja doch alles
selber machen.“ Diese Antwort scheint charakteristisch für ihn zu sein,
denn sein Freund Mauer nimmt sie später wieder auf.
Haben wir so einen Mann vor uns, der seine Aktivität aufs Ausserste
anspornt und sich in seinem Kreise die höchsten Ziele steckt („seine
neuen Glühlichter müssen die Welt erobern, sonst macht ihm die ganze
Sache keinen Spass“, Mauer, S. 22), so begegnen uns dann wieder Züge,
die mit der. Selbstsicherheit, die daraus zu sprechen scheint, schlecht
übereinstimmen. Er ist von einer Empfindlichkeit, die ihn über eine
vorlaute Bemerkung Ernas, über eine belanglose Indiskretion Mauers in
schlecht verhaltene Wut geraten lässt, aus der man die Rachsucht auf¬
flammen fühlt. Er ist ein eitler Mann, sagt uns seine Frau (S. 24). Der
Widersprüche sind noch mehr. Er zählt mit schadenfrohem Behagen die
Unfälle auf, die seine Freunde getroffen haben („Aber es ist schon wahr,
die Versicherungsgesellschaften werden bald keine Bekannten von mir
annehmen wollen*), aber seit dem Absturz seines Freundes hat er das
Bergsteigen aufgegeben. Er raucht mit Genugtuung die Zigarre des tolen
Korsakow, aber der Friedhof hat für ihn etwas Unheimliches (,Du kannst
Dir gar nicht vorstellen, wie unwesentlich und nebensächlich gewisse
Dinge für einen werden, wenn man grad’ vom Friedhof kommt“).
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Dr. Carl Furtmüller,
Jetzt wissen wir zumindest, wie der Held sich verstanden wissen
will. Aber wir werden uns hüten, uns mit seinem Selbstzeugnis zu be¬
gnügen; nicht umsonst hat der Dichter an diese Gestalt eine fast unüber¬
sehbare Menge charakterisierender Züge verschwendet. Wir wollen ver¬
suchen, uns von dieser Fülle nicht verwirren und von den Widersprüchen
nicht aus der Fassung bringen zu lassen, und wollen sehen, ob es uns So
gelingt, aus der bunten Mannigfaltigkeit der Details ein einheitliches
Charakterbild des Helden zu gewinnen.
Betrachten wir zunächst Hofreiter, wie er in jenen „Pausen“ seines
Lebens ist; sehen wir zu, wie er sich dort verhält, wo es sich nicht um
Erringen oder Besitzen einer Frau handelt, um so den allgemeinen Hinter¬
grund zu gewinnen, von dem das Kräftespiel der Libido sich abhebt. Der
ganzen Anlage des Stückes nach ist, was wir über diese „Pausen“ erfahren,
spärlich genug. Um so sorglicher müssen wir das Wenige zurate ziehen.
In seinen früher zitierten Worten — „Wenn man Zeit hat ... baut man
Fabriken, erobert Länder, schreibt Symphonien, wird Millionär“ — geht
er von seiner eigenen Person aus, um das Beispiel dann immer mehr ins
Ideale zu erhöhen, bis er im vierten Glied wieder plump ins Materielle
zurückfällt und damit wohl auch zu seiner eigenen Person zurückkehrt.
Hier also haben wir die Zielvorstellung, die ihn in den Pausen, also in
seinem Leben, soweit nicht die Frauen es ausfüllen, leitet. Und wir
hören, dass er diesem Ziel eine zähe Ausdauer, eine ungewöhnlich grosse
und bis aufs Ausserste angespannte Arbeitskraft widmet. Wo des Ge¬
schäftsmanns Hofreiter Erwähnung getan wird, geschicht es mit einem
Unterton von Achtung, die an Bewunderung grenzt, Wir können also
wenigstens darüber beruhigt sein, dass er die Pausen so grosszügig und
zeitgerecht bemisst, dass die geschäftlichen Unternehmungen nicht zu leiden
haben. Dieses allgemeine Bild wird durch einen einzelnen Zug belebt:
er kündigt an, dass er geschäftlich nach Amerika müsse, und auf den er¬
staunten Einwand seiner Frau: „Du wolltest ja einen Herrn aus dem
Bureau hinüberschicken!“ antwortet er: „Ach, ich muss ja doch alles
selber machen.“ Diese Antwort scheint charakteristisch für ihn zu sein,
denn sein Freund Mauer nimmt sie später wieder auf.
Haben wir so einen Mann vor uns, der seine Aktivität aufs Ausserste
anspornt und sich in seinem Kreise die höchsten Ziele steckt („seine
neuen Glühlichter müssen die Welt erobern, sonst macht ihm die ganze
Sache keinen Spass“, Mauer, S. 22), so begegnen uns dann wieder Züge,
die mit der. Selbstsicherheit, die daraus zu sprechen scheint, schlecht
übereinstimmen. Er ist von einer Empfindlichkeit, die ihn über eine
vorlaute Bemerkung Ernas, über eine belanglose Indiskretion Mauers in
schlecht verhaltene Wut geraten lässt, aus der man die Rachsucht auf¬
flammen fühlt. Er ist ein eitler Mann, sagt uns seine Frau (S. 24). Der
Widersprüche sind noch mehr. Er zählt mit schadenfrohem Behagen die
Unfälle auf, die seine Freunde getroffen haben („Aber es ist schon wahr,
die Versicherungsgesellschaften werden bald keine Bekannten von mir
annehmen wollen*), aber seit dem Absturz seines Freundes hat er das
Bergsteigen aufgegeben. Er raucht mit Genugtuung die Zigarre des tolen
Korsakow, aber der Friedhof hat für ihn etwas Unheimliches (,Du kannst
Dir gar nicht vorstellen, wie unwesentlich und nebensächlich gewisse
Dinge für einen werden, wenn man grad’ vom Friedhof kommt“).