box 28/1
6
23. Der Schleiender Bierrette
erhält ihren Geliebten und auch die Tante bekommt den ungetreuen dem Wasser. Sie schwimmen nicht, besitzen weder Boote noch
Liebhaber von früher wieder. Was Dohnänyi an diesem Textbuch! Canoes, und selbst der Fischfang ist ihnen so gut wie unbekannt. Si¬
gereizt hat, weiß man nicht. Jedenfalls zeigte es sich, daß auch er ernähren sich durch die Jagd, die sie mit Hilfe vergifteter Pfeile hé¬
— ebensowenig wie vielleicht größere — nichts damit anzufangen treiben.
gewußt hat. Hin und wieder ein netter Einfall, aber das ist alles.
Die Darstellung war rein konventionell, und sie vermochte auch
schon darum nicht zu interessieren, weil die Rollen nicht gerade durch
die besten Kräfte vertreten waren. Einzig Donna Simona selbst
(Louise Marck) fiel durch ihren angenehmen Gesang auf.
Mizzi Fink die wir als reizende Soubrette schon kennen, kam
als Zofe nicht recht zur Geltung, und alles übrige war nur ziemlich
mittelmäßig.
Ganz anders stand es mit der Pantomime. Gegen dieses
Kunstgenre läßt sich manches geltend machen. Aber wenn sich ein
Mann wie Arkur Schnitzler seiner annimmt, dann kommt doch auch
dabei etwas Brauchbares heraus. Pierrette, so erfahren wir, be¬
gibt sich just an dem Tage, an dem sie mit Arlechino Hochzeit feiert,
zu ihrem geliebten Pierrot, um mit ihm zusammen zu sterben, da
sie mit ihm zusammen nicht leben darf. In dem Augenblick aber,
da sie das ködliche Gift nehmen soll, versagt ihre Kraft. Nur
Pierrot vergiftet sich und sie stürzt von der Leiche entsetzt und ohne
den Brautschleier, den sie in der Wohnung des Geliebten zurückläßt,
in das Hochzeitshaus, wo inzwischen der Bräutigam voll Wut über
ihr Verschwinden eine böse Szene verursacht hat. Vergeblich be¬
müht sie sich, unbefangen zu erscheinen. Immer wieder steht ihr
Pierrot vor den Augen, und sie muß schließlich Arlechino zu dem
Schleier und damit zu dem Toten führen. Arlechino versucht an
diesem gräßlichen Orte noch einmal, ihre Gunst zu erwerben. Da
sie ihn zurückweist, flieht er und verschließt die Tür, so daß Pierrette
mit der Leiche allein bleibt. Da sie keinen Ausgang findet über¬
mannt sie Grauen und Schrecken, und sie wird wahnsinnig, um
schließlich gleichfalls tot neben den Geliebten hinzusinken.
Es ist erstaunlich, wie trefflich der Komponist die Vorgänge auf
der Bühne durch seine Musik charakterisiert. Fast jedes Gefühl,
jede Handlung findet im Orchester den adäquaten Ausdruck, das
Leichte, Lustige ebenso wie das Finstere, Dämonische. Dohnänyi
ist, vorläufig wenigstens, noch kein originaler Künstler, er stützt sich
auf Wagner und auf die noch Neueren, wenngleich selbstverständlich
an wissentliche Entlehnungen nicht zu denken ist. Aber er hat doch
schon eine selbständige Art, die Motive zu verwerten und die Farben
zu mischen. So hinterließ „Der Schleier der Pierrette“ einen tiefen
Eindruck.
Die Aufführung der Pantomime war szenisch — wie alles,
was man in dieser Beziehung im Deutschen Opernhause zu sehen be¬
kommt — vorzüglich. Sie war auch darstellerisch ungemein an¬
regend. Besonderes Lob verdient Elsa Galafrés als Pierrette.
Sie vermochte in der Tat alles durch Gesten und Mienenspiel aus¬
zudrücken; bei ihr am allerwenigsten vermißte man das gesprochene
oder gesungene Wort. Der Höhepunkt ihrer Leistungen war der
Wahnsinnstanz in der letzten Szene, der schlechthin ein Meisterwerk
genannt werden kann. —
Während „Tante Simona“ von Rudolf
Krasselt dirigiert wurde, leitete Ernst v. Dohnanyi die Pantomime
selbst.
Die Universität Südafrikas, zu der Otto Beit und der ver¬
storbene Julius Wernher ein Kapital von 10 Mill. M. ausgesetzt
haben, erregt im südafrikanischen Parlament heftige politische Dis¬
kussionen. Der Plan sieht die Errichtung der Universität in der
Umgebung von Kapstadt vor, die Buren aber protestieren dagegen,
daß die heranwachsende südafrikanische Jugend dem vorwiegend
englischen Kulturzentrum von Kapstadt ausgeliefert und einseitiger
englischer Beeinflussung ausgesetzt werde. Damit ist das Schicksal
der Universität in Frage gestellt. Eine Sonderkommission wurde
eingesetzt, die über die Stätte der Universität beschließen soll.
Die aussterbenden Negritos. Eine Anzahl wissenschaftlicher
amerikanischer Körperschaften hat dem Kongreß der Vereinigten
Staaten eine Petition zugehen lassen, in der ein gesetzlicher Schutz
für die Negritos auf den Philippinen gefordert wird. Denn
die Beobachtungen der letzten Jahre lassen keinen Zweifel darüber,
daß dieser merkwürdige Volksstamm, den man als die Urbevölkerung
der Philippinen und des maleiischen Archipels ansieht, in kurzer
Zeit unrettbar aussterben wird, wenn nicht staatliche Maßnahmen
diesen Prozeß aufhalten. Man weiß, daß die Negritos in alten
Zeiten nicht nur auf den Philippinen hausten, sondern auch auf der
angrenzenden Halbinsel, und daß sie damals die einzigen Bewohner
des Archipels waren. Heute ist ihre Zahl bereits auf etwa 25 000
Köpfe gesunken, und selbst unter diesen erreicht die Zahl der rein¬
rassigen, unvermengten Negritos, die ihre alte Lebensweise beibe¬
halten haben, kaum noch 5000. Die echten philippinischen Negritos,
die die Amerikaner zu einer Art „lebenden Museum“ machen
wollten, zählen zu den Menschenrassen des niedrigsten Kultur¬
niveaus. Sie bewohnen armselige nestartige Hütten, die auf Pfählen
oder Bäumen untergebracht sind, und obgleich sie zu den Insel¬
bewohnern zählen, zeigen sie eine seltsame abergläubische Furcht vor
6
23. Der Schleiender Bierrette
erhält ihren Geliebten und auch die Tante bekommt den ungetreuen dem Wasser. Sie schwimmen nicht, besitzen weder Boote noch
Liebhaber von früher wieder. Was Dohnänyi an diesem Textbuch! Canoes, und selbst der Fischfang ist ihnen so gut wie unbekannt. Si¬
gereizt hat, weiß man nicht. Jedenfalls zeigte es sich, daß auch er ernähren sich durch die Jagd, die sie mit Hilfe vergifteter Pfeile hé¬
— ebensowenig wie vielleicht größere — nichts damit anzufangen treiben.
gewußt hat. Hin und wieder ein netter Einfall, aber das ist alles.
Die Darstellung war rein konventionell, und sie vermochte auch
schon darum nicht zu interessieren, weil die Rollen nicht gerade durch
die besten Kräfte vertreten waren. Einzig Donna Simona selbst
(Louise Marck) fiel durch ihren angenehmen Gesang auf.
Mizzi Fink die wir als reizende Soubrette schon kennen, kam
als Zofe nicht recht zur Geltung, und alles übrige war nur ziemlich
mittelmäßig.
Ganz anders stand es mit der Pantomime. Gegen dieses
Kunstgenre läßt sich manches geltend machen. Aber wenn sich ein
Mann wie Arkur Schnitzler seiner annimmt, dann kommt doch auch
dabei etwas Brauchbares heraus. Pierrette, so erfahren wir, be¬
gibt sich just an dem Tage, an dem sie mit Arlechino Hochzeit feiert,
zu ihrem geliebten Pierrot, um mit ihm zusammen zu sterben, da
sie mit ihm zusammen nicht leben darf. In dem Augenblick aber,
da sie das ködliche Gift nehmen soll, versagt ihre Kraft. Nur
Pierrot vergiftet sich und sie stürzt von der Leiche entsetzt und ohne
den Brautschleier, den sie in der Wohnung des Geliebten zurückläßt,
in das Hochzeitshaus, wo inzwischen der Bräutigam voll Wut über
ihr Verschwinden eine böse Szene verursacht hat. Vergeblich be¬
müht sie sich, unbefangen zu erscheinen. Immer wieder steht ihr
Pierrot vor den Augen, und sie muß schließlich Arlechino zu dem
Schleier und damit zu dem Toten führen. Arlechino versucht an
diesem gräßlichen Orte noch einmal, ihre Gunst zu erwerben. Da
sie ihn zurückweist, flieht er und verschließt die Tür, so daß Pierrette
mit der Leiche allein bleibt. Da sie keinen Ausgang findet über¬
mannt sie Grauen und Schrecken, und sie wird wahnsinnig, um
schließlich gleichfalls tot neben den Geliebten hinzusinken.
Es ist erstaunlich, wie trefflich der Komponist die Vorgänge auf
der Bühne durch seine Musik charakterisiert. Fast jedes Gefühl,
jede Handlung findet im Orchester den adäquaten Ausdruck, das
Leichte, Lustige ebenso wie das Finstere, Dämonische. Dohnänyi
ist, vorläufig wenigstens, noch kein originaler Künstler, er stützt sich
auf Wagner und auf die noch Neueren, wenngleich selbstverständlich
an wissentliche Entlehnungen nicht zu denken ist. Aber er hat doch
schon eine selbständige Art, die Motive zu verwerten und die Farben
zu mischen. So hinterließ „Der Schleier der Pierrette“ einen tiefen
Eindruck.
Die Aufführung der Pantomime war szenisch — wie alles,
was man in dieser Beziehung im Deutschen Opernhause zu sehen be¬
kommt — vorzüglich. Sie war auch darstellerisch ungemein an¬
regend. Besonderes Lob verdient Elsa Galafrés als Pierrette.
Sie vermochte in der Tat alles durch Gesten und Mienenspiel aus¬
zudrücken; bei ihr am allerwenigsten vermißte man das gesprochene
oder gesungene Wort. Der Höhepunkt ihrer Leistungen war der
Wahnsinnstanz in der letzten Szene, der schlechthin ein Meisterwerk
genannt werden kann. —
Während „Tante Simona“ von Rudolf
Krasselt dirigiert wurde, leitete Ernst v. Dohnanyi die Pantomime
selbst.
Die Universität Südafrikas, zu der Otto Beit und der ver¬
storbene Julius Wernher ein Kapital von 10 Mill. M. ausgesetzt
haben, erregt im südafrikanischen Parlament heftige politische Dis¬
kussionen. Der Plan sieht die Errichtung der Universität in der
Umgebung von Kapstadt vor, die Buren aber protestieren dagegen,
daß die heranwachsende südafrikanische Jugend dem vorwiegend
englischen Kulturzentrum von Kapstadt ausgeliefert und einseitiger
englischer Beeinflussung ausgesetzt werde. Damit ist das Schicksal
der Universität in Frage gestellt. Eine Sonderkommission wurde
eingesetzt, die über die Stätte der Universität beschließen soll.
Die aussterbenden Negritos. Eine Anzahl wissenschaftlicher
amerikanischer Körperschaften hat dem Kongreß der Vereinigten
Staaten eine Petition zugehen lassen, in der ein gesetzlicher Schutz
für die Negritos auf den Philippinen gefordert wird. Denn
die Beobachtungen der letzten Jahre lassen keinen Zweifel darüber,
daß dieser merkwürdige Volksstamm, den man als die Urbevölkerung
der Philippinen und des maleiischen Archipels ansieht, in kurzer
Zeit unrettbar aussterben wird, wenn nicht staatliche Maßnahmen
diesen Prozeß aufhalten. Man weiß, daß die Negritos in alten
Zeiten nicht nur auf den Philippinen hausten, sondern auch auf der
angrenzenden Halbinsel, und daß sie damals die einzigen Bewohner
des Archipels waren. Heute ist ihre Zahl bereits auf etwa 25 000
Köpfe gesunken, und selbst unter diesen erreicht die Zahl der rein¬
rassigen, unvermengten Negritos, die ihre alte Lebensweise beibe¬
halten haben, kaum noch 5000. Die echten philippinischen Negritos,
die die Amerikaner zu einer Art „lebenden Museum“ machen
wollten, zählen zu den Menschenrassen des niedrigsten Kultur¬
niveaus. Sie bewohnen armselige nestartige Hütten, die auf Pfählen
oder Bäumen untergebracht sind, und obgleich sie zu den Insel¬
bewohnern zählen, zeigen sie eine seltsame abergläubische Furcht vor