II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 47

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23. Der Schleiender Pierrette
spekt kennt. Die Leser tobten oder erbrachen sich; aber Schmock hatte
alles erfahren: wie stand er da! Das traurige Ergebnis ist, daß Fräu¬
lein Forst, eine tüchtige, verdiente und überall verwendbare Sängerin,
ohne Ersatz schied. Gewiß, der Direktor muß auf Ordnung achten; aber
ich wage angesichts der Folgen zu fragen, ob es nicht klüger gewesen
wäre, die Arie im „Don Pasquale um des Friedens willen, aber auch
der Gesangskunst zuliebe, von der sitzenden Sängerin trällern zu
lassen...
Nun, Fräulein Francillo=Kaufmann lag, wie ihr geheißen war,
aufgestützt auf dem Sopha. Doch alle ihre Munterkeit und ihr neckisches
Spiel war überhaupt, wie man in Wien sagt, geschaffte Arbeit. Wie
kalt klang das feine Stimmchen in dem großen Haus! Wie kalt blieb,
auch bei den andern, diese Lustigkeit von einst! Die Regie war vorzüg¬
lich; nur kam sie aus dem Intellekt, rechnete mit willfährigen Ver¬
standesspielern und suchte sie mit Humor gewissermaßen zu beizen. Ach,
in Wien, und das ist das Unglück, verlangen die Leute Gemüt, Natur,
auch wenn sie wissen, daß diese Natur abgelebt und nicht nachgewachsen
ist. Ja, einmal, im alten Kärntnertortheater! Ja, die Italiener!
Daran liegt es. Ich entsinne mich einer Gast=Aufführung des „Don
Pasquale durch eine italienische Truppe. Sie hatten sicher keinen Kopf
wie Gregor und wahrscheinlich hatte ihnen niemand etwas gezeigt und,
mit dem Regiebuch in der Hand, vorgemacht. Aber dem schlechtesten
Komödianten in Italien sind Buffo=Manieren angeboren; jeder Knei¬
penwirt, jeder Barbier agiert wie eine komische Person auf der Bühne.
Wenn diese Leute „Don Pasquale aufführen, hat Spiel und Musik ein
reißendes Brio, flackert wie von lustigen, tollen Feuern, indes man bei
uns hinter den Kulissen einen spürte, der immerzu Streichhölzer an¬
brennen mußte. Allen Respekt vor dem Wollen und Können der Regie
(der Chor der Bedienten war meisterhaft) — vor der musikalischen Lei¬
tung Reichenbergers versagte selbst der Respekt. War er verschüchtert
durch das Uebergewicht des Direktors? Ist er einer von den deutschen
Kapellmeistern, die italienische Opern nicht dirigieren können? Genug,
Donizetti, dem man mit Versen von Bierbaum gedient hatte, kam nicht
zu seinem Recht. Es soll mich nicht wundern, wenn nächstens ein Sta¬
tistiker die wenigen Respekttage des „Don Pasquale' berechnet.
Wie ein großer Künstler italienische Opern singt, zeigte — welcher
Glücksfall, es erlebt zu haben — Caruso als Bajazzo. Leoncavallo nur,
kein Geber, ein berühmt gewordener Phraseur... Aber dieser Tenor“!
Ich werde nicht von dem Wunder der dunkel flutenden, hell aufrauschen¬
den Stimme sprechen; aber von dem selbstverständlichen Spiel, das den
bösen Reißer am Schluß des ersten Aktes zu einem erschütternden
Aufruf an die Menschlichkeit machte, von der schreckhaften Komik seiner
Marionettentype in der Komödie, die eine Spukgestalt schuf, mit starren
Armen ohne Hände (die das zurückgeschlagene Pierrotgewand für die
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rasende Leidenschaft Canios sofor
wenig wie eine Zeichnung E. T.
cher Jammer, daß alles das vor
Caruso, sondern C

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Und schon am nächsten Tage
in Mahlers Inszenierung. Welch
Jahre lang einer Marotte geopfer
heißt: den Gefängnishof nicht, der
dorben, und der „liebenswürdige',
schlecht in den heroischen Rahmen.
Episode geblieben; war das Licht,
im Sinne Mahlers. Und doch,
Er gibt drei von den sibyllinischen
war, die ganzen neun nicht gewoll
Inszenierungen an. Das werden
Direktor, der Mozart aufführt,
über den Gi
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