II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 38

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23. Der Schleien der Pierrette
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zwingt auch Pierrette, an diesem furchtbaren
ckernden Hoffmannschen Szene sucht ihres¬
Mahl teilzunehmen. Dann schließt er sie mit
gleichen. Leider hält sich das dritte Bild nicht
dem Toten ein und überliefert sie so dem
ganz auf dieser Höhe. Wohl bringt die Ver¬
Wahnsinn. In einem irren Tanz bricht die
wandlungsmusik eine gewaltige tragische Stei¬
Gequälte tot zusammen.
gerung, aber die Vorgänge des Schlusses, ins¬
Der Vorgang wirkt in der Szenischen Dar¬
besondere der Tanz der im Irrsinne verzwei¬
stellung nicht so kraß als man denken sollte.
feinden Dierrette erscheinen musikalisch als zu
Die Dantomime erfordert starke äußere Ge¬
harmlos. Um hier das rechte musikalische
schehnisse und mildert sie gleichzeitig durch
Aquivalent zu finden, hätte Dohnanpi derber
ihre kräftig stilisierende Tendenz. Dohnanpis
zupacken und die Schönheitslinie, die er stets
Musik ist nicht besonders neu oder stark in
respektiert, gelegentlich auch wohl überschreiten
der thematischen Erfindung. Das ist vielleicht
dürfen. Vielleicht kommt der Komponist über
ihre schwächste Seite und eifrige Reminiszenzen¬
kurz oder lang noch einmal dazu, hier ändernd
jäger hätten hier ein bequemes Feld. Was
einzugreifen.
man aber rückhaltslos bewundern muß, ist die
Doch auch so wie es ist, bedeutet Doh¬
Reife dieses Erstlings vom Standpunkt des
nanpis Werk eine schöne und beachtenswerte
Bühnenmäßigen aus. Dohnanyi beherrscht die
Gabe auf einem Gebiet, das noch ebensoviele
Wirkung durchaus. Er versteht es meisterlich,
Entwicklungsmöglichkeiten zeigt, als es von
die malenden Fähigkeiten seines durchaus
ersten Künstlern bisher vernachlässigt worden ist.
modernen Orchesters auszunuten, seine Musik
Der Aufführung solcher Pantomimen stellen
für die stummen Personen auf der Bühne
sich heute noch große Schwierigkeiten entgegen.
sprechen zu lassen, ohne doch ins Allzuviel,
Unsere Darsteller finden sich nicht leicht in den
ins Überdeutliche zu verfallen. Die eigenartige
eigenartigen Stil, der hier Erfordernis ist. Man
groteske Totentanzstimmung des Vorgangs, die
hatte die Hauptrollen wohlweislich in die Hände
Mischung von gemütlich Wienerischem, Anato¬
von Sängern gegeben, die gewohnt sind, ihre
lischem und Grausigem ist vortrefflich gelungen.
Geberde der musikalischen anzupassen. Nach
So, wenn unmittelbar nach den düsteren Tam¬
langer Mühe war es gelungen, das exakteste
tamschlägen, die den Tod Dierrots begleiten,
Zusammengehen von Orchester und Darstellern
die Geigen zu wilder Lustigkeit emportaumeln
zu erreichen. So kam denn auch eine sehr
und mit einem rauschenden Walzer die Fröh¬
eindringliche Wirkung zustande. Schuchs
lichkeit des Hochzeitsfestes beginnt. Und mehr
Leitung am Dirigentenpult war über alles Lob
noch, wenn inmitten dieser Fröhlichkeit der
erhaben. Wer es weiß, wie Schuch derlei an¬
Schatten des toten Dierrot aufsteigt und die
zupacken und auf die beste Wirkung hin her¬
Tanzmusikanten auf verdorbenen und ver¬
auszuarbeiten versteht, wird das begreifen.
stimmten Instrumenten einen scheinbar ab¬
In den Hauptrollen leisteten Frl. Tervani und
scheulich klingenden wilden Galopp anstimmen.
die Herren Soot und Trede Tüchtiges. Zum #
Die artistische Feinheit dieser unheimlich fla¬
Teil mehr als das.
Dr. Ernst Neufeldt,
Prag. Mit dem neuen Kalenderjahre scheint
Freude erleben wird. Dabei hat er sich in der
auch in unsere Oper ein frischerer Zug ge¬
schwierigen Rolle des Teiramund nicht mehr
kommen zu sein. Der Neujahrstag brachte eine
ganz so anfängerhaft aufgeführt als er von
hübsche Manon-Aufführung unter Often¬
Rechts wegen gedurft hätte. Mit der ersten
heimer. Frl. Catopol, die Trägerin der Titel¬
Opernneuheit, die uns heuer beschieden war,
partie, blendete Theater-Habitués durch prächtige
ist es nichts. Harziß Kameau, die vieraktige
Toiletten und erfreute die Musiker mit der
Oper von Julius Stern, ist eine liete. Die
saubern Durchführung des schwierigen Kolora¬
Musik ragt nirgends über das hinaus, was
turparts. Ausgezeichnet war Waschmann als
brave Musiker gewöhnlich zu schreiben pflegen,
Des Grieux. In einer Lohengrin-Aufführung zeigte
die melodischen Einfälle sind billig, die Instru¬
Dr. Hans Winkelmann, der Sohn Hermanns
mentation alltäglich und dort, wo sie gewählt
des Großen, sein sicheres Stilgefühl. Noch ist
klingen will, gesucht. Es fehlen die Steigerungen.
er ein wenig kühl, noch bedarf seine Mittel¬
Nach dem ersten Bild, dem relativ besten, ist
lage sorgfältiger Pflege, aber seine hohen
der Gipfel erklommen. Dann geht es rapid
Töne sind schon heute von seltenem Glanz.

abwärts, aber nicht schnell genug, denn die
Ein anderer Wiener, überdies auch ein
drei noch folgenden Bilder scheinen sich endlos
Graduierter, trat an diesem Abend als Telra¬
zu dehnen. Die drei Textdichter (Teon, Schurz.
mund auf, Dr. Emil Schipper. Von diesem
Frank) haben mit dem an sich gewiß dankbaren
jungen Sänger verspreche ich mir viel. Der
Sujet von der Marquise Pompadour nichts
wird ein Heldenbarpton, an dem man seine Rechtes anzufangen gewußt, Ihre Gestalten
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