23. Der Schieiender-Pierrette
Plepbes M 991.
„UDSERTER
1 Seterr. behördl. konz. Unternehmen für Zoltuage-Ausschaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianin,
Genk, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, Bt. Peters¬
burg, Torosto.
(Oeeßienangabe ehne deudünf.
Aussehnltt aue:
1 Bor De,
OKTADEN 1911
9000 —
SE
Im Hofoperntheater gab es zwei Ereignisse,
ein sehr angenehmes, das Carusogastspiel und
ein ziemlich unangenehmes, das Ballett „Der
Schleier der Pierrette“. Was ist dem geistvollen
Arthur Schnitzleneingefallen, als er diesen
abstoßenden Stoff — ein Ehepaar soupiert in
Gegenwart der Leiche des Hausfreundes — zu
einem Ballett gestaltete?
Muß denn immer in seinen Novellen und
Dramen gestorben werden? Und wenn schon, 80
lasse er die Toten ruh'n und nicht auf die Bühne
schleppen. Die Musik, welche Dohnanyi dazu)
gemacht hat, ist ebenfalls tot.
Telephon 12.801.
„OBSERVER
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
Now-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Qnellenangabe ohne Gewähr.:
Ausschnitt aus:
vom; Oklobt!
—
WiheR Cicgruren
Die Hofoper hat zu Carusos Galtspiel ein
Balleit zugegeben, welches „der Schleierder
Pierrette“ heißt und keinen Geringeren
als Arthur Schnitzler zum Autor hat.
Leider war der dülfere Stoff für die
heitere Ballettkunft nicht geeignet und
so wurde auch die intereflante Mufik von
Dohnanyi mit in den Abgrund gerillen.]
box 28/1
g1der Humorist, Wien
—
Theater und Kunst.
(Hofoper.) Aus Arthur Schnitzlers vor mehr als zehn
Jahren gedichtetem Schauspiel „Del Schleier der Veatrice“ diesen
fünf Akten voll von lebendigen Vorgängen und Gedanken, im
farbenprächtigen Nahmen der italienischen Renaissance des XVI. Jahr¬
hunderts eine Pantomime zu gewinnen, war ein eigenartiger Ein¬
fall. Der Dichter selbst durfte es unternehmen und setzte seine
ganze Meiterschaft daran. Er hob ein Hauptthema heraus und
formte daraus den „Schleier der Pierene“, welches trotz modernster
Formung den Grundtypus aller Harlekiniaden aufweist: Pierette,
die einen reichen, ihr verhaßten Freier heiraten soll, aber einen
armen Liebhaber begünstigt. Wie sie vom Hochzeitsfeste zum
Geliebten eilt, um mit ihm zu sterben, schließlich aber doch nicht
den Mut findet und von dem toten Pierrot wieder zum Feste
zurückkehrt, wie ihr während des Tanzes in fürchterlichen Visionen
der verratene Liebste erscheint, wie Harlekin sie in das Zimmer
des Toten führt, wo sie ihren Brautschleier vergessen, sie dort ein¬
schließt, bis sie in Wahnsinn verfällt und nach wildem Tanze an
der Leiche tot niedersinkt, das alles ergibt Bilder kraffester Dra¬
matik, welche, trotz aller Schönheit, so ungewohnt im Rahmen
einer Pantomime im Opernhause anmuten, daß nur ein geteiltes
Interesse des Publikums sich einstellen konnte. Der Versuch mit
rein mimischen Elementen und der Musik die bisherige Kunstform
der Pantomime auf ein höheres Niveau zu heben ist also diesmal
mißlungen, sei aber dennoch anerkannt, weil ervon zwei bewährten, geist¬
vollen Künstlern gewagt worden. Die Musik ist von Ernst v. Doh¬
nany, dem hochgeschätzten Klaviervirtnosen und ausgezeichneten
Musiker. Dem Irrtum, daß jeder glänzende Musiker auch ein
Komponist sein müsse, begegnet man heute immer häufiger, damit
auch Kompositionen, welche tadellose Formen zeigen, sicherste
Beheerschung aller Technik und eine große Häusung von Aus¬
drucksmitteln aufweisen, aber arm an wirklichem musikalischen Gehalt
sind. Es fehlt eben die eigentliche schöpferische Begabung. So
auch bei Dohnany. Seine Musik bedient sich der vornehmsten
Mittel, arbeitet mit Leitmotiven und trifft ja manche Stimmungen
mit seinem Gefühl, es fehlt ihr aber, besonders in den großen
dramatischen Momenten, wo sie mitreißen sollte, die richtige Energie,
die Kraft des Einfalles. Richard Wagner, Nichard und Johann
Strauß werden angerufen, ein artiger Walzer, ein steifes Menuett¬
chen angestimmt, alles vergebens, man bleibt unbefriedigt, wird
nicht gepackt, nicht erwärmt. Für die Wiedergabe der Pantomime
wurde viel Mühe aufgewendet. Leider ließ die fortwährende,
übertriebene Dunkelheit dei Bühne das meiste nur ahnen. Fräulein
Jamrich und Herr Godlewski zeichneten sich durch ein¬
dringliche Mimik besonders aus.
Carnso ist wieder erschienen und hat, mehr noch als in
den früheren Jahren, unbegrenzte Begeisierung entfesselt. Dieser
eigenartige, einziggroße Künstler wirkt im Ganzen derart über¬
wältigend, daß Einzelnheiten, wie z. B. die weniger gute Dispo¬
sition als „Bajazzo“ gar nicht ins Gewicht fallen. Nach seinem
bekannten Herzog in „Nigoletto“ sang er den José in „Carmen“.
und erzielte damit, namentlich darstellerisch, den größten Eindruck.
Mit seltener Kühnheit ließ er sein loderndes Temperament durch¬
gehen, schrankenlos seine herrliche Stimme das Toben eines ent¬
fesselten Menschenherzens ausdrücken und erzielte besonders in
den beiden letzten Akten Momente von unheimlicher, noch nie
gesehener Wirkung. Den eigentlichen Carnso, den gottbegnadeten
Sänger, der mit unbeschreiblich schönen Stimmitteln auch die er¬
lesenste Kunst des Gesanges verbindet, hörte man aber eigentlich
nur in der bekannten Des=dur=Arie, welche er so unvergleichlich
schön sang, daß er sie — was sonst nie vorgekommen — wieder¬
holen mußte. Solcher Gesang steht heute sehr vereinzelt und
erweckt in uns den Wunsch, Caruso in ausgesprochenen Gesangs¬
partien, etwa in der „Favoritin“, „Lucia“ oder als Naoul, Romeo,
auch Lyonel, zu hören. Dabei wäre auch Hoffnung, diese schönste
aller heutigen Menschenstimmen länger zu erhalten, während sie
unter den Mißhandlungen und Vergewaltigungen durch veristischen
Sprechgesang zu Grunde gehen muß. Vorläufig noch vorüber¬
gehende Spuren von Abnützung sind schon heute zu merken.
Neben Carusos gewaltiger Kunst errang sich die Carmen unserer
Gutheil=Schoder ungeseilte Bewunderung. Es war prächtig, wie
diese beiden kongenialen Künstlernaturen sich ergänzten, mit immer
steigender Gint den Höhepunkten des Dramas zustürmten. V. 8.—
Plepbes M 991.
„UDSERTER
1 Seterr. behördl. konz. Unternehmen für Zoltuage-Ausschaltte
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianin,
Genk, Kopenhagen, London, Madrid, Malland, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, Bt. Peters¬
burg, Torosto.
(Oeeßienangabe ehne deudünf.
Aussehnltt aue:
1 Bor De,
OKTADEN 1911
9000 —
SE
Im Hofoperntheater gab es zwei Ereignisse,
ein sehr angenehmes, das Carusogastspiel und
ein ziemlich unangenehmes, das Ballett „Der
Schleier der Pierrette“. Was ist dem geistvollen
Arthur Schnitzleneingefallen, als er diesen
abstoßenden Stoff — ein Ehepaar soupiert in
Gegenwart der Leiche des Hausfreundes — zu
einem Ballett gestaltete?
Muß denn immer in seinen Novellen und
Dramen gestorben werden? Und wenn schon, 80
lasse er die Toten ruh'n und nicht auf die Bühne
schleppen. Die Musik, welche Dohnanyi dazu)
gemacht hat, ist ebenfalls tot.
Telephon 12.801.
„OBSERVER
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
Now-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Qnellenangabe ohne Gewähr.:
Ausschnitt aus:
vom; Oklobt!
—
WiheR Cicgruren
Die Hofoper hat zu Carusos Galtspiel ein
Balleit zugegeben, welches „der Schleierder
Pierrette“ heißt und keinen Geringeren
als Arthur Schnitzler zum Autor hat.
Leider war der dülfere Stoff für die
heitere Ballettkunft nicht geeignet und
so wurde auch die intereflante Mufik von
Dohnanyi mit in den Abgrund gerillen.]
box 28/1
g1der Humorist, Wien
—
Theater und Kunst.
(Hofoper.) Aus Arthur Schnitzlers vor mehr als zehn
Jahren gedichtetem Schauspiel „Del Schleier der Veatrice“ diesen
fünf Akten voll von lebendigen Vorgängen und Gedanken, im
farbenprächtigen Nahmen der italienischen Renaissance des XVI. Jahr¬
hunderts eine Pantomime zu gewinnen, war ein eigenartiger Ein¬
fall. Der Dichter selbst durfte es unternehmen und setzte seine
ganze Meiterschaft daran. Er hob ein Hauptthema heraus und
formte daraus den „Schleier der Pierene“, welches trotz modernster
Formung den Grundtypus aller Harlekiniaden aufweist: Pierette,
die einen reichen, ihr verhaßten Freier heiraten soll, aber einen
armen Liebhaber begünstigt. Wie sie vom Hochzeitsfeste zum
Geliebten eilt, um mit ihm zu sterben, schließlich aber doch nicht
den Mut findet und von dem toten Pierrot wieder zum Feste
zurückkehrt, wie ihr während des Tanzes in fürchterlichen Visionen
der verratene Liebste erscheint, wie Harlekin sie in das Zimmer
des Toten führt, wo sie ihren Brautschleier vergessen, sie dort ein¬
schließt, bis sie in Wahnsinn verfällt und nach wildem Tanze an
der Leiche tot niedersinkt, das alles ergibt Bilder kraffester Dra¬
matik, welche, trotz aller Schönheit, so ungewohnt im Rahmen
einer Pantomime im Opernhause anmuten, daß nur ein geteiltes
Interesse des Publikums sich einstellen konnte. Der Versuch mit
rein mimischen Elementen und der Musik die bisherige Kunstform
der Pantomime auf ein höheres Niveau zu heben ist also diesmal
mißlungen, sei aber dennoch anerkannt, weil ervon zwei bewährten, geist¬
vollen Künstlern gewagt worden. Die Musik ist von Ernst v. Doh¬
nany, dem hochgeschätzten Klaviervirtnosen und ausgezeichneten
Musiker. Dem Irrtum, daß jeder glänzende Musiker auch ein
Komponist sein müsse, begegnet man heute immer häufiger, damit
auch Kompositionen, welche tadellose Formen zeigen, sicherste
Beheerschung aller Technik und eine große Häusung von Aus¬
drucksmitteln aufweisen, aber arm an wirklichem musikalischen Gehalt
sind. Es fehlt eben die eigentliche schöpferische Begabung. So
auch bei Dohnany. Seine Musik bedient sich der vornehmsten
Mittel, arbeitet mit Leitmotiven und trifft ja manche Stimmungen
mit seinem Gefühl, es fehlt ihr aber, besonders in den großen
dramatischen Momenten, wo sie mitreißen sollte, die richtige Energie,
die Kraft des Einfalles. Richard Wagner, Nichard und Johann
Strauß werden angerufen, ein artiger Walzer, ein steifes Menuett¬
chen angestimmt, alles vergebens, man bleibt unbefriedigt, wird
nicht gepackt, nicht erwärmt. Für die Wiedergabe der Pantomime
wurde viel Mühe aufgewendet. Leider ließ die fortwährende,
übertriebene Dunkelheit dei Bühne das meiste nur ahnen. Fräulein
Jamrich und Herr Godlewski zeichneten sich durch ein¬
dringliche Mimik besonders aus.
Carnso ist wieder erschienen und hat, mehr noch als in
den früheren Jahren, unbegrenzte Begeisierung entfesselt. Dieser
eigenartige, einziggroße Künstler wirkt im Ganzen derart über¬
wältigend, daß Einzelnheiten, wie z. B. die weniger gute Dispo¬
sition als „Bajazzo“ gar nicht ins Gewicht fallen. Nach seinem
bekannten Herzog in „Nigoletto“ sang er den José in „Carmen“.
und erzielte damit, namentlich darstellerisch, den größten Eindruck.
Mit seltener Kühnheit ließ er sein loderndes Temperament durch¬
gehen, schrankenlos seine herrliche Stimme das Toben eines ent¬
fesselten Menschenherzens ausdrücken und erzielte besonders in
den beiden letzten Akten Momente von unheimlicher, noch nie
gesehener Wirkung. Den eigentlichen Carnso, den gottbegnadeten
Sänger, der mit unbeschreiblich schönen Stimmitteln auch die er¬
lesenste Kunst des Gesanges verbindet, hörte man aber eigentlich
nur in der bekannten Des=dur=Arie, welche er so unvergleichlich
schön sang, daß er sie — was sonst nie vorgekommen — wieder¬
holen mußte. Solcher Gesang steht heute sehr vereinzelt und
erweckt in uns den Wunsch, Caruso in ausgesprochenen Gesangs¬
partien, etwa in der „Favoritin“, „Lucia“ oder als Naoul, Romeo,
auch Lyonel, zu hören. Dabei wäre auch Hoffnung, diese schönste
aller heutigen Menschenstimmen länger zu erhalten, während sie
unter den Mißhandlungen und Vergewaltigungen durch veristischen
Sprechgesang zu Grunde gehen muß. Vorläufig noch vorüber¬
gehende Spuren von Abnützung sind schon heute zu merken.
Neben Carusos gewaltiger Kunst errang sich die Carmen unserer
Gutheil=Schoder ungeseilte Bewunderung. Es war prächtig, wie
diese beiden kongenialen Künstlernaturen sich ergänzten, mit immer
steigender Gint den Höhepunkten des Dramas zustürmten. V. 8.—