II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 144

Swgenmenfür zortunge-Kurrennet
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Gent, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisce, Stockholm, St. Petess¬
burg, Toronte.
(Quelienangabe ahne dew##1.
Ausschnltt algerliner Börsen Zeitung, Berlin
1 11 1910 Morgenausgabe
vem:
Die Uraufführung der zweiakligen Oper
„Die Kunst zu lieben“, Text und Musik von
Volbach, fand vorgestern im Düsseldorfer Stadt¬
theater statt. Es ist das erste dramatische Werk
des bekannten Tonkünstlers, der sich den Text nach
einer Idee des Fiorentino selbst geschrieben hat. Die
Handlung spielt in Bologna um 1550. Der bejahrte
und vor Gelehrtendünkel aufgeblasene Universitäts¬
professor Niccolo will durchaus seine Nichte Ginlietta
heiraten, die jedoch den Studenten Lorenzo liebt.
Bei einem Stelldichein gestört erklärt Lorenzo dem
Niccolo auf die Frage, was er in seinem Hause
zu suchen habe, daß er — wie Almaviva im Bar¬
bier — gekommen sei, um sein Schüler zu werden.
Der geschmeichelte Professor bringt ihm sogleich
Ovids „Kunst zu lieben“ bei, die der Schüler schnell
begreift. In der Nacht darauf bringt er seiner Ge¬
liebten ein Ständchen, wird aber dabei vom Professor
ertappt, der die Nachbarn zur Hülfe herbeiruft,
um den Studenten zu verprügeln. Auf das
„Burschen heraus!“ Lorenzos eilen die Studenten
herbei. Es entsteht eine allgemeine Holzerei,
die durch das Dazwischentreten des Universitäts¬
pedells beendet wird. Lorenzo soll in den
Karzer abgeführt werden, da erklärt er ganz harmlos,
er habe nur die Lehren der ars amandi befolgt, die
Niccolo selbst ihm gegeben, und wiederholt parodierend
dessen Privatissimum unter dem allgemeinen Gelächter
der Nachbaren und Studenten. Da Niccolo weder
sich selber noch den Ovid Lügen strafen mag, so
Das zum Teil in
segnet er den Liebesbund. —
Versen, zum Teil in Prosa geschriebene Texibuch
erhebt sich uirgends über die herkömmlichen
Librettophrasen, bei den Studentenliedern würde
sich Scheffel im Grabe umdrehen. Volbachs Musik.
zeigt einen Komponisten von gediegenem musikalischen
Wissen und vollendeter Beherrschung der orchestralen
Technik, zudem hat er Geschmack genug, sich von An¬
lehnungen frei zu halten. Jedoch erdrückt seine kom¬
plizierte polyphone Musik, die den Singstimmen
gegenüber viel zu selbstherrlich auftritt, fast den
harmlos heiteren Stoff, der nach liedartigen Melo¬
dien geradezu schreit. Aber Lieder sind nun einmal
bei den Komponisten nicht mehr modern. Personen
und Sitnationen sind markant charakterisiert, davon
hat aber das Publikum weniger als der Fachmusiker,
Waschow, Hutt und Frau Förster in den Hauptrollen
halfen dem Werkchen zu einem hübschen Erfolge; den
anwesende Komponist wurde wiederholt gerufen.
Voran ging der Oper die dreiteilige Pantomime
„Der Schleier der Pierette“ von Artur
Schnitzleusik von Ernst von Dohnanyi. Pierrot
rare lieben einander, sie soll aber den reichen
Arlequino heiraten. Sie kommt im Brautschmuck in die
Wohnung des Geliebten, der sich schon verlassen glaubt,
und schlägt ihm vor, durch Gist zu sterben. Während
er das Gift trinkt, schreckt sie im letzten Augenblick
zurück; er stirbt und sie begibt sich wieder ins Eltern¬
haus, wo das Hochzeitsfest noch im Gang ist. Hier
will sie sich durch Tanz betäuben, aber immer wieder
ersgkeint ihr der tote Geliebte. Von magischer Ge¬
malt angezögen folgt sie ihm, ihr nach Arlequino.
Zo kommen sie in Pierrots Wohnung. Hier schließt
sie der betrogene Arlequino ein, die Todesangst
macht sie wahnsinnig und sie endet durch Herzschlag
nach einem rasenden Tanze. Zu dieser Handlung hat der
berühmte Pianist eine phantastische geniale Musik ge¬
schrieben, die man fast als eine sinsonische Dichtung
bezeichnen kann. Vor allem sind packende Rhythmen
und originelle Harmonien zu rühmen; namentlich ist
in dieser Hinsicht eine Schnellpolka auf den von
Arlequino in der Wut beschädigten Instrumenten
bemerkenswert. Das erste Zwischenspiel enthält einen
Wiener Walzer voll lärmender Lebensfreude, der
wohl die Runde durch alle großen Bälle dieser
das zweite schildert
Saison machen wird:
sinsonisch den tobenden Aufruhr der Gesühle.
Außerdem enthält das Werk noch mehrere
entzückende Walzer, ein zierliches Mennett und
eine Liebesmusik von hoher sinnlicher Klang¬
schönheit. Martha Esche, Barré und Zawilowski
taten sich in den Hauptrollen hervor. Das Werk
hatte einen großen und wahrscheinlich nachhaltigen
Erfolg; Kapellmeister Fröhlich wurde wiederholt ge¬
rusen.

N ER PEE