— „
Pt1
DOA 20/6
——
22
Sie will nun die Freundin Genias, der entsagenden
Geliebten ihres Sohnes, sein. Da tritt Friedrich herein.
Friedrich (von der Terrasse aus herein. Dunkler Paletot
über dem schwarzen Gehrock. Schließt rasch den Paletot,
spannt seine Züge.)
Genia (starrt ihn wie fragend an).
Friedrich (lächelt starr, ohne zu nicken. Zu Frau Mein¬
hold in seiner lachend boshaften Art, die nun wie eine
Maske wirkt). Küß die Hand, gnädige Frau. (Er
nimmt ihre dargebotene Hand mit einem kaum bemerk¬
lichen Zögern.) Wie geht's?
Frau Meinhold. Dank. Schon so früh aus der
Stadt zurück?
Friedrich. Aus der Stadt? Nein. Ich fahre jeyt erst
hinein. Ich hab nur einen Morgenspaziergang gemacht.
Ein ... herrlicher Tag...
Als sich Frau Meinhold verabschiedet, findet Hofreiter
noch den traurigen Mut, sie und ihren Mann einzu¬
laden: „Auf Wiedersehn, gnädige Frau. Und wenn
Ibr Herr Gemahl hierherkommt, unser Haus ist na¬
türlich . Les amis de nos amis ... und so weiter
Adieu, gnädige Frau.“
„Es hat ihm so beliebt“ den jungen
Gegner totzuschießen: „Wie er mir gegenübergestanden
ist mit seinem frechen, jungen Blick, da hab ich's ge¬
wußt . . . er oder ich.“ Instinktmäßig hatte diesen Wüst¬
ling der Haß gegen alles, was jung ist, gepackt; er selbst
ist ja noch gierig nach Jugend und Lebenskraft, um
den Kreis der Lüste noch einmal durchlaufen zu können:
„Mit vierzig Jahren sollt man jung werden, da hätte
man erst was davon. Mir ist eigentlich doch, als wäre
alles Bisherige nur Vorstudium gewesen. And das
Leben und die Liebe fing jetzt erst an.“ — Fried=ich
23
macht einen Strich unter sein bisheriges Leben. Er
hat die Dugend „glänzen sehen und lachen in ihrem
frechen, kalten Aug. Er weiß, was Jugend ist. Und
er kann doch nicht jeden —
— — Deshalb nimmt er
Abschied von Erna Wahl: „Bleib, wo Du bist, Erna,
amüsier Dich gut und — —“. Da hört er aus dem
Garten die Stimme seines Jungen schallen, der aus
England zum Besuche seiner Eltern gekommen ist, er
hört die Stimme der Jugend, seiner Jugend. „Er
wimmert einmal leise auf“ und eilt hinaus, um seinen
Sohn zu umarmen. Wird nicht vielleicht ein andrer
einmal den Revolver auf die „kalten, frechen Augen“ seines
Sohnes richten? — Erna bleibt stehen.
Vielleicht hätte diese dialogisierte Novelle ein starkes
Drama werden können; doch darf man füglich auch daran
zweifeln. Es ist nicht zu leugnen, daß die Einzelheiten
sein beobachtet und charakteristisch dargestellt find, immer¬
hin ermüdet ihre Häufung. Ein paai starke Unter¬
streichungen hätten genügt, die Persönlichkeit Hofreiters
rechtzeitig klarer hervortreten zu lassen und damit einen
wirklich dramatischen Charakter zu schaffen (so hätte
vielleicht die Zeitungsnotiz schon im ersten Akte gebracht
werden müssen); dagegen läßt sich nicht verkennen, daß
das ganze Milieu völlig undramatisch ist. Im Grunde
ist es doch wohl nur falsch angewendete Ibsensche
Manier, die dieses „Drama“ zum Straucheln gebracht hat.
Viel Sympathien wird sich diese „kalte, freche“
Tragikomödie, die ganz auf Vernünfteleien aufgebaut
ist, nicht erwerben; sie ist doch zu erschreckend gefühlsarm.
Pt1
DOA 20/6
——
22
Sie will nun die Freundin Genias, der entsagenden
Geliebten ihres Sohnes, sein. Da tritt Friedrich herein.
Friedrich (von der Terrasse aus herein. Dunkler Paletot
über dem schwarzen Gehrock. Schließt rasch den Paletot,
spannt seine Züge.)
Genia (starrt ihn wie fragend an).
Friedrich (lächelt starr, ohne zu nicken. Zu Frau Mein¬
hold in seiner lachend boshaften Art, die nun wie eine
Maske wirkt). Küß die Hand, gnädige Frau. (Er
nimmt ihre dargebotene Hand mit einem kaum bemerk¬
lichen Zögern.) Wie geht's?
Frau Meinhold. Dank. Schon so früh aus der
Stadt zurück?
Friedrich. Aus der Stadt? Nein. Ich fahre jeyt erst
hinein. Ich hab nur einen Morgenspaziergang gemacht.
Ein ... herrlicher Tag...
Als sich Frau Meinhold verabschiedet, findet Hofreiter
noch den traurigen Mut, sie und ihren Mann einzu¬
laden: „Auf Wiedersehn, gnädige Frau. Und wenn
Ibr Herr Gemahl hierherkommt, unser Haus ist na¬
türlich . Les amis de nos amis ... und so weiter
Adieu, gnädige Frau.“
„Es hat ihm so beliebt“ den jungen
Gegner totzuschießen: „Wie er mir gegenübergestanden
ist mit seinem frechen, jungen Blick, da hab ich's ge¬
wußt . . . er oder ich.“ Instinktmäßig hatte diesen Wüst¬
ling der Haß gegen alles, was jung ist, gepackt; er selbst
ist ja noch gierig nach Jugend und Lebenskraft, um
den Kreis der Lüste noch einmal durchlaufen zu können:
„Mit vierzig Jahren sollt man jung werden, da hätte
man erst was davon. Mir ist eigentlich doch, als wäre
alles Bisherige nur Vorstudium gewesen. And das
Leben und die Liebe fing jetzt erst an.“ — Fried=ich
23
macht einen Strich unter sein bisheriges Leben. Er
hat die Dugend „glänzen sehen und lachen in ihrem
frechen, kalten Aug. Er weiß, was Jugend ist. Und
er kann doch nicht jeden —
— — Deshalb nimmt er
Abschied von Erna Wahl: „Bleib, wo Du bist, Erna,
amüsier Dich gut und — —“. Da hört er aus dem
Garten die Stimme seines Jungen schallen, der aus
England zum Besuche seiner Eltern gekommen ist, er
hört die Stimme der Jugend, seiner Jugend. „Er
wimmert einmal leise auf“ und eilt hinaus, um seinen
Sohn zu umarmen. Wird nicht vielleicht ein andrer
einmal den Revolver auf die „kalten, frechen Augen“ seines
Sohnes richten? — Erna bleibt stehen.
Vielleicht hätte diese dialogisierte Novelle ein starkes
Drama werden können; doch darf man füglich auch daran
zweifeln. Es ist nicht zu leugnen, daß die Einzelheiten
sein beobachtet und charakteristisch dargestellt find, immer¬
hin ermüdet ihre Häufung. Ein paai starke Unter¬
streichungen hätten genügt, die Persönlichkeit Hofreiters
rechtzeitig klarer hervortreten zu lassen und damit einen
wirklich dramatischen Charakter zu schaffen (so hätte
vielleicht die Zeitungsnotiz schon im ersten Akte gebracht
werden müssen); dagegen läßt sich nicht verkennen, daß
das ganze Milieu völlig undramatisch ist. Im Grunde
ist es doch wohl nur falsch angewendete Ibsensche
Manier, die dieses „Drama“ zum Straucheln gebracht hat.
Viel Sympathien wird sich diese „kalte, freche“
Tragikomödie, die ganz auf Vernünfteleien aufgebaut
ist, nicht erwerben; sie ist doch zu erschreckend gefühlsarm.