II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 46

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23. Der Schleiender Pierrette
tragen. Mademoiselle Rigolboche,
Debussy. Bewegung denn auch hier! Aber da Schönberg in Wien
igweilig genug, um jemals einer
haust, weiß man über ihn wenig mehr, als daß es bei seinen Auf¬
hen zu können. Und an ihrem
führungen gelegentlich Skandal und hinterher gedruckten Unfug gab.
thenden Saiten der Leier zu grei¬
Die Aufführung? Bruno Walter hat diese Musik, die er nur
umssängern unsrer Presse schon
achten konnte, mit der größten Sorgsalt und Aufopferung studiert, zu
in diesen Memoiren zwar mehr¬
einer Zeit, als ihn Krankheit und Tod seines Freundes Mahlers aufs
u sein, aber vorsichtigerweise kein
tiefste angegriffen. Auf der Bühne war Frau Gutheil als Melisande
und Hofbauer als Golo schöpferisch. Die Szenenbilder, durchaus gut
e Pflicht, etwas für Mademoiselle
und oft mehr als das, sind in Berlin bekannt. Ich muß aber be¬
die, wie ich befürchten muß, ohne
kennen, daß mich manche Beleuchtungen und Farben, in der Szene am
aussähe. Die Nachwelt flicht ja
Brunnen auch manches realistische Zuviel gestört hat. Doch verdiente
hen Kränze — wie käme sie dazu,
Gregors Regie großes Lob, und das Ganze war so, daß man nach
zu tun! Herr Hinz und Kunz
langer Zeit (den „Rosenkavalier ausgenommen) wieder auch etwas zu
neusen — wie kämen sie dazu, zu
schauen hatte. Noch einmal: ein sehr schöner Anfang. Aber ein An¬
unbeschmutzbar reine Geist der
fang nur, und vielleicht kein ganz kluger. Denn Gregors stärkste
berliner Leistung ist damit gezeigt und zu einer Zeit (im Mai) gezeigt
worden, in der man in Wien doch nicht mehr die rechte Aufmerksamkeit
Berufs meiner Heldin leider nicht
dafür hat. Dreimal wurde die Oper bei schwachem Besuch gegeben;
, wie sehr ihr das in den Augen
dann sollte sie abgesetzt werden. Zum Glück folgte noch eine vierte und
l ich gleich ein Uebriges tun und
fünste Vorstellung. (Sie wird, mit Vorsicht, noch immer zu halten
boche nicht so leicht Unrecht tun
sein.) Und dann schloß die Hofoper ihre Spielzeit.
sehr übel denkt. Des alten
Nun ist sie wieder geöffnet, und es sind neue Pläne bekannt
Tänzerin sein könne, ohne tugend¬
geworden. Darnach scheint es, als wollte Gregor allmählich seine
Damen der alten feierlichen
besten berliner Vorstellungen hierher verpflanzen. Man kündigt „Don
hinnen des Casino-cadet und der
Pasquale“ und eine neue Inszenierung von „Carmen' an. Sehr gut.
darauf. Und Rigolboche eben¬
Aber das kann doch, von Neuheiten abgesehen, nicht der ganze Ka¬
chologiewütigen zwanzigsten Jahr¬
lender sein? Es sind Aufgaben da, und sie drängen gerade in die
blen second empire, hat niemand
Richtung, aus der bisher kein Laut gekommen ist. Man hungert
drenen“ herausgegeben, sondern sie
nach Mozart, den Weingartner, ein Mozartschwärmer in Feuilletons,
alles andre vergessen macht, mit
nicht spielen ließ; denn Rollers Inszenierungen waren ihm Experi¬
mentalität, der der Gedanke an
mente, er selbst fand aber weder Mut noch Kraft, andres zu geben.
und im übrigen mit einem aus¬
„Fidelio“ ist halb zerstört, Gluck so gut wie unbekannt, Weber eine Ver¬
it fünfzehn Jahren vom „Pfad der
legenheit, Verdi gelegentlich eine Ausstellung schöner Stimmen, und
eiter mit ihr kam.
die Spieloper, die manche immerzu verlangen, scheitert an dem großen
Wert oder Unwert hinaus haben
Haus. Und Wagner? Rienzi, Holländer, Tannhäuser und Meister¬
ausgesprochen kulturhistorisches
singer, besonders aber die ersten drei, sind von Grund auf zu er¬
ig des vergnügungslustigen Paris
neuern. Der Ring ist wenig einheitlich und die Spuren des früheren
h der zahlreichen Lokale, in denen
Regimes wären namentlich aus der Götterdämmerung zu entfernen.
diese kleine Tänzerin mit einer
Also Arbeit in Fülle, Arbeit von Grund auf, Arbeit für Jahre hinaus.
viel Esprit, daß man trotz ihren
ist, ihre Antorschaft für eine
Dies war geschrieben, als wieder eine, nein gleich zwei „Affairen“
für die Sensation des Augenblicks
begannen. Das Publikum mußte durchaus durch die Zeitungen er¬
1 man hinter ihren schreibelustigen
fahren, wann Fräulein Forst und Frau Weidt „Respekttage hatten, das
ané von der „Indéne ance Belge“
heißt: Tage, vor denen eine gewissenhafte Nachrichtenpresse keinen Re¬
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