II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 124

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I. Geterv. behördl. keaz. Unternehmen für Zeitunge-Aussohnilte
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chetstiauts,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolte,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
burg, Toronto.
(Qustienangebo eus üeuchrt.
Ausschultt an
73 10.191)
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Sneie Nachrichten

Theater und Murik.

Der Schleier der Pierrette. Paytomime von Arthur Sch¬

ler. Musik von Ernst v. Dohnanyi.*) (Erstafts
ter am Freitag, den 21. Oktober.) Den Stoff zu dieser Pantomime
bildet eine Liebestragödie. Es ist Pierrettens Hochzeitstag; der Bräu¬
tigam, die Eltern und die Gäste sind versammelt, sie aber eilt heimlich
in die Wohnung des Geliebten, um gemeinsam mit ihm zu sterben. Er
ist bereit und leert die Giftphiole, doch ihr schwindet im letzten Augen¬
blick der Mut. Totenbleich, ohne den Brautschleier, kehrt sie zum Hoch¬
zeitsfest ins elterliche Haus zurück. Der Bräntigam, unheimlich, dro¬
hend, fragt, wo sie gewesen und wo ihr Schleier. Da erscheint ihr
mitten im Festgewimmel der tote Pierrot, den Schleier in der Hand.
Sie folgt ihm, betritt zum zweiten Mal seine Wohnung, und hier er¬
füllt sich ihr Schicksal: Wahnsinn ergreift sie und, die Augen auf den
toten Geliebten geheftet, tanzt sie sich zu Tode.
Diese Figuren wachsen bei Schnitzler fast selbstverständlich aus dem
Boden des alten Wien herauf, gewissermaßen Repräsentauren ihrer
Zeit, aber vom Dichter ins Unheimlich=Phantastische gesteigert.
Sie
sind die Kehrseite der Medaille, verkörpern die finsteren Mächte, die
unter der Oberfläche jenes von Schnitzler wunderbar stimmungsvoll
geschilderten, sinnenfrohen und allezeit sidelen Altwien lauern.
Zu Schnitzlers Handlung hat Dohnanyi eine Art von sinso¬
nischer Dichtung geschrieben, die sich den szenischen Vorgängen sehr
genau anschmiegt, teils in dem rezitativischen Melos der neudeutschen
Schule oder in freier Tonmalerei, teils in geschlossenen Tanzformen.
Natürlich hat sich der Komponist nicht die Gelegenheit entgehen lassen,
Wiener Tänze zu schreiben, darunter einen sehr hübschen Walzer im
zweiten Bild. Origineller sind einige geschlossene Stücke, die die Si¬
tuationsstimmung ganz mit eigenen Mitteln wiedergeben: ein Marsch
von gezwungen festlichem Charakter, der erklingt, wenn Pierrot seine
Geliebte im 1. Bild zum Abschiedsmahl führt, und der unheimliche
Tanz vor und während des Auftretens des gespenstischen Pierrot im
2. Bild. Im ganzen zeichnet sich die Musik weniger durch ursprüngliche
Erfindung aus, als durch Schmiegsamkeit der Formbehandlung, Treff¬
sicherheit des dramatischen Ausdrucks und farbenreiche Instrumentie¬
rung. Sie wurde von Kapellmeister Pollak mit wuchtiger Betonung
der pathetisch=dramatischen Akzente und österreichischem Schmiß im
Tanzrhythmus dirigiert und von unserem Stadtorchester vor¬
züglich gespielt. Die szenische Einstudierung hatte Frl. Grondona
mit sicherem Blick für das Zeitbild, für den Charakter der geschlossenen
Tanzformen und für die pantomimische Einzeldarstellung besorgt. Für
die neuartigen Aufgaben dieser Einzeldarstellung freilich stehen noch
keine fertigen Künstler zu Gebot. Die moderne Körperdarstellungs¬
kunst ist ja eben erst im Werden begrissen. So ist es ganz selbstver¬
ständlich, daß die Opernkünstler, denen man die Hauptrollen anvertraut
hatte, mit einer naturalistischen Technik arbeiteten, daß Verdoppelungen,
Wiederholungen und Uebertreibungen in der Ausdruckssprache des
Körpers unvermeidlich waren. Und doch war es erstaunlich, wie charak¬
teristisch und mit welchem Pathos z. B. Herr Kase (Arlechino) und
Frl. Sanden (Pierrette) ihre Aufgaben anfaßten und durchführten.
Diesen beiden Künstlern und Herrn Klinghammer (Pierrot) waren
die modernen Aufgaben der Körperdarstellung zugefallen, während die
zahlreichen anderen Figuren meist in geschlossenen Tänzen die freie
Ausdruckssprache der Einzeldarsteller umrahmten.
Der Pantomime folgte, von Herrn Marion und Kapellmeister
Conrad neueinstudiert, Halévys komische Oper „Der Blitz“*)
die hier seit Menschengedenken nicht mehr aufgeführt war. Sie ist in
ihren sentimentalen Partien stark verblaßt, wirkt dagegen in den fein
komischen und rhythmisch bewegten Teilen noch heute. Freilich
rechnet die Oper auf eine Art von leichten, hohen französischen Tenören,
die wir nicht haben. Herr Jäger ging als Lyonel mit seinem Stimm¬
material und seinen Gefühlen geradezu verschwenderisch um
Herr Schroth traf als George im Spiel und Dialog den flotten, sein
komischen Ton vorzüglich. Die beiden Damen, die sentimentale Hen¬
riette des Frl. Eichholz, und ganz besonders die charmante junge
Witwe des Frl. Merrem waren sehr zu loben.
Dr. Detlef Schultz.
Klavierauszug bei Ludwig Doblinger (Bernhard Hocz¬
manskys, Leipzig.
*) Klavierauszug bei Schlesinger (Rob. Lienau), Berliff.
k. und Nalesca
Telepbes 12.89
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I. Jeterr. behördl. Sonz. Unterachmee für Zeitunge-Ausechuitte
Wien, I, Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chlcago, Cleveland, Chrtstlamk.,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minncapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peten
burg, Toronto.
gunadensgabe cne denühn.
Aueschaltt aus:
230K1 1910.
Wzider
vom:
Sheater und Konzerte.
Leipzig, 22. Oktober.
Neues Theater. (Zum ersten Male: Der
Schleier der Pierrette. Pantomime von
A. Sch
r. Musik von E. von Dohnanyi. — Neu
denstüdter Der Blitz. Oper von Halevy.) Die
Ausstattung der Oper „Die Jüdin“ hatte der Direk¬
tion der Pariser Großen Oper das nette Sümmchen
von 150000 Franken gekostet. Ihr berühmter Kom¬
ponist, Halévy, ging darauf eine Wette ein. Es
handelte sich darum, eine kleine, kaum ausstattungs¬
bedürftige Oper mit nur vier Personen zu schreiben.
Halévy gewann, als die komische Oper „Der Bli
(1835) erschien und großen Erfolg hatte. Der Kunst¬
ler zeigte sich hier von einer ganz anderen Seite. In
der „Judin“ war alles romantischer Superlativ, alles
auch auf das Muster der Großen Oper zugeschnitten,
für die Schaulust wie für das Gruseln gleicherweise
gesorgt. Jetzt, im „Blitz“ trat die von den simpel¬
sten Voraussetzungen ausgehende Unterhaltungsgabe
in ihr Recht, zugleich höchste Liebenswürdigkeit und
eine fast peinliche Eleganz aufweisend. Obwohl ein
Schüler von Berton und Cherubini, ging Halévy
doch mehr von Hérold und Auber aus und war so¬
wohl im tragischen als im komischen Fache wohl be¬
wandert. Seine feine Musik bedeckt schonungsvoll
das Blitz=Abretto, das sehr schwach ist. Zwei junge
Frauen treiben mit dem Vetter Georg, dem Erben
eines großen Vermögens, vergnüglichen Flirt. Ein
Offizier, Lionel, kommt zufällig hinzu, wird im Ge¬
witter vorübergehend des Augenlichts beraubt und
von der schönen Henriette gastlich gepflegt.
Nach
seiner Genesung stürzt er dankesvoll der Pflegerin zu
Füßen. Indessen irrt er sich in der Person —
Schwester steht vor ihm. Großes Ach und Wehe,
gräuliches Gefühlsextempore
die Folge.
höchster dramatischer Verlegenheit greift der anonyme
Autor zu einer Scheinehe usw. usw. und am Ende
kommen die richtigen Liebesleute doch glücklich zusam¬
men und leben heute noch, wenn sie nicht gestorben
sind. Denn am 16. Dezember 1835 in der Großen
Oper haben sie sich ganz Paris als Verlobte schon
empfohlen.
Schlägt man die „Blitz"=Partitur auf, so kommt
einem so etwas wie Lavendelgeruch entgegen, oder
auch Goldlack und Gelbveiglein. Es ist viel abstrakte
Liebe in dieser Musik, aber auch viel kleine Aufre¬
gung, viel Tugend in diesen Leutlein. Zuviel, weiß
Gott. Die Liebe erscheint hier als Göttin im Morgen¬
rot, die Moral als strenge Tante neben ihr. Halévys
Musik ist elegant und blitzsauber, sie enthält viel I
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