——
1
—
Jk C3
GDe
ARTHUR SCHNITZLERS NEUES SCHAU¬
SPIEL. VÖN GEGRG-BRANDES.
lor ganz kurzem erst feierte Arthur Schnitzler einen unvorgesehenen
theatralischen Triumph in seiner Vaterstadt und anderwärts mit einem
geschichtlichen Drama, das, den Absichten des Verfassers zufolge, ur¬
sprünglich gar nicht für die Bühne bestimmt war: mit „Der junge
Medardus“ einem Rückblick auf das Wien von 1800 unter Napoleon, in dem
der Dichter, trotz der gewählten Vergangenheitsform, tiefe Wahrheiten auch über
das jetzige Wesen seiner Landsleute aussprach, über das Wesen der Menschen
im allgemeinen unter Krisen und Gefahren, die sie auf die Probe stellen.
Sein vor wenigen Monaten erschienenes, an einem und demselben Tage auf
allen deutschen Hauptbühnen mit starkem Erfolge aufgeführtes neuestes
Schauspiel „Das weite Land“ ist eines der tiefsinnigsten und reichsten
Werke Schnitzlers, durchaus für die Bühne berechnet und von größter
szenischer Wirkung. Zudem ein Meisterwerk. Was niemals schadet.
Er hat es eine Tragikomödie genannt, eine Bezeichnung, die aber
keineswegs sagen will, daß Lustiges und Ergreifendes sich darin anders als
im Leben oder sonst in guter Kunst mischen. Nur i nichts von Hal¬
Stimmung in diesem Tragischen, noch irgend ein Grinser diesem Spassigen;
der Ton ist der stets gedämpfte, der Schnitzler eigen ist; wodurch die
Augenblicke, in denen die Leidenschaft durchbricht, umso stärker wirken.
(In einem Drama wie August Strindbergs „Erik XIV“, wo schon in der
ersten Szene Geschrei und Wildheit toben, ist jedes Crescendo ausgeschlossen
und damit auch jede Wirkung eines plötzlichen Ausbruches.)
Der Titel des Stücks wird in einer Replik erklärt, die der Dichter
einer der Nebenpersonen in den Mund legt, einer Nebenperson aber, die
immerhin sehr interessant ist: dem Hoteldirektor Dr. v. Aigner, einem über
das Gewöhnliche tüchtigen und tätigen Mann, Sportsmann, Administrator,
Politiker usw., der zugleich ungemeine Herrschaft über die Frauen besitzt
und ihnen dafür auch große Macht über sich gegeben hat. Er ist mit einer
bedeutenden Schauspielerin vermählt gewesen, einem wunderbaren Geschöpf,
das ihn heiß liebte und daher um so heftiger enttäuscht wurde, als er trotz seiner
Gefühle für sie sich mit andern einließ. Aigner hat gerade einem Freunde
auseinandergesetzt, wie sehr er seine Frau geliebt habe, als ium dieser mit
der Replik in die Rede fällt: „Ja, da muß ich allerdings fragen, warum.?“
Aigner unterbricht: „Warum ich sie betrogen habe? — Sie fragen mich?
Wir freuen uns anläblich des siebzigsten Geburtstages des berühmten und führenden
Literarhistorikers und Kritikers einen seiner jüngsten Artikel bringen zu können.
91
1
—
Jk C3
GDe
ARTHUR SCHNITZLERS NEUES SCHAU¬
SPIEL. VÖN GEGRG-BRANDES.
lor ganz kurzem erst feierte Arthur Schnitzler einen unvorgesehenen
theatralischen Triumph in seiner Vaterstadt und anderwärts mit einem
geschichtlichen Drama, das, den Absichten des Verfassers zufolge, ur¬
sprünglich gar nicht für die Bühne bestimmt war: mit „Der junge
Medardus“ einem Rückblick auf das Wien von 1800 unter Napoleon, in dem
der Dichter, trotz der gewählten Vergangenheitsform, tiefe Wahrheiten auch über
das jetzige Wesen seiner Landsleute aussprach, über das Wesen der Menschen
im allgemeinen unter Krisen und Gefahren, die sie auf die Probe stellen.
Sein vor wenigen Monaten erschienenes, an einem und demselben Tage auf
allen deutschen Hauptbühnen mit starkem Erfolge aufgeführtes neuestes
Schauspiel „Das weite Land“ ist eines der tiefsinnigsten und reichsten
Werke Schnitzlers, durchaus für die Bühne berechnet und von größter
szenischer Wirkung. Zudem ein Meisterwerk. Was niemals schadet.
Er hat es eine Tragikomödie genannt, eine Bezeichnung, die aber
keineswegs sagen will, daß Lustiges und Ergreifendes sich darin anders als
im Leben oder sonst in guter Kunst mischen. Nur i nichts von Hal¬
Stimmung in diesem Tragischen, noch irgend ein Grinser diesem Spassigen;
der Ton ist der stets gedämpfte, der Schnitzler eigen ist; wodurch die
Augenblicke, in denen die Leidenschaft durchbricht, umso stärker wirken.
(In einem Drama wie August Strindbergs „Erik XIV“, wo schon in der
ersten Szene Geschrei und Wildheit toben, ist jedes Crescendo ausgeschlossen
und damit auch jede Wirkung eines plötzlichen Ausbruches.)
Der Titel des Stücks wird in einer Replik erklärt, die der Dichter
einer der Nebenpersonen in den Mund legt, einer Nebenperson aber, die
immerhin sehr interessant ist: dem Hoteldirektor Dr. v. Aigner, einem über
das Gewöhnliche tüchtigen und tätigen Mann, Sportsmann, Administrator,
Politiker usw., der zugleich ungemeine Herrschaft über die Frauen besitzt
und ihnen dafür auch große Macht über sich gegeben hat. Er ist mit einer
bedeutenden Schauspielerin vermählt gewesen, einem wunderbaren Geschöpf,
das ihn heiß liebte und daher um so heftiger enttäuscht wurde, als er trotz seiner
Gefühle für sie sich mit andern einließ. Aigner hat gerade einem Freunde
auseinandergesetzt, wie sehr er seine Frau geliebt habe, als ium dieser mit
der Replik in die Rede fällt: „Ja, da muß ich allerdings fragen, warum.?“
Aigner unterbricht: „Warum ich sie betrogen habe? — Sie fragen mich?
Wir freuen uns anläblich des siebzigsten Geburtstages des berühmten und führenden
Literarhistorikers und Kritikers einen seiner jüngsten Artikel bringen zu können.
91