II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 76

De
box 27/5
23. Ler Schleier der Pierrette
verringert. Das ist teilweise eine Entlastung; aber der
in der Kleidung auf den
Feuilleton. Gence
Verzicht auf den Gesang verpflichtet andererseits zu aus¬
n
Im Regiebuch wird eine
drucksvollerer Orchestersprache, zu lebendigerer instrumen¬
4
Altwiener Tracht eigens
taler Schilderung der szenischen Vorgänge, der Stimmungen
greifen auf die typischen
Königliches Opernhaus.
und Empfindungen der einzelnen Personen.
offenbar das schillernde
„Der Schleier der Pierrette.“ Pantomime in drei Bildern
Zu musikalischer Illustration bietet das Stück
Phantastik gleich anfan
von Ernst v. Dohnanyi.
vielfache und dankbare Gelegenheit. Die Handlung bringt
Mummenschanz, der auch
Von August Be#.
aufregende Vorgänge, lyrische Szenen, Graziöses und
verträgt, ohne den strenge
Der Zufall, dieser launenhafte Kobold, der so gern
Phantastisches in geschickter Mischung. Und es fehlt der
zu stoßen.
dem Witz der Antithese nachgeht, gönnt sich zuweilen auch
Pantomime, die eine Zwillingsschwester des Balletts ist,
Schon durch das erst
die Ueberraschung der Analog#. So hat er es gefügt, daß
auch an bunten Tanzmomenten nicht, die sich immer in
ein junger Wiener Male
die beiden letzten Novitäten des Operntheaters dasselbe
natürlichster Weise aus der Situation ergeben. Das Text¬
sunken vor dem Bilde sein
Finale zeigen. Die „Elektra“ von Richard Strauß, „Der
buch hat Arthur Schnitzler aus seinem Schauspiel „Der
eines reichen Hausherrn.
Schleier der Pierrette“ von Dohnänyi enden mit einem
Schleier der Beatrice“ geformt. In der neuen Einrichtung
nicht mehr bei ihm blicken
wilden Leichentanz der wahnsinnig gewordenen weiblichen
ist das ursprüngliche Drama kaum mehr zu erkennen. Aus
Sehnsucht nach dem schön
Hauptpersonen. Elektra, die rachedürstige Atridentochter,
dem fünfattigen, figuren und episodenreichen Renaissance¬
seine Kameraden und dere
bricht mitten in ihrem grauenvollen Triumphreigen leblos
stück sind drei knappe Bühnenbilder geworden. Die Hand¬
und Tanz aufzuheitern. E
zusammen. Die niedliche Pierrette tanzt sich an der Leiche
lung, früher vielfach durchzogen von Kriegslärm und
solide Wiener Ausgab
des Geliebten zu Tode. Die Realistik des modernen Theaters
Staatsaktion, wurde aus dem Bologna des 16. Jahr¬
Er ist wirklich unheilbar
begleitet auch auf der Opernbühne den Wahnsinn mit
hunderts in das Wien der Biedermeierzeit verlegt, aus dem
pocht es an der Türe und
glaubwürdigeren Symptomen. Die Lucias und Ophelias
glänzenden Palaste des stolzen Herzogs Bentivoglio wurde
schleier und Myrthenkranz
ergingen sich, wenn sie den Verstand verloren haben, in
der Salon eines wohlsituierten Spießburgers „vom Grund“.
Sie ist am Hochzeitsabend
den kunstvollsten Trillern, in den zierlichsten Rouladen. Bei
Das Stück hat so durchgreifende Veränderungen an Haupt
Arlecchino entflohen und n
den Elektras und Pierrettes von heute löst der Wahnsinn Tanz¬
und Gliedern, im Szenengang, in den treibenden Motiven er¬
liebten sterben. Bevor sich
bewegungen aus. Das erscheint umso natürlicher, als die
fahren, daß ein Vergleich des Originals mit der jetzigen
erholt hat, zieht sie eine
Koloratur der Fußspitzen dabei ganz aus dem Spiele bleibt. Doch
Fassung ein wenig lohnendes Beginnen wäre. Und
und gießt es in den W
bei dieser Aehnlichkeit der Schlußkatastrophen endet auch das
ein zweckloses. Denn es bleibt schließlich das gute
achtlos zu Boden fallen.
launenhafte Spiel des Zufalls. Weder den beiden Werken,
Recht des Dichters, seinen poetischen Stoff nach eigenem
letzte zärtliche Umarmung
noch ihren Autoren ist sonst irgend ein verwandter Zug
Ermessen umzugestalten, zu varüeren, ihm diejenige
Gläsern zum Todestrunke
gemeinsam. In der „Elektra“ ein reifer Meister, der in
Form zu
geben, die ihm am passendsten dünkt.
nommen, aber Pierrette
seiner eigenen genial=verwegenen Art über Wagner hinaus
Vielleicht erkannte der Autor selbst, daß sein Schauspiel
und sie zögert. Da schlägt
neue Bahnen für das Musikdrama freilegt; im „Schleier
trotz aller rührenden und spannenden Momente den epischen
Glas aus der Hand, da
der Pierrette“ ein junger Künstler, der hier seinen ersten
Zug nicht verleugnen kann, sich eher wie eine farbenreiche,
über den Toten, rüttelt ih
Schritt auf die Bühne unternimmt. Ernst v. Dohnanyi trennt
in schimmernde Verse gekleidete Novelle liest, denn als
Zimmer, dann stürzt sie v
sich bei diesem Versuche noch nicht vollständig von seinem
kräftiges, scharfumrissenes Drama auf der lebendigen Bühne
arbeitet schon die Introdu
liebgewordenen Element, der absoluten Musik, in der er
sich alsvielt. Nur das Hauptthema wurde in die Pantomime
die grellen Effekte zusam
bisher Proben seines reichen Talents geboten hat. Nicht
übernommen, mit diesem zugleich das tragische Requisit des
Pantomime, besonders wer
der Oper selbst gilt sein erster Anlauf. Er macht vorläufig
Stückes, der Schleier, der eine ähnlich verhängnisvolle
geht. Da ihr das Wort er
nur im Orchester dramatische Musik zu dem stummen Spiel
Rolle spielt wie Desdemonas Schnupftuch. Pierrot, Pierrette,
licher Vorbereitung und 2
oben auf der Bühne. Es scheint, daß er vorerst seine dra¬
Arlecchino sind die Hauptpersonen dieses Eifersuchtsdramas,
sich kürzer und schärfer
matischen Fähigkeiten an einem Stoffe erproben wollte, der
lauter wohlbekannte Figuren der alten Commedia delllarte.
Lange verweilen hieße la
keinen vokalen Apparat erfordert, das technische Rüstzeug! Verpflanzt in die Gegend rings um den Stefansturm, auch l der Komponist! Verlangt