II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 135

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23. Der Schleier# pierrette
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Wien, I., Ooncordiaplats 4.
Vertretungen
in Bertin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chrtsttante.
Gent, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolta.
New-Vork, Paria, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
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Arsschmtt #ug#nusikalische Welt
Berlin
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zugepackten Liedern von Hlugo Wolt Freude berentete.
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Frankfurt a. M.] Im Opernhause wurden Novitäten serviert: „Susannens Ge¬
heimnis“ von Wolf Ferrari und „Der Schleier der
Mitte Novemb.
1 Pierette“ von Arthur Schnitzler, mit der Musik von
Ernst von Dohnanyi. Auch hier waren die Erfölge miit sehr stark. Schuld
daran mag der grausige, krasse Schluss sein und auch yor allem der Umstand,
dass das Publikum vor lauter Aufmerksamkeit die Handfung der Pantomime zu
entziffern, der Musik zu wenig achtet. Diese scheint mir nämlich bei weitem
der wertvollere Teil zu sein. Die Handlung von Schnitzler mag ja mit ihren
scharfen Kontrasten den Nerven genügend Erregungen bieten, das Ganze schmeckt
aber doch zu sehr nach Romanen in Lieferungen à 10 Pfennig. Dem Kompo¬
nisten aber bietet sie immerhin gute Handhabe, alle möglichen Effekte anzu¬
bringen. Davon hat Dohnányi reichlichen Gebrauch gemacht und hat es mit dem
Können eines reich begabten und viel bewanderten Musikers getan. Die Partitur
birgt in der Tat eine Unmenge feiner und feinster Züge, die man nur bei
grosser Aufmerksamkeit nicht überhört. Da ist es denn ein grosser Genuss,
nur den Klängen des Orchesters zu lauschen, das so scharf jede Stimmung, jnde
Bewegung auf der Bühne charakterisiert und die Handlung psychologisch aus¬
deutet. Diese erste dramatische Probe lässt Gutes vom Komponisten auf diesem
Gebiete erhoffen. Die Hälfte einer Oper hat er — es mag zu Studienzwecken
sehr praktisch gewesen sein — nun hinter sich, möge er uns nun bald mit einer
kompletten Oper erfreuen. Der flotte Walzer, der sich erlösend aus der Mord¬
Atmosphäre des ersten Bildes herauswindet, lässt ihn auch für leichtere Themen
geeignet erscheinen. Die tolle, verzerrte, verrückte Musik zu der Wahnsinns¬
szene, die den „Brautschleiertanz“ der Pierette begleitet, bewies, dass der
Komponist auch die Technik des Salome-Komponisten beherrscht. Die andere
Novität „Susannens Geheimnis“ ist anderen Städten auch kein Geheimnis
mehr. Hier wird die Eifersucht eines Ehegatten in’s Lächerliche gezogen, weil
sie grundlos ist. Es gibt einen drolligen Wutausbruch, der den Leuten aus¬
nehmend gut gefiel. Wenn Tische und Stühle entzwei geschlagen werden, amüsiert
sich das Publikum eben besser, als wenn Herzen gebrochen werden. Die artige
Musik von Wolf Ferrari begleitet das harmlose Stücklein diskret und unterhaltsam
vom Anfang bis zu Ende, und bleibt stets im Stil des Unaufdringlich-Liebens-
würdigen. Man kann ihr nicht böse sein, auch wenn man Kritiker ist.
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box 27/5
Telepnon 12.301.
„UBSEKVER
1. österr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitungs Ausschaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis,
Genl, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Ouelienangabe ohne Gewäh).
Ausschnitt aus:
Humorist, Wien
71. 1. 140

vom:
Frankfurter Theaterbrief.
17. November 1910.
Artur Schnitzler, der Verfasser der „Liebelei“, hat sich in
einen Skoff verrammt den er jetzt schon verschiedentlich für die
Bühne zu verwerten suchte. Zuerst machte er ein Drama daraus,
das den Titel „Der Schleier der Beatrice“ führte und in der
Renaissancezeit spielte. Es wurde bei Brahm in Berlin gegehen
fand aber nicht den gewünschten Beifall. Damals verlautete die
Kunde, daß Schnitzler eigentlich aus dem ihm ans Herz ge¬
wachsenen Sujet einen pantomimischen „Atelierscherz“ mit heiterem
Ausgang hätte machen wollen. Bei der Pantomime ist er alsdann
geblieben, nachdem es mit dem Drama nichts war. Sie bekam
jedoch keinen fröhlichen Abschluß, sondern im Gegenteil einen recht¬
krassen, einen, der fast Salomes wildes Gehabe mit dem Haupt
des Johannes noch übertrifft. Die Handlung des Werkes, das
nunmehr „Der Schleier der Pierette“ heißt, dürfte von den ber¬
liner Aufführungen des Dramas her noch bekannt sein.
Ernst v. Dohnänyi, der als Professor der Musik an der
berliner Hochschule wirkt, hat schon manches gute für den Konzert¬
saal geschrieben. Als Vertoner von Schnitzlers Pantomime tritt er
zum erstenmal als Bühnenkomponist vor die Oeffentlichkeit, u. zw.
mit unzweifelhaftem Erfolge. Besonders das Lyrische, der Ausdruck
des Gefühls und die glänzend instrumentierten Tanzweisen sind
Dohnänyi trefflich gelungen. Für den Schluß gebricht es ihm noch
an dramatischer Kraft. Es wurde dadurch Frl. Sellin, welche
die Pierette mit viel Geschick darstellte, die schwierige Aufgabe nicht
erleichtert. Brinkmann, Wirl und Hauck, sie alle gaben sich
Mühe, die durchaus nicht leichten Rollen sicher und gut durchzu¬
führen, so daß die Novität freundlichsten Beifall fand.
Schnitzlers Pantomime ging die graziöse Kleinigkeit von
Kalbeck, „Susannens Geheimnis“, mit der Musik von Wolf=Ferrari
voraus. Der Komponist hat den besseren Teil gewählt, denn die
kleine Handlung, die der Verfasser dem Französischen entlehnte,
wäre ohne die prickelnde Musik ein Nichts. Wolf=Ferrari aber hat
ie so schmuck herausgeputzt und schon in der Ouvertüre so viel
Schick entfaltet, daß das Publikum sofort in Stimmung kam, noch
bevor sich der Vorhang hob.
Herr Robert Hutt, vom düsseldorfer Stadttheater, setzt sein
Gastspiel hier fort. Warum der Künstler gerade als Faust heraus¬
gestellt wurde, ist schleierhaft. Es laufen bei uns so viele „Fäuste“.
herum, die — trotz mancher Vorzüge des Gastes — besser sind
als Herr Hutt, daß man sich das Experimentieren gerade mit
dieser Partie hätte sparen können.
Madame Cahier, von der wiener Hofoper, sang hier in
einem Konzert und errang mit ihrer wundervollen Altstimme
stürmischen Beifall.
Und nun zu den Schauspielhäusern. Im städtischen wurde,
auch als Novität, der Schwank von Kurt Kraatz „O diese Leut¬
nants“ aufgeführt und mit Beifall, der den Verfasser vor die
Rampe rief, ausgenommen. Ist man etwas in der Lustspielliteratur
bewandert, so drängt sich bei diesem Schwanke einem unwillkürlich
die Frage auf: wie viele Autoren eigentlich zu rusen gewesen
wären, denn in dem Werke des einen Kurt Kraatz feiern viele,
viele Schwankszenen entschwundener Tage und längst vergessene
Autoren fröhliche Auferstehung. Doch was tut's? Kraatz ist
ein famoser Bühnenkenner und sagt sich: greift nur hinein in den
Wust vergessener Lustspiele und was ihr packt, das macht dann
amüsant! Und auf amüsante, wirksame Szenen versteht er sich,
ebenso wie gutgeratenen, aber vergessenen Fiauren wieder auf die