II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 318

23.
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„. S. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters gastiert
jetzt das Theater Kikimora aus Moskau. Was der uns
Kkomisch klingende Name — ein Eigenname? — bedeutet, weiß ich
nicht. Ich weiß nur ##aß es keine Höhenkunst war, was man da
bot, wenn auch, durch die Nationalstät der Mitwirkenden, etwas
Russisches. And Rußland war fast ausschließlich vertreten und
klatschte Beisall. Gegeben wurde Schnitzlers Pantomime „Der
Schleieydet Pierrette“ mit der Müssk von Ernst v. Doh¬
nanyi, die wir hier vor Jahren so gut (mit der Galafrés; ge¬
sehen haben. Die Wiedergabe durch die Kikimoraisten konnte den
Vergleich nicht aushalten. Es fehlte am wirksamen Rahmen und an
fertiger Durcharbeitung. Dohnanyis Musik ist wertvoll und schwer.
Hört man sie mangelhaft und unrein, so ist die Wirkung von vorn¬
herein getrübt. Ich will die Lichtpunkte zusammenfassen. Pierrette
war Sofia Fedorowa, eine gute, nach früheren Erinnerun¬
gen sehr gute Tänzerin. Aber das Tänzerische ist hier nicht so
wichtig wie das Schauspielerische. Sie wuchs im dritten Akte, gab
aber nichts eigentlich Besonderes. Vermeil (Spielleiter und
Pierrot) und Tschabrow (Arlecchino, nicht frei von grotesker
Uebertreibung) sind ausdrucksfähige Pantomimisten. Die Gesell¬
schaftstänze des zweiten Aktes, von Elisabeth Anderson ge¬
stellt, hatten Rhythmus der Gruppen (nicht musikalischen) und
wurden von einer hübschen Dekoration der Natalia Gon¬
tscharowa gehoben. — Bielleicht gibt der angekündigte zweite
Abend (mit buntem Programm) den Gästen Gelegenheit, sich eigen¬
artiger zu zeigen, dem Kritiker, mehr über sie auszusagen.


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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Vossische Zeitung
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Z SSEF.1922
Schnitzlers Pautomime.
Theater Kikimora (Kammerspiele).
Die rüssische Ballettkunst hat uns selbst die große Maßstäbe in
die Hand gegeben, an denen wir ihre Leistungen messen. Aber
auch wenn wir ihren Meister und Meisterinnen nicht kännten,
hätte uns der gestrige Abend schwer enttäuscht. Arthur
Schnitzlers Pantomime „Der Schleier der Pierette“.
zu der Ernst von Dohnanyi die Musik geschrieben hat, ist vor
dem Kriege in manchen deutschen Städten, auch im Charlotten¬
burger Deutschen Opernhaus aufgeführt worden. Da sie uns jetzt
von Russen wiedergebracht wurde, erwarteten wir sie glanzvoll
verschönt. Die Pantomime ist ja nicht sehr phantasiereich erdacht
und erfüllt als Text keineswegs alle Forderungen der Gattungen.
Vielleicht, weil Schnitzler sich doch zu eng an die dramatische Ver¬
wertung des Themas — die Braut, die von der Hochzeit zum Ge¬
liebten flüchtet, um mit ihm zu sterben, ihn aber überlebt und
von dem verfolgenden Gatten mit dem Toten eingesperrt wird —
in seiner Tragödie „Der Schleier der Beatrice“ hielt. Die holde
Beatrice Narbi, Filippo Loschi, der meluncholische Poet und Benti¬
voglio, der menschlich=ernste Herzog von Bologna haben mit dem
Renaissancegewand auch ihre zärtlich=weichen Seelen abgelegt,
und in die Seidenhüllen Pierrots, Pierettes und Harlekins sind
tote Puppen geschlübft. Aber in Dohnanyis musikalischer Unter¬
malung, der einst Max Marschall an dieser Stelle wenigstens
sichere Beherrschung der Ausdrucksmittel des modernen Orchesters
nachgerühmt hat, steckt doch viel mimisches Leben, und mag auch
ihr, besonders im Hochzeitsakt, die Fülle der Phantasie abgeben,
so konnte doch auf ihrem Grunde ein reizendes tänzerisches Ge¬
bilde erblühen. Altwien und Vinezien, Walzerschwung und
comedia dell' arte, Anmut und Groteske konnten sich hier zu
einem süßen, sich grausig verzerrenden Reigen umschlingen. Aber
was wir sahen, war erstaunlich schwach Allein Pierrot fand
einen zulänglichen Darsteller. Dr. S. Vermeil, hat einen
höchst gelenkigen Körper. Aber man spürte keinen elementaren
tänzerischen Ausdrucksdrang. Am stärksten ist er in Augenblicken
zarter Trauer, schmerzlichen Verlangens.
Aber seine Partnerin ist nicht bloß bildlich, sonder auch dar¬
stellerisch eine Photogravüren=Pierette. Ihre allzu süße Anmut
ist ganz ausdrucksleer und darum in der Ekstase peinlich kitschig.
Einen so untänzerischen Harlekin schließlich, wie man gestern sah,
mit so süßlich=steifem Benehmen, so verkrampfter Ausdrucksgesten,
hätte man unter Russen nicht erwartet. Auch über die Dekora¬
tionen und die farbig grellen Kostüme der vielgerühmten Natalia
Gontscharowa ist nichts besseres zu sagen. Von den Tänzen,
die in unbequemer Enge auf einer Art Jeßnerschen Treppe herauf¬
und heruntergetanzt wurden, zeigte ein Menuett liebenswürdige
Reize.
A. M.