II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 807

we
La
24. pas1
Held sich verstanden wissen
seinem Selbstzeugnis zu be¬
ese Gestalt eine fast unüber¬
rschwendet. Wir wollen ver¬
und von den Widersprüchen
wollen sehen, ob es uns 80
er Details ein einbeitliches
er in jenen „Pausen“ seines
Verhält, wo es sich nicht um
n so den allgemeinen Hinter¬
der Libido sich abhebt. Der
über diese „Pausen“ erfahren,
r das Wenige zurate ziehen.
man Zeit hat baut man
en, wird Millionär“ — geht
bispiel dann immer mehr ins
wieder plump ins Materielle
eigenen Person zurückkehrt.
ihn in den Pausen, also in
ausfüllen, leitet. Und wir
er, eine ungewöhnlich grosse
kraft widmet. Wo des Ge¬
rd, geschieht es mit einem
grenzt. Wir körmnen also
Pausen so grosszügig und
ernehmungen nicht zu leiden
einen einzelnen Zug belebt:
ika müsse, und auf den er¬
ja einen Herrn aus dem
1, ich muss ja doch alles
kteristisch für ihn zu sein.
ieder auf.
eine Aktivität aufs Ausserste
chsten Ziele steckt („seine
sonst macht ihm die ganze
nen uns dann wieder Züge,
sprechen scheint, schlecht
ichkeit, die ihn über eine
ose Indiskretion Mauers in
er man die Rachsucht auf¬
ns seine Frau (S. 24). Der
schadenfrohem Behagen die
(„Aber es ist schon wahr,
keine Bekannten von mir
eines Freundes hat er das
nung die Zigarre des toten
Unheimliches („Du kannst
nd nebensächlich gewisse
n Friedhof kommt“).
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Schnitzler’s Tragikomödie „Das weite Land“.
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So losgelöst betrachtet, müssen uns diese widerspruchsvollen Züge
verblüffen. Sie werden uns verständlich, wenn wir sie in den Zusammen¬
hang unserer psychologischen kenntnisse einreihen und uns an die
psychische Konstellation erinnern, die Adler als neurotische Disposition
beschrieben hat. Wir begreifen dann, dass gerade das Gefühl der Unsicher¬
heit, das sich in jenen negativen Zügen verrät, ihn dazu treibt, sein
Persönlichkeitsideal besonders hoch zu stecken und zu betonen. Wir
sehen dann auch, dass seine Frau ihn sehr gut kennt, wenn sie sagt:
„Es geht ihm wirklich nicht so gut, wie Sie glauben. Auch nicht so gut,
wie er selber manchmal glaubt. Zuweilen tut er mir geradezu leid.
Wirklich, Doktor, manchmal denk' ich, es ist ein Dämon, der ihn so
treibt.“
In dieser aufgepeitschten Seele scheint von den normalen mensch¬
lichen Beziehungen nur eine unversehrt geblieben zu sein: das Verhält¬
nis zu seinem Sohn. Immer wieder spricht er von ihm voll Liebe und
Stolz. Aber bei näherem Zusehen merken wir, dass auch hier die über¬
reizte Zielsetzung sich geltend macht, dass im Grunde genommen auch sein
Sohn ihm nur ein Mittel ist, um seine eigene Persönlichkeit, und zwar
nach aussen hin und äusserlich, durchzusetzen. Wir wollen uns merken,
dass er den Buben Percy genannt hat, im Gedanken offenbar an Shake¬
speares männlichsten Helden. Der Junge muss etwas ganz Besonderes
werden; er lässt ihn in England erzieher, so schwer die Trennung auch
seiner Frau und angeblich auch ihm wird; er registriert genau jeden
äusserea Erfolg („schreibt englisch wie deutsch“, „hat schon Freunde
in Richmond“) und wenn Perey meldet, dass er die beste griechische
Aufgabe gehabt hat, so macht der Vater dabei nicht Halt, sondern dJenkt
sofort daran, wie man das verwerten kann. („Na, auch nicht schlecht.
Vielleicht wird er Philolog oder Archäolog.“) Wir haben also zunächst
nicht den Eindruck, dass es die Mensch an Mensch bindende Libido ist,
die ihn treibt, sondern die Kraft, die in ihm wirkt, richtet, indem sie
ihn auf die andern hinweist, zugleich zwischen ihm und ihnen eine
Schranke auf. Sogar im Verhältnis zu seinem Sohn können wir fühlen,
dass Erna ihn richtig beurteilt, wenn sie sagt: Korsakow war sein
Klavierspieler so wie der Doktor Mauer sein guter Freund ist,
Herr Natter sein Bankier, ich seine Tennispartnerin, der Oberleutnant
Ranzides sein Sekundant.. Er nimmt sich von jedem, was ihm gerade
konveniert, und um das, was sonst in dem Menschen stecken mag, kümmert
er sich kaum“ (S. 14).
Dies ironische Urteil ist freilich mit gar nicht ironisch gemeinter
Bewunderung versetzt und spiegelt eigentlich nur die hohe Meinung wieder,
die Hofreiter selbst von seiner Despotennatur hat. Fast an den Hebbel¬
schen Holofernes erinnern manche seiner Wendungen: „Du denkst, man
kann bei ihn nie wissen?“ (S. 37). „Hineinschaun in mich kann keiner“
(S. 171). „So bin ich einmal.. Andere wären halt anders“ (S. 78).
„Ich weiss schon, wen ich mir aussuch’ zum Konversieren“ (S. 30).
Was treibt diesen Mann nun zu Erna? Es kann sich nicht um
einen mystischen Zug des Herzens handeln, auch nicht darum, dass Erna
in ihrem Wesen Hofreiters individuelle Liebesbedingungen in besonders
hohem Masse erfülle; denn Erna geht ja schon lange neben ihm her, hat
immer für ihn geschwärmt und ist für ihn bisher doch nur seine Tennis¬
Zentralblatt für Psychoanalyse. IV½/2.