II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 241


box 28/1
23. Der Schleiender-Pierrette
### 111
— ————
heit 25 1h4#

SARRN
Rundschau.

S
O
AA
Theater.
Hofoper.
Grauenhaften. Seine Spiele von Liebe und Tod,
in den Dramen und Novellen oft zu höchster
Der Schleier der Pierrette.
Anmut verklärt, oft
wie im „Tapferen
Wenige Werke der letzteren Zeit, denen man
Cassian“ und im „Großen Wurstel“
zum
mit so froher und herzlicher Erwartung ent¬
tiefsinnig Grotesken gewendet, verirren sich
gegensah wie dieser Pantomime, zu der sich
dann manchmal ins bloß Spielerische mit dem
Arthur Schniteler und Einst von Doh¬
Gräßlichen, ins Willkürliche, ja ins Brutale;
nanyikünstlerisch vereinigt hatten. Schnitaler,
aber nicht ins Brutale der überschäumenden
der zärtliche, versonnene, anmutsvoll melancho¬
Kraft, des Urmenschentums — wie in den
lische Dichter aller Kostbarkeiten der Wiener
Greueln des „König Cear“ — sondern in das
Seeie, ihrer lässigen Eleganz, ihrer leichtsinnigen,
der Angst und Schwäche. Nirgends schlimmer als
ein wenig schwermütigen Verliebtheit, unter
in diesem von Schalk etwas „beiläufig“ diri¬
deren schmeichelnder Sorglosigkeit immer eine
gierten, von Wymétal recht konventionell
seltsame Unterströmung zu fühlen ist, ein
inszenierten, von Godlewski, Erich und
kosendes und mahnendes Flüstern von Liebes¬
Fräulein
Tamrich
glänzend gespielten
und Todesstimmen, Klänge heiterer Tanzmusik,
„Schleier der Pierrette“, der etwas grinsend
die doch von der Fiedel Freund Heins zu tönen
Skeletthaftes an sich hat — und auch ein Skelett
scheint — und Dohnanyi, der rhpthmisch be¬
ist: das der übervollen, in dichterischem Reich¬
wegte, mit feiner Sorgfalt gestaltende, niemals
tum überfließenden und nur durch diesen Reich¬
aufrührerische und seelisch beschenkende, immer
tum an voller Theaterwirkung gehinderten
aber geistreich und wählerisch fesselnde Musiker:
Renaissancetragödie Schnitzlers vom „Schleier
ein Bündnis, von dem man — und gar in der
der Beatrice“. Unbegreiflich, daß er imstande
edlen, viel zu wenig gepflegten und noch zu
war, geliebte Gestalten, wie die wundervolle
tausend Möglichkeiten bereiten Abart der Pan¬
des Dichters Filippo Loschi und die herrlich
tomime — einen entzückenden Reigen erwarten
königliche, stolz geistige des Herzogs Benti¬
durfte: Altwiener Stimmung, lächeinde, schöne
voglio zu den dürftigen, nichtssagenden und
Frauen, galante Jünglinge, eine bestrickende
gleichgiltigen dieses Pierrot und dieses Arlechino
Atmosphäre von Sinnlichkeit und nonchalanter
einschrumpfen zu lassen; daß er nicht fühlte,
Sentimentalität, ein freudvolles, leidvolles und
wie diese Vorgänge an sich, der sondersamen,
gedankenvolles Spiel, unter dessen Oberfläche
eigenwilligen und bestrickend subtilen Psy¬
doch träumerische Zusammenhänge mit dem
chologie beraubt, nur kraß, fremdartig und grell
Sinn des Daseinszu spüren sind. — und das alles
wirken müssen und daß sie bestenfalls den Ein¬
von anschmiegsamen, deutungsreichen, zu be¬
druck eines schauerlichen, phantastischen Schatten¬
ziehungsvollen Maskenzügen gefügten Tönen
spiels machen können; daß es seinem empfind¬
geschaukelt.
lichen Gefühl entgehen konnte, wie widerwärtig
Es ist leider anders gekommen. Zwur: Alt¬
dieser Schlußakt wirkt, in dem eine Leiche herum¬
wiener Stimmung ist da, aber die eines grellen
geserrt und als stiller Zuseher zu Gelage und
Altwiener Totentanzes. Man kennt diese oft
Tanz mißbraucht wird — wie unmöglich eine
absonderlichen Stunden bei Schniteler, in denen
reine Wirkung solcher Szenen ist, deren innere
sein beschaulicher Geist plötzlich ins Rätselhafte,
Notwendigkeit nirgends fühlbar ist, zu denen
Schauerliche, ja Blutrünstige flüchtet, in denen
Keiner innerliche Beziehung finden kann und
er sich in „Dämmerseelen“ versenkt, in die
deren Gewolltes auch die Möglichkeit des künst¬
dunklen, blutigen Tiefen von geheimnisvollen
lerischen Symbolisierens verwehrt. Dieser dritte
Taten, von Mord und Schändung taucht, mit
Akt ist eine Verirrung, die durch den Musiker
einer fast gespenstigen Lust am unerklärlich
noch deutlicher offenbar worden ist. Tlirgends
——
1033 —