II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 131

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den Ausdrucksformen des Theaters wohlvertrauten, begabten
reicht die Miniatur=Oper ihren lyrischen Höhepunkt. Mit
Tonkünstler. In der Erfindung jedoch treten die tragischen
seinen zarten Instrumentaleffekten steht dieser Abschnitt in
Abschnitte gegenüber den prächtigen, echt wienerisch empfun¬
einem wirksamen Kontraft zu der letzten, heftig beginnenden
denen Tanzweisen merklich zurück, und wenn es auch den Ton¬
sifurter Opernhäus.
und versöhnlich schließenden Auseinandersetzung des Paares.
symbolen für den von Liebesqual gepeinigten Pierrot, für
Als Ganzes genommen bezeugt der Komponist auch mit dieser
Geheimnis“, Intermezzo von E.
Pierrette und für das Wiedersehen der beiden nicht an gewich¬
neutsten dramatischen Arbeit wiederum seine außerordent¬
Musik von E. Wolf=Ferrari. —
tigem Pathos und charakteristischem Ausdruck gebricht, so emp¬
liche technische Begabung für das fein=komische Genre. Nur
er der Pierrette“, Pantomime von
fehlen sich diese Leitmotive doch nicht gerade durch sonderliche
müßte er den zum Teil noch recht fühlbaren Eklektizismus
Musik von E. v. Dohnänyi. Erste
Neuheit, und wollen mit den mehr freudig gehaltenen Par¬
künftig mehr meiden. Die Aufführung des Werkchens bean¬
en in Frankfurt: 12. November.)
tien nicht recht zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen.
sprucht nur drei Personen, von denen noch dazu eine — der
Der Tanzkomponist in Dohnányi gibt sich, wie die Walzer im
kleinen Werken, die heute für den zweiten
alte Diener — wort= und tonlos bleibt. Herr Hauck verstand
ersten und zweiten Bilde und das graziöse Menuett beweisen,
im Frankfurter Opernhaus ausersehen
jedoch durch beredtes Mienenspiel sein Verständnis für die
viel unmittelbarer und überzeigender als der seriöse bra¬
wenn es auf künstlerische Rundung und
Absichten seiner Herrschaft darzutun. Dem Grafen wußte
matische Komponist in ihm. Gediegene leitmotivische Arbeit
n Musikalischen ankommen soll, dem heite¬
Herr Brinkmann am besten in den Eifersuchtsszenen bei¬
und eine zum Teil recht stimmungsvolle Instrumentation bil¬
„Susannens Geheimnis“ von E.
zukommen, wo er den polternden Ton des Wüterichs nicht übel
den Vorzüge der interessanten Partitur. Von wohlgelunge¬
i den Vorrang vor der halb phantastischen,
traf. Dank erwarb sich Frl. Franz dofür, daß sie als Er¬
nen Einzelheiten seien außer dem bisher Genannten noch der
ntomime: „Der Schleier der Pier¬
satz für die erkrankte Frau Gentner=Fischer und sozusagen in
Marsch beim Abschiedsmahl im ersten Bilde und der Tanz
Dohnänyi zugestehen müssen. Diesen
letzter Minute die Partie der Susanne übernommen hatte.
vor und nach dem Auftreten des toten Pierrot im zweiten
Druck erzielt das Werkchen Wolf=Ferraris
Ihrer Schlagfertigkeit stellt diese Tatsache ein rühmliches
Bilde erwähnt. Der Ausdruck des Freudlosen und des Un¬
keit und ungesuchte Fröhlichkeit seiner Ton¬
Zeugnis aus, wenngleich dabei doch nicht verschwiegen werden
heimlichen ist hier vorzüglich getroffen. Gegen Ende hin fehlt
perer Vornehmheit und geistholler Verarbei¬
darf, daß sie den stimmlichen Anforderungen der Rolle in
es nicht an empfindlichen Langen. Auch manches Phraseo¬
is zu jener der „Neugierigen Frauen“ kei¬
dramatischer Hinsicht noch nicht völlig gewachsen zu sein schien.
logische läuft da in der Musik mit unter. Alles in allem er¬
ht. Würde die eigentliche Erfindungskraft
Im übrigen lieferte sie von dem sanften geplagten Ehege¬
weist sich die hier niedergelegte Tonsprache als eine immerhin
sche stärker zum Ausdruck gebracht sein, und
spons ein zutreffendes Bild.
beachtenswerte Talentprobe Dohnányis, die für sein Schaffen
n sich inhaltreicher oder wenigstens inter¬
Gegenüber der geschmackvollen, frohsinnigen Kleinkunst
auf dramatischem Gebiete Hoffnungen erweckt. Die gesteiger¬
„Susannens Geheimnis“ würde dann zwei¬
Ferraris strebt E. v. Dohnänyi mit volleren und auch
ten Schauerlichkeiten gegen Ende hin mochten Schuld daran
Er ersten Ranges geworden sein. Doch die
schwereren Tönen in seinem „Schleier der Pierrette“
sein, daß das Werk nicht ohne Widerspruch ausgenommen
sischen von E. Golisciani, deutsch von
so etwas wie eine künstlerische Hebung oder gar Rettung der
wurde; schließlich kam es aber doch zu mehreren rückhaltlosen
ingerichtete Handlung kann als solche laum
Pantomime an. Ob hierzu in einer Zeit, wo das Tonbild¬
Hervorrufen der Künstler. Von diesen gebührt Frl. Sellin
diesen Namen erheben. Es ist eine äußerst
theater den Sinn eines naiven genügsamen Publikums für
das meiste Lob. Sie brachte für die jeweiligen Situationen,
le, wobei das Humoristische an der Sache
ähnliche, aber in viel primitiverer Form gebotene Darstel¬
für Liebe, Reue, Verzweiflung und Furcht ein beredtes
irkung beruht, die etwas Zigarettenduft auf
lungen wieder rege gemacht hat, auch für die gebildeteren
Minenspiel und eine plastische und überzeugende Gebärden¬
bt. Wie toll gebärdet er sich, als er im
Kreise ein höheres Kunstbedürfnis vorliegt, soll hier nicht
sprache mit und vermochte den Todestanz bis ins Grausige
ungen Gattin Tabaksgeruch wittert und des
weiter untersucht werden. Genug, daß sich der Komponist der
hinein zu steigern. Eine Leistung wie aus einem Guß bot
benbuhlers nicht habhaft werden kann. Als
Mitarbeit keines geringeren als Arthur Schnitzlers ver¬
Herr Wirl mit seiner ergreifenden Darstellung des leben¬
in beim Zigarettenrauchen überrascht, ist er
sichert hat. Naturlich ist es eine Liebestragödie und fast
den Pierrot. Unheimlicher und drohender hätte vielleicht Herr
führt von ihrer Unschuld und empört über
selbstverständlich für Schnitzler kehren seine Alt=Wiener Typen,
Brinkmann den Bräutigam gestalten dürfen. Zufrieden¬
Verdacht gönnt er der Gattin künftig den
der Bräutigam, die Braut und der Liebhaber wieder. Doch sie
stellend waren die kleineren=Partien, so vornehmlich die Eltern
ließt zu ihrer Freude ihn fortan mit ihr zu
sind vom Dichter ins Unheimlich=Phantastische à la E.
Pierrettes mit Herrn Steffens und Fr. Wellig, sowie
ünden sich eine Friedenszigarette an. Ein
T. A. Hoffmann gesteigert. Das Spukhafte, Schaurige spielt
der elegante Tanzarrangeur mit Herrn Hauck besetzt. Die
immerndes Gewand mit silbernen und gol¬
neben den realen Vorgängen eine bedeutsame Rolle, und zu
Tanzgruppierungen im zweiten Bilde hatte Frl. Strengs¬
die Tonsprache des deutsch=italienischen Kom¬
der Lebensfreude Alt=Wiens tritt der Pessimismus in den
mann gut einstudiert, wie denn überhaupt beide Werke unter
esen so anspruchslosen Vorgang gewoben.
schärfsten Kontrast. Die Handlung spielt an Pierrettens
der umsichtigen Regie des Herrn Krähmer und der fein¬
dahin sprudelnde Ouvertüre darf als wohlge¬
Hochzeitstag. Alles ist zur frohen Feier vereint, nur sie fehlt.
fühligen musikalischen Leitung des Herrn Dr. Rotten¬
seiner feingeistigen Kunst, besonders bei dem
Heimlich hat sie sich im Brautkleid zu Pierrot, ihrem früheren
berg in anerkennenswerter, würdiger Weise herausgebracht
kgato gerühmt werden. Melodiöse, an älteren
Liebhaber, begeben, um mit ihm gemeinsam zu sterben. Er
wurden. Wie nach der Pantomime konnten auch nach dem
stern geschulte Ausdrucksweise geht im weite¬
ist dazu bereit, nimmt das Gift und stirbt. Sie jedoch verliert
Ferrarischen Intermezzo, das überhaupt den einhelligeren
Partitur eine entschieden sehr geschickte Ver¬
im entscheidenden Moment den Mut und eilt mit Zurück¬
Beifall erzielte, die Darsteller wiederholt vor der Rampeer¬
dem modern=dramatischen Stil ein. Das
lassung des Schleiers zum Hochzeitsfest ins Elternhaus.
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äßigen Dreiklang treffend ausgedrückte Ver¬
scheinen.
Der Bräutigam herrscht sie an, wo sie gewesen sei und
Grafen, die ebenso charakteristischen wie esprit¬
wo sie den Schleier gelassen habe. Da erscheint mitten im
eien des Orchesters in den Zankduetten, oder
Festestrubel Pierrots Geist mit dem Schleier. Er winkt ihr
nzitternde Rauchwölkchen in die Luft bläst,
zu und sie folgt mit dem Bräutigam abermals in die Woh¬
gezwungen, natürlich, als wenn es gar nicht
nung des toten Liebhabers. Nach einer durch ihre Gräßlich¬
te. Die an Mozartsche Melodik gemahnende
keit fast widerwärtig anmutenden gemeinschaftlichen Bankett¬
hvierkanzone, die sich gleichsam als Unschulds¬
szene mit der Leiche des Pierrot übt der Bräutigam grau¬
n durch das ganze Stück zieht und auch dem
same Rache an Pierrette. Er schließt sie mit dem Entseelten
Unterlage dient, bildet vielleicht den eingäng¬
zusammen ins Zimmer ein. Im Wahnsinn tanzt sie sich
in der ganzen Partitur. Nicht ohne Wärme
zu Tode.
ie klagende G moll=Arie der Gräfin gehalten,
Die Musik, die Dohnänyi zu dieser wortlosen Gespenster¬
nicht scheiden lassen will, ohne daß er ihr ein
Tragödie geschrieben hat, verrät den in allen Stücken mit
rt sage. In der Rauchszene Susannens Er¬
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