II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 310

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23. Der Schleier der Pierrette
vom:
aufen ichlpslauel Convial Mitaigel

Brestau, 1.—

Schlesien wirkte), Minister des In

#le mahlinnen, bis der Zug sich in Bewegung setzte.
den parlamentarischen Gesetzen Englands

„Der Schleier der Pierrette“, in der er vielleicht
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zeigen wollte, daß er, dem man so oft die allzu große
Der Schleier der Pierrette.
kongenialen Komponisten zu finden, der mit
Freude am scharf analysierenden Wort vorgeworfen, auch
Kunst alle musikalischen Möglichkeiten, die
ohne dieses aufs stärkste zu wirken verstehe. Er nahm
(Erstaufführung im Schauspielhaus.)
mime bot, auszunützen wußte und auch üb
seinen Gestalten die bestimmte Persönlichkeit, indem er
zweifelhaft vorhandenen Expositionslängen
ihnen die altgewohnten Namen aus der italienischen
Vor einer Reihe von Jahren schrieh Artur Schnitz¬
Aktes hinwegtäuschte. Ernst v. Dohnäny
„commedia dell' arte“ gab: Beatrice wurde Pierrette,
ler,der österreichische Dichter, der als Arzt und Poet
bisher kein musikdramatisches Werk geschen
Filippo Loschi zum Pierrot, der Herzog zum Arlecchino.] ist — neben seiner an Erfolgen reichen T
zugleich die seinsten, im Unterbewußtsein verdämmernden
Und das Bologna der Renaissance verwandelt sich — wohl
Seelenprobleme des modernen Menschen in manchem
Pianist — hauptsächlich mit einer nicht al
nur um des Kostüms und der Tänze willen — in das
eigenartigen und tiefen Werk aufgezeigt hat, eine Re¬
aber gewählten Reihe von Klavier= und K#
Wien der Empirezeit. Die Grundzüge der Handlung aber
naissancetragödie, den „Schleier der Beatrice“, die als
werken vor die Oeffentlichkeit getreten. In
blieben, wie gesagt, genau dieselben. Nur daß im zweiten
Buch viel, auf der Bühne wenig Erfolg hatte. Er erzählt
der Pierrette“ hat er gezeigt, daß die Büh
Att der Pantomime die Geistererscheinung des bleichen,
darin von dem Schicksal der Bologneserin Beatrice Nardi,
eines ihrer stärksten Talente zu erkennen hat
toten Pierrot dem Zuschauer zeigen soll, welche Stürme
die der Herzog Lionardo Bentivoglio zum Weibe nahm,
verschmäht das billige Auskunftsmittel d
des Grauens und Entsetzens in der Seeie der armen
obwohl sie nur die Tochter eines armen, verrückten Wap¬
Melodramkomponisten, einfach eine unterm
Pierrette toben; und daß ferner der Schluß insosern ge¬
venschneiders war, aber so schön, wie man keine ie gesehen.
gleitmusik zu schaffen und, sich dem Büh
ändert wurde, daß der grausame Arlecchino die Braut mit
Und die in der Hochzeitsnacht, als auf des Herzogs Geheiß
unterordnend, auf jedes Eigenleben zu verzich
der Leiche des Geliebten zusammen einschließt, sodaß sie
das ganze, von Cesare Vorgia hart bedrohte Bologna sich
Musik ist thematisch vollkommen durchgear
im Uebermaß furchtbarster Angst dem Wahnsinn verfällt:
zu einer letzten, glühendsten Orgie der Freude zusammen¬
findet immer wieder Gelegenheit, sich i
mit einem verführerischen Tanz sucht sie den Toten zu er¬
fand, heimlich zu ihrem Geliebten, dem Dichter Filivvo
Formen zusammenzuschließen. Er baut die
wecken, um schließlich selbst entseelt zu seinen Füßen
Loschi floh, um mit ihm zu sterben. Er nimmt das Gist.
Szenen auf und steigert sie, arbeitet nicht
niederzusinken.
sie schreckt davor zurück und eilt, von Grauen geschüttelt.
verwirrenden Mosaiktechnik, sondern mit sich
Diese Pantomime hat nicht so sehr einen literarischen,
von der Leiche des Geliebten heim in das vrunkvolle
nung und starken Farben. Um nur einzeln
als einen bervorragenden artistischen Wert. Die Deut¬
Schloß des Gatten. Der aber sieht, daß ihr sein Hoch¬
zugreifen: da ist ein feiner, lieber Walzer i
lichkeit, mit der sie ohne Worte alles nötige zu sagen
zeitsgeschenk, der kostbare Schleier sehlt, und verlangt,
stil, mit dem am Anfang die Freunde Pi
weiß, ist umso erstaunlicher, als es sich dabei durchaus
von Eifersucht gepackt, daß sie ihn wieder zur Stelle schaffe.
Liebeskranken aufzuheitern suchen und, als Ge
nicht immer um jene einfachsten Dinge handelt, die sonst
Sie weigert sich, sie fleht vergebens. Mit dem Herzog
absichtlich derb instrumentierter, moderner W
wohl den Stoffkreis des Mimodramas umgrenzten. Die
zusammen muß sie abermals zurück in das grauenvolle
zn dem rauschenden Hochzeitsfest des zweiten A
Szene — fast möchte man sagen, das Gespräch — zwischen
Gemach, in dem der Leichnam liegt, und hier bringt ihr
leitet. Da sind die zierlichen Tänze der H#
Pierrot und Pierrette im ersten Akt zum Beispiel, da er
der Dolch des eigenen, von ihrer Schmach erbitterten
da ist endlich der fieberglühende, in wilden
Bruders den Tod, mit dem sie vor wenigen Stunden kin¬
zuerst nichts von ihrem verzweifelten Plan wissen will. Rhythmen sich überstürzende Wahnsinnstanz
disch gespielt, und der ihr doch jetzt nur die ersehnte Er¬
ihr den Wen zum Leben weist, sie aufleht, von ihrem vor der Leiche Pierrots. Und dazwischen eine
Vorhaben abzulassen, dann aber selbst den Gedanken auf¬
lösung aus einer unlösbaren Wirrnis der Gefüihle be¬
geradezu genialen Instrumentationsgedanken,
deutet.
nimmt und nun. im entscheidenden Moment, bei ihr auf
sehlende Wort vollauf ersetzen. Man denke n
Widerstand und Feigheit stößt, ist von einer so plastischen
Aus dieser Tragödie, die, wie alle Werke Schnitzlers,
oben erwähnte Szene der Liebenden, mo
Klarheit, wie sie Worte nicht besser vermitteln könnten.
sich breit und bis zum Tiefsten schürfend mit der Psycho¬
Sologeige ihren letzten heißen Kuß begleiten,
Eine eminente Geschicklichkeit steckt in dieser Arbeit, eine
logie ihrer Helden auseinandersetzt, hat der Dichter sväter
Posannen, gestopften Hörnern und Tamtamsch
sichere Technik, die — wenn wir es nicht schon früher
die nackte Handlung ohne ihre Vorgeschichte herausgelöst,
Katastrophe hereinbricht. Oder an die Melodi
gewußt hätten — den letzten Beweis erbrächte, daß
hämpften Celli, die im zweiten Akt die rühren
um sie für sich allein, alles Beiwerts entkleidet, in eine##Schnitzler trotz aller oft gehörten Einwände ein echterflichkeit Vierrettes malt, die finsteren Figuren
neue Form umzugießen. So entstand seine Pantomime]D. matiker sei.
mit denen in Arlecchino die Wut aufsteigt,