II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 841

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Hofreiter vom Aignerturm abgestürzt ist, vielleicht auch
nicht von ungefähr Anglück gehabt hat. Aber diese Er¬
leuchtung kommt erst spät, zu spät für ein Drama. Wir
ahnen zunächst nicht im geringsten, daß Friedrich Hof¬
reiter eine Maske trägt, und so verlieren viele seinen
Charakterzüge einfach die Wirkung. Nicht viel früher
als bis der Dichter uns in einer Bühnenanmer¬
kung zu verstehen gibt: „Zu Frau Meinhold in seiner
lachend boshaften Art, die nun wie eine Maske wirkt“
(Sechs Seiten vor Schluß des Dramas!), erkennen wir
selbst das Boshaft=Diabolische dieses Menschen. Diese
Art der Charakterentwicklung ist allenfalls novellistisch,
keinesfalls dramatisch; der Dichter verlangt schlechterdings,
daß wir seine Tragikomödie von hinten nach vorn lesen;
denn anders können wir die Einzelheiten derselben nicht
verstehen.
Wir halten im Anfang Hofreiter für einen leicht¬
sinnigen Lebemann, und auch sein „eigentümliches Lachen,
das zu seinen Gewohnheiten gehört und das oft klingt,
als wenn er sich über den Angeredeten lustig machen
wollte,“ kann uns nicht eines bessern belehren. Sollen
wir aus der frivol=scherzenden Art Hofreiters, wenn er
vom Tode Korsakows redet, Schlüsse ziehen, zumal er
hinterher sehr ernst wird und ganz den traurigen Er¬
innerungen an den gestorbenen Freund nachhängt?
Friedrich. Na, ich hab gedacht, vielleicht willst Du
nicht im Fremdenzimmer schlafen, weil der arme Korsa¬
kow vor acht Tagen oben übernachtet hat. Aber ich glaube
nicht, daß die Toten schon in der ersten Nacht Ausgang
kriegen zum Erscheinen.
Mauer. Wenn man Dich so reden hört ...!
Friedrich (plötlich ernst). Kinder, es ist doch scheußlich!
Vor acht Tagen hat er da oben geschlafen, und am
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Abend vorher hat er noch Klavier gespielt da drin —
Chopin — das Cismoll=Nokturno
— und was von
Schumann —, und da auf der Veranda sind wir ge¬
sessen, der Otto war auch dabei und das Natternpaar,
wer von uns hätt sich das träumen lassen!
— Wenn
man nur eine Ahnung hätte warum? Na, Genia,
hat er Dir auch nichts gesagt?
Er ist wirklich etwas eifersüchtig, der Herr Friedrich
Hofreiter, und er kommt immer wieder auf denselben
Gegenstand zu sprechen, wie eine Fliege immer zu dem¬
selben Fleck zurück fliegt, von dem man sie fortjagt. Sie
sind beide allein, Friedrich und Genia Hofreiter.
Friedrich. Du Genia! — Er ist ja tot und begraben,
der Herr Alexei Korsakow
Genia. Was willst Du denn immer von ihm?
Friedrich. Ruhig, mein Kind, nur ruhig!... Ich
will damit nur sagen, es kann ihm nicht das Geringste
mehr... Es würde ihm natürlich auch nichts ge¬
schehn, wenn er noch auf der Welt wäre, so wenig wie
Dir .... Aber Du wirst doch zugestehn, diese Aus¬
einandersetzung zwischen uns bekommt ein eigentümliches
Cachet .. .. nein, das ist nicht das richtige Wort ...
also ich will nur sagen, daß dieses Gespräch gerade heute
stattfindet, daß gerade heute, an dem Tag, da der
Herr Korsakow begraben wurde, Deine Stimmung so
eigentümlich ... Wenn ich auch ein Ehemann bin,
Genia, ich bin ja kein Trottel. Also daß da irgend
etwas nicht stimmt, dafür leg ich meine Hand ins
Feuer. Also
— was ist gewesen zwischen euch?
Genia. Ich schau Dich nur an.
Friedrich. Ja, das merk ich. Aber Du wirst zugeben,
eine Antwort ist das nicht.
Du solltest mich auch
nicht mißverstehn, Genia. Es muß ja nichts Wirkliches
vorgefallen sein, zwischen Dir und Korsakow. Es war
vielleicht nur ein Flirt. Ja. Denn, wenn es etwas
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