II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 214

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23. Der Schleiender Bierrette
S
Die 61. Fortsetzung des Romans „Tragödien der
dem Widerspruch zwischen der unverhältnismäßigen treulose Weib geklammert
Zeit“ von Richard Voß befindet sich auf Seite 19.
äußeren Geltung und verborgenen Menschlichkeiten
läßt die geistreiche, dabei
das Lächerliche hervor. Er schleicht dem Vergötterten
Carusos erkennen. Die (
hinter die Coulissen nach und freut sich jedes Ge¬
Darsteller gleich hier zu
Feuilleton.
trätsches, zu dem Inpresario=Geschäftigkeit den Anstoß
Herz ausschütten, ist gan
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gibt. Und nun ereignet sich das Merkwürdige: der Be¬
steht da vor seinem Pi
Hofoperntheater.
lächelte erscheint und zwingt dem Hörer allen nötigen
Gratisvorstellung, gleichsa
„Der Schleier der Pierrette.“ Pantomime
(Caruso in „Bajazzo“
Idealismus auf. Denn — wir haben es schon einmal
ments, das es abends zu
von Artur S#####lek. Musik von Ernst v. Dohnanyi.)
gesagt — dieser Star ist gar keiner nur ein echter, mit
daß er diesen Tölpeln,
Wir lieben die gespenstischen Konzerte des Grammo¬
den echtesten Mitteln wirkender Künstler.
phons nicht, die das häusliche Musikleben der Mechanik
Caruso gab bereits in Wien Verdis trällernden Don
Typus des Mimen spielen
überliefern, aber wir lieben die Caruso=Platte. Hier voll¬
Juan von Mantua, erschien in der stilisierten Heldenpose des
fühlt, seine Angelegenheit
zieht sich ein Wunder. Bei dieser begnadeten Stimme wird
Rhadames und war der realistisch gefärbte Dachkammer¬
selbstgefälligen Possen
die Photographie zum künstlerischen Bilde. Ihr konnte
poct der „Bohème“. Hier namentlich enthüllte sich der
spielt er auch hier nur K
die Maschine nichts anhaben, unversehrt, unverzerrt be¬
singende Darsteller, der mehr ist als der glückliche Besitzer
Wirklichkeit und Schein
hält sie ihre lebendige Schönheit im Sarge, ohne Ein¬
eines herrlichen Organs, mehr als der vornehme Meister
der Feinheit unmerklicher
buße an ihrer Wärme, an ihrer Seele. Jedesmal aber regt
des bel canto: ein Künstler der tieferen, zu Geist und
heit, mit der auch der S#
sich die Sehnsucht nach dem singenden und darstellenden
Empfindung sprechenden Wirkungen. Auf der Linie des
leitet. ... Nicht minder m
Menschen, der zu dieser Stimme gehört. Caruso ist heute
Rodolfo bewegt sich auch Carusos Canio. Er singt und
auf der Hanswurstbühne.
einer der wenigen Sänger, vielleicht der einzige, auf den
spielt Leoncavallos sentimentalem Hanswurst die Schminke
Dämmerungszuständen,
wir uns mit festlichen Gefühlen freuen. In diesem Be¬
vom Gesicht, holt wisklich den Menschen hervor, der, wie
Affektes sind. Ein krampfha
kenntnis, das sich von Ueberschwang frei weiß, soll die
des Dichterkomponisten Melodramatik so beflissen versichert,
lich ergreifendes Lächeln ke
Würdigung eines Phänomens liegen, wie es im Bereiche
auch im Bajazzo steckt. Das bloß „Veristische“ wird zum
Die Glieder sind wie aus
des, Bühnengesanges allezeit zu den Seltenheiten gehört
Lebenswahren erhöht; keine dick tropfenden Theater¬
verliere, sich in den
hätte, derzeit aber ganz vereinzelt dasteht. Interessant die
tränen, ein naives Sichausweinen; kein pathetisches
Bajazzoärmeln, und wenn
Psychologie der Mitwelt in ihrem Verhalten zu diesem
Schwingen des Theaterdolches, das Sichselbstverlieren der
einer Spielgeste hebt, erge
Außerordentlichen. Mit der romantischen Schwärmerei,
Verzweiflung. Carusos Tenor gehört nicht zu den
posen. Caruso hat die spa
die sich ehemals an Sternen solcher Art entzündete, ist es
stählernen, und es läßt sich nicht ermessen, wie weit die
deutsame Gebärde, die beher
vorbei, wie mit einer Mode von vorgestern. Der Star ist
Strapazen der Weltberühmtheit seine Widerstandsfähigkeit
Einfall, nicht zuletzt das
unseren Tagen ein Genußobjekt, von dem mit einer
gefährden. Auch mag er mit seinem süßen, überwiegend
großen Schauspielers. Und
Art innerer Auflehnung Gebrauch gemacht wird. Man
lyrischen, seelenvollen Timbre zuweilen — wie an diesem
die Es-dur-Kantilene
ballt, wenn auch lächelnd, die Faust in den Taschen, die
letzten Abend — selber einigen Widerstand leisten gegen
Charakteristik enthaltenden
man sich leeren läßt, und sucht die Genugtuungen
die ihm zugemuteten dramatischen Ueberspannungen.
Augenblickes der Wehmut
Ironie. Der Nivellierungstrieb meldet sich und setzt sich
Wie überwältigend klingt gleichwohl, aus dieser
an Gesang sonst nicht vie
zur Wehre. Dieser Trieb kommt im Gerücht zum Aus¬
Kehle und aus dieser Seele strömend, die bis zum Ueber¬
leidenschaftliche Ausrufe. I
druck, wie der Wunsch im Traume. Diese Stimme, die
druß abgeschluchzte Bajazzo=Arie, halb rührender Klage¬
der Noten nachrechnet, hat
die Welt unterjocht, ist ja doch nur ein gebrechlich Ding,
sang, halb leidenschaftlicher Schmerzensausbruch! Unend¬
spendet.
ein vergängliches. Und so heißt es in bunter Folge:
liche Bitterkeit wird auf das Wort „Pagliaccio“ gehäuft,
Caruso verliert die Stimme, Caruso muß sich einer
Auch schon vor den
Operation unterziehen, Caruso wird nicht lange mehr ein Aufschrei aus einem elenden Komidiantendasein
singen können. Odie der Ausgleichungstrieb holt aus heraus, in dem sich der arme Teufel an das geliebte zu sterben. Schnitzlers




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