II, Theaterstücke 23, Der Schleier der Pierrette, Seite 326

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23. Der Schleiender Pierrette
5. Juni 199

Ferdinandoff als Harlekin ein Gewalt¬
mensch von unheimlicher Brutalität und Alice
Kunst und Wissenschaft
Koonen als Pierrette fiebernd und angst¬
gepeitscht vom ersten Erscheinen bis zum letzten
Zusammenbrechen, aber jede Bewegung in
Zentraltheater
Schönheit getaucht, — sie alle boten mit Hingabe
ihrer ganzen Kraft virtuose Leistungen.
Tairoffs Moskauer Kammer¬
Und Dohnänyis feinsinnige Musik? Die Par¬
theater setzte gestern sein Gastspiel mit der
titur ist für großes Orchester geschrieben. Wohl
Aufführung von Ernst v. Dohnänyis Panto¬
manches Instrument mußte unbesetzt bleiben,
mime Der Schleier der Pierrette
und der Zentraltheaterkapelle erwuchs keine ge¬
fort. Vor fünfzehn Jahren haben wir das
ringe Aufgabe, mit ihren bescheidenen Kräften.
Werk als Neuheit kennengelernt. Die da¬
die Musik wenigstens in den Umrissen lebendig
malige Wiedergabe in der Staatsoper und die
zu machen. In den Tänzen gelang es ihr recht
jetzige durch die Russen lassen sich kaum ver¬
gut; in den pantomimischen, mit reiner Aus¬
gleichen, weil die Prinzipien der Einstudierung drucksmusik bedachten Partien hatte aber der
ganz verschiedene waren. Das Ziel unserer
Leiter des Orchesters Alexander Medtner
Staatsoper war, das Werk, dem in Schnitzlers
alle Mühe, das Ganze zusammenzuhalten.
Libretto auch dichterische Werte innewohnen, in
seiner Gesamtheit lebendig zu machen; die
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Russen sahen das ihre in der plastischen Her¬
ausarbeitung der Hauptzüge der grausigen
Handlung. Die feine Schnitzlersche Zeichnung
des biedermeierlichen Wiener Hintergrundes,
die den wohltuenden Gegensatz zu den düsteren
Vorgängen bildet, wurde von den Russen kaum
berücksichtigt. Nur die — allerdings äußerst
geschmackvoll abgetönten — Kostüme in der
Szene des Hochzeitsfestes deuteten die Zeit des
Geschehens an. Das Hochzeitsfest, das ein Auf¬
atmen in der Jagd der Schrecken gestatten soll,
bot dazu keine Gelegenheit, weil das Tempo
überhastet war. Der berühmt gewordene
Walzer, mit dem es beginnt, wurde so schnell
gespielt, daß die Paare auf der Bühne kaum
die entsprechenden Schritte ausführen konnien¬
Der Ton des Grausens und der Angst wurde
gleich im Anfange in einer Stärke angeschlagen,
daß eine Steigerung kaum mehr möglich war.
So blieb auch die Erscheinung des toten
Pierrot beim Feste — in der Aufführung im
Opernhause einst ein markerschütternder, den
Zuschauern unvergeßlicher Moment
ohne
jede Wirkung, zumal da hier die Inszenierung,
die doch sonst mit starken Effekten arbeitete,
das Dämonisch=Geisterhafte überhaupt nicht be¬
rücksichtigte.
Alles Gewicht war auf das Spiel der drei
Hauptpersonen gelegt. Alexander Rumneff
als Pierrot ein schmerzgefoltertes Opfer, Boris!