II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 58

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22. Derjunge Medandus
durch einer der eztlm
gesinnt, als es scheine, und wolle eine Politik] Die nachste Sihung
treiben, die Oesterreich von Deutschlands Ein“ im schriftlichen Wege einberufen werden.
Leidenschaft den Plan fassen kann, ein Mädchen] Medardus aber weiß, daß jetzt der Weg zur!
her. Die Prinzessin ging ins Schloß, u
zu erobern, den Plan, ein Mädchen, das er ge¬
Geliebten für ihn offen steht. Die Prinzessin
selbst den Kaiser zu töten. Wie Judith in da
nossen hat, das ihm ihre ersten Küsse, die ersten
vermählt sich ihrem Vetter. Medardus dringt
Zelt des Holofernes, ging sie ins Schloß Nap
Seufzer ihrer Lust geschenkt hat, dann ein
ins Haus, will die Hochzeit stören, will vor allen
leons. Und Medardus hat in seiner Raser
solches Mädchen aus der Glut heimlicher Um¬
Menschen sagen, daß die Prinzessin ihm ange¬
keine große Tat begangen:.. nur eine groß
armung in die nackte, kalte Schande hinaus¬
hört hat. Sie aber bändigt ihn mit ihrem
Tat gehindert; ist wieder einmal geringer un
zustoßen und die Betrogene zu verhöhnen ...,
Blick. Zähmt ihn mit ihren Worten und schickt
armseliger gewesen als das Leben. Aber:
daß einer diesen Plan wie einen Rausch über
ihn wie einen törichten Jungen weg. In dieser
hat den Kaiser gerettet. Er darf frei aus der
sich kommen fühlt (an dem Tag, an dem seine
Liebe ist Medardus klein und die Prinzessin
Kerker gehen, darf wieder seiner Mutter, seine
eigene Schwester begraben wurde), das wirkt
groß. In diesem Liebeshandel wird Medardus
Land, der Zukunft gehören. Jetzt langt er m
irgendwie beklemmend auf mich, und es ist mir,
kleiner und kleiner, die Prinzessin größer und
tastenden Armen noch ein letztes Mal na
als blicke ich in eine Seele, die auf ihrem
größer. Er ist aus seiner Zeit und aus seiner
einem Schein von Größe: bekennt, er hah
tiefsten Grund unrein ist. Auch dann noch, wenn
Bahn geschleudert, die Wellen der Ereignisse
gleichfalls dem Kaiser ans Leben gewollt, wei
jener Plan, den eine Stunde des Sturms aus
schlagen über ihm zusammen, die gewaltige
jede Gnade zurück, weigert das Verspreche
ihrer Tiefe heraufgespült hat, scheitert.
Gegenwart braust über ihn weg. Und er liegt
von seinem Vorhaben abzulassen, und wird e#
Er scheitert denn auch. Medardus erobert die
am Boden wie ein Ueberfahrener, eingewickelt
schossen. Stirbt, und es ist mehr ein ver
Prinzessin, aber er geht an ihr zugrunde. Ihre
in die Fetzen seines Abenteuers, dessen er sich
zweifelter Selbstmord als das tragische End
Umarmung lähmt ihn, raubt ihm den Halt,
eines Helden.
nicht bemächtigen kann, sondern das ihn über¬
die Kraft und die Würde. Vielleicht wure er in
wältigt, ihn fesselt und lähmt.
Eine große Epoche und ein kleiner Mensch
dieser Umarmung erst zu wirklicher Größe er¬
Von den Franzosen, die über Wien das
Ein gewaltiger Hintergrund und eine seltsan
wacht, wäre ein Held geworden, wenn er mit
Standrecht verhängt haben, wird der Onkel
ins Enge gezogene Handlung davor, mehr al
einer wirklichen Liebe, ohne Tücke und ohne
des Medardus, der brave Eschenbacher, er¬
Staffage wirkend denn als Hauptgruppe. Au
Haß, sie gewonnen hätte. Vielleicht auch ist ge¬
schossen. Das rüttelt ihn halbwegs empor.
einer breit hinrauschenden Flut von Begeben
rade dies das Verhängnis des Medardus. Die
Wieder schwillt der Gedanke einer Tat die
heiten treibend und schaukelnd eine Anekdot
Prinzessin nimmt ihn, wie man ein Spielzeug
Seele des Medardus: Napoleon ermorden!
in deren Kern viel tiefsinnige Menschlichke
nimmt. Sie nimmt ihn dann, wie man ein
Aber die Prinzessin hat für ihn denselben Plan.
eingeschlossen ist. Kein Drama. Ein
Werkzeug braucht. Sie nimmt ihn mit jener
Er soll den Tyrannen töten, soll für die Valois
„dramatische Historie“.
freien, unnahbaren Gewalt, die manchmal bei
den Weg zu Frankreichs Thron freimachen.
Das Wertvolle an diesem Werk: seine Bun#
königlichen Frauen wohnt, bei Königinnen
Das lähmt seinen Willen. Der Erlöser Deutsch¬
heit des Lebendigen, seine Fülle der Gestalten
und Prinzessinnen, die aus inneren Kräften des
lands möchte er sein, der gedungene, wenn auch
Die Kunst, Verknüpfungen des Schicksals z
Stolzes wissen, daß ihre Hoheit etwas Unver¬
durch Liebe gedungene Mörder im Dienst der
zeigen. Die dichterische Kraft, die alle Szene
lierbares ist.
Valois — niemals.
ganz leise von der Wirklichkeit abrückt, und si
Wien wird von Napoleon belagert. Für Me¬
Wiederum wird er von den Ereignissen ge¬
doch in jedem Wort, in jedem Augenblick mi
dardus aber hat die Einschließung der Stadt
faßt und eine Strecke weiter geschleift. Er hört,
einem bestrickenden Zauber des Notwendigen
nur einen Sinn: daß er jetzt nicht zur Prinzessin
die Prinzessin sei Napoleons Geliebte. Er sieht
und Natürlichen aufleuchten läßt. Die Atmo
hinaus in die Vorstadt kann. Begeisterte Jüng¬
sie die Schloßtreppe von Schönbrunn hinan¬
sphäre, die österreichisch ist, wie etwa Haydn
linge wollen einen Ausfall wagen. Auch Me¬
steigen, tritt ihr entgegen, rasend vor Eifersucht,
„Gott erhalte...“. Dann noch die Weisheit
dardus meldet sich. Aber nur, weil er vom
und erdolcht sie. Seine Tat! Seine erste Tat.
die immer und immer wieder auf die schicksals
Kampfplatz weg zur Prinzessin eilen möchte.
Auch diese wird ihm aus den Händen gerissen.
starke Verteilung der Rollen in der großen
Wien kavituliert, und alle Herzen trauern. Wiederum schleift ihn das Schicksal hinter sich! Weltkomödie hinweist. Wie der junge Medar##