II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 137

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23. Der Schleien der Pierrette
Telephen 12.301.
„OBSERVER
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Wien, I., Conoordiaplatz 4.
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In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chutsflanis,
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New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholen, St. Peters¬
burg, Toronto.
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Nichte Giulietta heiraten, die jedoch den musiker. Am meisten gefielen im ersten Aktiw
Studenten Lorenzo liebt. Bei einem Stelldich= das Duett zwischen Schüler und Meister mit ka
Stadttheater.
nachfolgendem Lachquartett, im zweiten der den
ein gestört, erklärt Lorenzo dem Niccolo auf die

Professor parodierende Lorenzo mit dem großen
Frage, was er in seinem Hause zu suchen habe,
Die Kunst zu lieben.
Schlußchor. Waschow als Professor hatte einen
ge¬
daß er — wie Almaviva im „Barbier“
besonders guten Tag, das Liebespaar sang Frau
kommen sei, um sein Schüler zu werden. Der
Musikalisches Lustspiel in zwei Akten,
Förster=Fröhlich und Hutt. Der anwefende
geschmeichelte Professor bringt ihm sogleich
Komponist konnte mehrere Male erscheinen,
Owids ars amandi bei, die der Schüler schnell
Text und Musik von Fritz Volbach.
einige Lorbeerkränze wurden ihm gereicht.
begreift. In der Nacht darauf bringt er seiner
(Uraufführung.)
Voran ging der Oper
Giulietta ein Ständchen, wird aber dabei vom
Professor gestört, der in höchster Wut die Nach¬
Der Komponist wurde am 17. Dezember 1861
Der Schleier der Pierrette.
barn zur Hilfe herbeiruft, um den Studenten
in Wipperfürth geboren, ging 1879 nach Köln,
zu verprügeln. Auf das „Burschen heraus!“
Pantomime in 3 Bildern von Arthor Schnitzler,
um dort musikalische Studien zu treiben, verließ
Lorenzos eilen die Studenten herbei. Es ent¬
es jedoch nach einem Semester wieder, da er
Musik von Ernst von Doh##
steht eine allgemeine Holzerei, die durch das
merkte, daß seine allgemeine Bildung noch nicht
Der grausig=pikante Inhalt ist folgender:
Dazwischentreten des Universitätspedells be¬
genügend war. Er ging nach Bruchsal und
Pierrot und Pierrette lieben einander, aber sie
endet wird. Lorenzo soll in den Karzer abge¬
besuchte dort bis 1882 das Gymnasium.
Im
soll den reichen Arlechino heiraten. Sie kommtg
führt werden, da erklärt er ganz harmlos, er
Herbst 1882 bezog er dann die Universität
noch im Brautkranz und Schleier in Pierrots
habe nur die Lehren der ars amandi befolgt, die
Heidelberg, wo er Kollegien bei Kuno Fischer
Wohnung und bringt Gift mit. Als sie denn
Niccolo ihm gegeben und wiederholt paro¬
hörte. Ostern 1883 ist er in Bonn, wo seine
Todestrank gemeinschaftlich an die Lippen setzen,
dierend dessen Privatissimum unter dem allge¬
ensten größeren Kompositionen aufgeführt wur¬
fehlt ihr der Mut, Pierrot trinkt allein und
meinen Gelächter der Nachbarn und Studenten.
ten. 1885 siedelte er nach Berlin über und
schlägt ihr sterbend das Glas aus der Hand. Sie
Da Niccolo weder sich selber, noch den Owid
wurde Schüler des alademischen Instituts für
flieht in das Haus ihrer Eltern, wo das Hoch¬
Lügen strafen mag, so segnet er den Liebesbund.
Kirchenmusik. Volbach hatte noch nicht sein ein¬
zeitsfest noch im Gange ist. Sie wird gefragt, wo
Das zum Teil in Versen, zum Teil in Prosa
jähriges Dienstjahr ganz beendet, als er Nach¬
sie war und wo sie ihren Brautschleier gelassen
geschriebene Textbuch erhebt sich nirgends über
folger seines inzwischen gestorbenen Lehrers
hat, da erscheint, nur ihr sichtbar, der tote Ge¬
die herkömmlichen Librettophrasen, die Er¬
Commer wurde. In dieser Stellung blieb er,
liebte mit dem Schleier und lockt sie nach sich.
findung ist ärmlich. Worte wie „Oh, er ist klug
bis er 1891 einem Rufe nach Mainz folgte, wo
So kommen sie in die Wohnung des Pierrots,
und weise“ hätte Volbach besser vermieden, da
er u. a. als Dirigent die Händel=Feste leitete.
wo noch alles unverändert ist. Arlechino durch= lé
dem Hörer zugleich die bekannten Töne aus
Hier entstanden auch seine erfolgreichsten Werke:
schaut den Betrug, setzt die Leiche aufs Sofa r#
„Zar und Zimmermann“ einfallen. Und der
Die sinfonischen Dichtungen „Ostern“ und
und seine Braut daneben, dann verläßt er das
ehemalige Bonner#und Heidelberger Student
„Es waren zwei Königskinder“ der Balladen¬
Zimmer, beide einschließend. Sie fürchtet sich,
hätte doch wohl noch ein anderes Studentenlied
zyklus für Soli, Chor und Orchester, „Vom
mit der Leiche allein zu bleiben und sucht ver¬
fertig bringen können, als das so ganz und gar
Pagen und der Königstochter“, „Raphael“ für
unstudentische „Am hellen Tage — Sonnenlicht=zweifelt einen Ausweg. Da ein Entrinnen un¬
Chor und Orchester, die Ouvertüre „Alt=Heidel¬
strahlen — wecken im Herzen uns — Liebe und möglich ist, steigert sich ihre Todesangst bis zum
berg. du Feine“, die H=Moll=Sinfonie. Auch als
Wahnsinn, sie beginnt einen rasenden Tanz, bis
Lust. — Zünden der Liebe — leuchtende Fackel —
Musikschriftsteller genießt Volbach den besten
ein Herzschlag ihrem Leben ein Ende macht.
führen zum Liebchen — sicher den Weg usw.!“
Ruf. Er hat eine Händel=Viographie geschrieben,
Es wäre sehr zu wünschen, wenn dieses
Scheffel würde sich im Grabe herumdrehen!
ein hochgeistreiches Werk: Die Zeit des Klas¬
Genre hier mehr kultiviert würde: kann man
Volbachs Musik zeigt einen Komponisten von
sizismus: Beethoven; die Entwicklung der
es doch als eine Veredelung des Balletts auf¬
gediegenem musikalischem Wissen und vollendeter
Musik im 19. Jahrhundert, das moderne
fassen. Auch die anmutigsten Bewegungen wir¬
Beherrschung der orchestralen Technik, zudem
Orchester in seiner Entwicklung und viele
ken, von vielen zu gleicher Zeit ausgeführt und an
hat er Geschmack genug, sich von Nachahmungen
andere Bücher und Aufsätze für alle möglichen
zu lang ausgedehnt, monoton; und jeder den¬
freizuhalten. Jedoch erdrückt seine kom¬
Zeitschriften. Volbach ist auch ein hervorragen¬
kende Zuschauer ist sicher froh, wenn an die 2
plizierte polyphone Musik, die den Singstimmen
der Orgelspieler. 1907 wurde Volbach als
re
Stelle der geist= und sinnlosen „Hopferei“ eine
akademischer Musikdirektor mit dem Range eines
gegenüber viel zu selbstherrlich auftritt, fast den
Pantomime mit Inhalt und Charakterdar¬
harmlos heiteren Stoff, der nach ausge¬
Professors nach Tübingen berufen. Den Doktor¬
stellung tritt. Wir haben in dieser Art in
sprochenen liedartigen Melodien geradezu
grad hatte er sich 1899 in Bonn erworben. Die
Düsseldorf bisher nur „Der verlorene Sohn“
„Kunst zu lieben“ ist das erste dramatische Werk,schreit. Aber Lieder sind nun einmal (bei den
das Volbach verfaßt hat. Den Text dazu hat er! Komponisten) nicht mehr modern, und so läßt mit der Musik von Wormser kennen gelernt,

damit zugleich aber auch eins der originellsten
sich auch hier Volbach die schöne Gelegenheit ent¬
sich selbst geschrieben. Als Muster dazu hat er
di
und besten Stücke dieser Art. Freilich war das
gehen, solche dem Publikum vorzusetzen, ob¬
sich das Textbuch zum „Barbier von Sevilla“
Werk für Kabarettaufführungen und die Musik
gleich dieses danach lechzt. Daß er es kann,
genommen, nur daß hier die Handlung um
nur für Klavier geschrieben. Der Schleier der
wenn er will, hat erja bewiesen. Personen und
1550 in Bologna spielt. Der bejahrte, und wie
der Bürgermeister von Sardam aufgeblasene Situationen sind markant charakterisiert, davonPierrette ist dagegen eine sinfonische Dichtung und
und eitle Professor Niccolo will durchaus feine hat aber das Publikum weniger als der Fach=larbeitet mit vollem Orchester. Wir habenhier nicht,
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