II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 83

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22. DenjungeMedanaus
ert, aber er dachtellich, es ist dabei alles sind die Türken vielleicht icht fortschrittlich geworden?
hmen, da seine Schwester von der Spenderin auf seinen Ansprüchen zu verharren, nur sei es nunmehr
Helene ruft gegen den jungen Mann ihren sein Nesse, der Marquis, der diese geltend zu machen habe.
edhof betretenden Vetter, den Marquis von
Helene reicht ihrem Vetter die Hand, stellt aber die Bedin¬
[Devrient), zu Hilfe. Dieser verspricht ihr,
gung, daß dieser nicht einmal ihre Fingerspitzen berühren
zu töten, wenn sie ihm ihre Hand zusagt.
dürfe, so lange er ihr nicht die Krone Frankreichs zu Füßen
det statt. Beide Gegner werden bloß ver¬
legen könne. Diese Zurückhaltung gegen ihren Gatten hin¬
Marquis am Arme, Medardus durch einen
dert sie aber nicht, für die dessen Abreise solgende Nacht
i Herzen. Helene sendet durch ihr Kammer¬
Medardus, nach dem sie sich plötzlich wieder sehnt und
erschmähten Blumen in das Haus ihres Be¬
den sie für ihre Zwecke benützen zu können glaubt, zu
glaubt, daß sie einem Toten oder doch einem
sich zu laden. Medardus stürzt sich kopfüber von neuem
weiht sind. Der Jüngling aber, auf den das
in dieses Abenteuer. Er konnte die Kapitulation Wiens
n Feindin einen unauslöschlichen Eindruck
kaum noch erwarten, die ihm den Weg zu dem außerhalb
rafft sich trotz seiner Schwäche vom Lager
der Basteien gelegenen Hause der Valois freigibt. Er küm¬
ich zum Hause der Familie Valois, über¬
mert sich auch nicht um all das Elend, all den Jammer,
rtenmauer und sinkt jenseits derselben ohn¬
deren Schauplatz Wien nach der Uebergabe ist. Jeder
Helene, die zuerst empört ist über den Bürger, der ein freies Wort oder eine unüberlegte Tat wagt,
läßt ihn schließlich, da der Schlüssel zur
wird verhaftet, Spione gibt es an allen Ecken und Enden.
zur Stelle ist, auf ihr eigenes Zimmer Auch das Haus des Medardus bleibt nicht verschont. Man
Herzogstochter und Bürgerssohn feiern eine fahndet in der Buchhandlung nach Landkarten, deren Besitz
edardus hatte gehofft, daß dieser einen Nacht strengstens bestraft wird. Der Oheim, Meister Eschenbacher,
werden, aber er findet keinen Einlaß mehr.
hat die wertvollen Atlanten in Sicherheit gebracht und in
uschung lähmt die ohnehin nur geringe
einem ausgetrockneten Ziehbrunnen versteckt. Ein elender
nglings vollständig. Er geht wie ein Träumer
Denunziant hat das verraten. Man bringt den braven
die Ereignisse ganz danach angetan sind,
Bürger ins Gefängnis und schon am nächsten Tage wird
rütteln. Das französische Heer steht vor
er vor den Augen seiner Angehörigen aus dem Kasernentore
die Entsatztruppen auf sich warten lassen,
zum Tode geführt. Gleich nachdem die, Exekution vorüber ist,
klation unmittelbar bevor. Ein außerordent¬
läuft die ganze, eben erst tief entsetzte Menge neugierig
sames Bild führt uns auf die Basteien un= einer Straße zu, durch welche Napoleon reitet. Medardus
der Hissung der weißen Fahne. Wir sehen hat sich von Helene von Valois bereden lassen, an dem
der Schüsse, hören das Dröhnen der Kanonen Tage, an dem sie der an ihre Familie ergangenen Ein¬
ist der Menge nur ein Schauspiel, wie ein ladung zum Empfange bei Napoleon Folge leisten will, in
Diejenigen, die nicht genug schimpfen konnten Schönbrunn einen günstigen Augenblick zu erspähen, um
können es jetzt nicht erwarten, daß ihm den Kaiser zu erdolchen. Da hört er von Bekannten, die
het werden. Für die Weiterentwicklung des er unter der vor dem Schloßaufgange lustionnbeluben
t es sich um Medardus handelt, bedeutet Menge antrissi, den Helene dn Geliebee Navoleons ge¬
tstück der Bühnenausstattung bildende Szene worden sein soll. Sofort sind wieder alle seine Entschlüsse
gegen ist die Kapitulation Wiens für die über den Haufen geworfen, und als Helene die Freitreppe
von großer Wichtigkeit. Der Herzog erklärt, hinausschreitet, drängt er sich an ihre Seite und durch¬
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hohrt ihre Brust mit dem Stahle, den er für Napoleon ###eonischen Herrschaft zu betrachten waren? Fast ist
bereitgehalten hatte. Er wird nun als Mörder verhaftet.s anzunehmen, denn es findet sich ja auch sonst oft
Im Gefängnisse erhält er den Besuch seiner Mutter und #enug der Hinweis auf die Rückgratlosigkeit, auf die der
d#es Geschäft führers der Buchhandtung „Herr Treßler, Feugierde und dem Egoismus alles aufopfernde große
dessen treue Freundschaft#r nie ganz zu schätzen wußte. Menge. Ob es notwendig war, nach hundert Jahren der¬
Sein Schicksal scheint eine günstige Wendung nehmen zu artige Konstatierungen vorzunehmen, mag dahingestellt
wollen. General Rapp (Herr Reimers, der Adjutant bleiben. Der Historiker hat sicherlich das Recht hiezu —
Napoleons, erscheint persönlich, um ihm die Freiheit an= auch der Dramatiker? Eine straffe, geschlossene Handlung
zukündigen, denn es sei erwiesen worden, daß die Er= aufzubauen, ist Herrn Schnitzler nicht gelungen, wo
mordete dem Kaiser nach dem Leben trachtete, so daß er den Versuch machte, zerrann ihm alles unter den Händen.
Medardus unbewußt zum Retter Napoleons wurde. Doch Neunundsiebzig Namen enthält das Personenverzeichnis. Wie
den jungen Mann, der bisher vor jeder männlichen Tat hätte da charakterisiert und individualisiert werden sollen?
zurückscheute, kitzelt jetzt der Ehrgeiz, einen Heroentod zu Nur bei einigen der Figuren ist das gelungen und zu
sterben. Er bekennt, daß er selbst ursprünglich ein Attentat diesen gehört die des jungen Medardus nicht. Der alte
gegen den Kaiser geplant hatte, dann aber den Dolch zu Herzog von Valois, seine Tochter, Meister Eschenbach, den
seiner Privatrache an Helene benützte. Doch auch dieses Herr Balajthy in seiner kernigen Manier spielte, der
Geständnis ändert nichts an dem Beschlusse Napoleons, Geschäftsleiter der Buchhandlung, die Mutter des Medardus,
Medardus die Freiheit zu schenken. Er verlangt nur eine der General Rapp, der von Herrn Korff gegebene „Na¬
Erklärung, daß er die Hand niemals mehr gegen ihn er= derer“ und noch einige Episodensiguren traten schärfer um¬
heben werde. Diese Erklärung, die für ihn Leben und rissen hervor. Alles übrige verschwand in der Masse, in
Freiheit bedeutet hatte, verweigert nun Medardus und er der nur der eine nicht sichtbar wird, von dem fortwährend
stirbt unter dem Salvenseuer der Exekutionsmannschaft, wie
gesprochen wird — Napoleon. Das ist vielleicht
General Rapp sagt, „als der letzte und sonderbarste Held
nicht der schlechteste Trick des Autors.
dieses Krieges“, während draußen der volltönende Chor der
Die Premiere währte von ½7 Uhr abends bis
Glocken den geschlossenen Frieden einläutet.
½12 Uhr nachts. Die Clique erfüllte ihre Auf¬
Dies der Inhalt des Stückes, das fünf Stunden braucht, gabe als Claaue in so vorzüglicher Weise, daß ihr
um zu Ende zu kommen. Das Schicksal des Medardus it Herr und Meister nach jedem Aktschlusse xmal
zu unbedeutend, von zu geringem Interesse, als daß es vor den Vorbang treten konnte. Das Volk Israel
diesen Massenaufwand von theatralischen Behelfen recht johlte und die palästinensischen Damen klatschten sich die
fertigen könnte. Sollen diese also nicht nur Kommentar, Hände wund. Das übrige Publikum verhielt sich der eigen¬
nicht nur charalterisierendes Beiwerk, sondern Selbstzweck tumlichen Auffassung des Autors von einem Tyrannen¬
sein? Oder wollte der Autor in dem weichlichen, niemals mörder gegenüber kühl. In der Hofloge erschienen gegen
zu einem sosten Plane sich durchringenden Medardus an Schluß der Vorstellung der Thronfolger Erzherzog
einem speziell herausgegrissenen Exemplar der damaligen Franz Ferdinand samt Gemahlin und Erzherzog
Wiener zeigen, wie wenig diese als ernste Gegner der Salvator.
A. Schreiber