II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 813

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Schnitzler’s Tragikomödie „Das weite Land“
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sperrt ist. Und so verlassen wir ihn als völlig desorientierten, als einen,
dessen Lebensfäden in anscheinend unlösbare Verwirrung geraten sind.
Wir glauben nun, den inneren Zusammenhang im Charakter des
Helden dargelegt und die Verknüpfung seiner Handlungen untereinander
aufgezeigt zu haben. So hätten wir den einen Teil unserer Aufgabe
gelöst. Wir haben uns dabei darauf beschränkt, die vom Dichter
dargebotenen Züge zu gruppieren und die bei dieser Zusammenstellung
sich aufdrängenden Schlüsse zu ziehen. Wir hätten nicht so verfahren
können, wie wir es getan haben, wenn wir nicht der Psychoanalyse
eine Gewöhnung an gewisse Problemstellungen und einen geschärften
Blick für die Beurteilung unscheinbarer Einzelheiten verdankten. Wir
haben es aber absichtlich vermieden, die konkreten Ergebnisse der Psycho¬
analyse von aussen in den Stoff hereinzutragen und haben unser psycho¬
logisches Wissen höchstens dazu benützt, einen oder den andern Zug
stärker hervorzuheben und so das ganze Bild deutlicher zu machen.
Trotz dieser Zurückhaltung finden wir, dass das geworgene Charakterbild,
wenn es auch nicht die systematische Vollständigkeit besitzt, die wir an
dem Ergebnis einer gründlichen ärztlichen Analyse gewohnt sind, doch
dieselben typischen Züge aufweist, die Adler uns dort zu sehen gelehrt
hat. Wir haben gesehen, wie eine Tendenz seine gesamten Lebens¬
äusserungen beherrscht, und wie sein Verhalten zur Frau nur einen Spezial¬
fall seines allgemeinen Verhaltens darstellt. Die bei ihm zunächst in
die Augen springende Sicherheit, Überlegenheit und Unbekümmertheit hat
sich als etwas Sekundäres erwiesen. Eine Reihe von Zügen hat uns ver¬
raten, dass im Grunde seines Wesens ein nie ruhendes Gefühl der Un¬
sicherheit wohnt, und wir haben verstanden, dass gerade dieses es ist,
das ihm den trügerischen Schein der Sicherheit verleiht, indem es ihm
jeder Lage und jeder Person gegenüber aufpeitscht, seine Vollwertigkeit
zu beweisen, indem es ihn durch die ständige Angst vor einer Niederlage
in jedem Moment antreibt, seine ganze Persönlichkeit einzusetzen. Er¬
innern wir uns nun daran, dass wir als eine besonders charakteristische
Ausdrucksform seines Gefühls der Unsicherheit die Furcht beobachten
konnten, unter die Herrschaft der Frau zu kommen, und halten wir da¬
mit zusammen, ass die hervorstechendste Art, wie er zur Sicherheit
gelangen will, der Angriff auf die Frau ist, so kommen wir wohl zu dem
Schlusse, die Besorgnis, die ihm am meisten zu schaffen mache, kleide
sich in den drängenden Imperativ: „Ich muss zeigen, dass ich ein Mann
bin. Ich muss um jeden Preis die dem Manne zustehende Herrscher¬
rolle ausüben.“ Wollten wir hinter diesem Imperativ die Frage auf¬
spüren: „Bin ich ein Mann?“ so hiesse das freilich über das im Drama
Gegebene hinausgehn. Aber wir glauben hier an den Punkt gelangt zu
sein, wo wir den Charakter Hofreiters ohne Gewaltsamkeit in den Rahmen
unserer psychologischen Erkenntnisse einfügen dürfen. So können wir
wohl abschliessend sagen: ein Mann, der so handelt wie Hofreiter, stcht
unter der Herrschaft eines intensiven männlichen Protestes und die ge¬
steigerte Libido, die wir an ihm bemerken, ist nur eines der Mittel,
deren sich der männliche Protest bedient.
Wenn wir jetzt über das Verständnis des Hauptcharakters hinaus
zum Sinn des Dramas vordringen wollten, so harrte unser eigentlich
noch ein weiter Weg. Der Dichter hat ja das Problem des Verhaltens zu



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