II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 85

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22. DenjungeMedandus
Zudgertag im Sartament.
Etsprechendes Budget vor= wünsche von Abgeordneten oder deren Wahlbezirken zu erfüllen.]
hen Verhältnisse nicht ge¬ Der Bestand des Ministeriums, der mit solchen Mitteln zumeist
Trauerkundgebung für Tolstoi.
rschließen, und die alten erkauft werden muß, ist die Nebensache die Erlangung des
Es ist seit Jahren Gepflogenheit, daß der jeweilige
Auslagen für Heer und budgetären Gleichgewichtes ist die Hauptsache. Das aber ist
verloren gegangen, seitdem die neue Methode sich eingebürgert Finanzminister in der ersten Sitzung der Wintersession dem
icht getan hat, ist uns hat, das Verhandeln mit den Parteien durch ein Verhandeln Hause den Staatsvoranschlag unterbreitet. Dies ist auch in
der gestrigen Eröffnungssitzung des Abgeordnetenhauses ge¬
bei allen Ressorts ge=mit Personen zu ersetzen.
Das Alphabet der Leidenschaften, die die Handlung be¬
große Katastrophe und der individuelle Einzelfall, die Tragödie,
die Komödie und die Idylle hatten in diesem Bildersaal Platz. wegen, nimmt seinen Anfang in der Begeisterung des jungen
ton.
Sollte es aber umgekehrt gewesen sein? Sollte Schnitzler wirklich Buchhändlersohnes Medardus Klähr. Er zieht ins Feld gegen
die Ereignisse der Geschichte nicht bloß als Vorwand gewählt die heranmarschierenden Franzosen, denen Erzherzog Karl bei Aspern
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haben, sondern war es Wunsch, Wille und Vorstellung: ein die erste Niederlage zugefügt hat. Just als Medardus von seiner
Zeitbild dichterisch auszugestalten, aus dem Brodem, der da auf=Mutter und Schwester Agathe Abschied nimmt, erscheint der junge
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stieg, den geheimnisvollen Sinn von Menschheitsfragen zu deuten? Prinz François von Valois, der Sohn des blinden alten Herzogs
Hatte das Große sein Herz und das Kleine nur sein Interesse? von Valois, dessen Lebenstraum es ist, sein unverjährtes Recht
us“ draukatische Historie in
Aufzügen.)
Man müßte es bedauern, wenn es so wäre. Denn das Ge= auf den Königsthron von Frankreich durchzusetzen. Der junge
schichtliche im „Jungen Medardus“ ist bloß ein Schnörkel. Das Prinz liebt Agathe, und da er die Einwilligung des Herzogs zur
haffens zu ergründen, ist
Stück zerfällt in zwei Teile: in die Historie und in die dra= Heirat nicht erlangen kann, hilft er sich mit einer Lüge: seine
bissen: Intuition ist alles.
matische Anekdote; die Historie ist mit leichten Pinselstrichen, in Eltern werden morgen kommen, um Agathe als Braut des
g beherrscht, sucht man bei
matten Farben hingewischt, die Auekdote hat theatralische Span= Sohnes zu umarmen. Die Wahrheit ist, daß der junge François
zu ergründen, was eher
nung. Die Historie ist dürftig, aus bunten Flicken zusammen= nur erschienen ist, um Agathe zu einem gemeinsamen Sterben zu
en Zeitbewegung oder das
Rahmen erst gefunden gesetzt, die schon mit geringerer schriftstellerischer Kultur, aber mit veranlassen. Die Liebenden suchen den Tod in den Wellen und
mäßigkeit fehlt, drängen gleicher äußerer Wirkung von einer Gilde wienerischer Lokaldichter ihre Leichen werden gerade in jene Wirtsstube gebracht, wo
vorgeschrieben wurde: man braucht nur eines der Werke von Medardus mit den kampffrohen Kameraden zum Abmarsch sich ein¬
nkönnte ohne weiteres den
Friedrich Kaiser, Anton Langer und Eduard Dorn sich in Er- gefunden hat. Medardus fühlt jetzt, daß er zu einer anderen Aufgabe
hParis verlegen, brauchte
innerung zu rufen. Wem sind noch die Gestalten der ernsten berufen ist; das schreckliche Ereignis gibt seinen Gedanken eine
und hätte eines der
denen der Kampf und furchtsamen Bürgermiliz etwas Neues, wem die Studenten=andere Richtung. Was schert ihn noch der Befreiungskampf? Er
Napoleon die Trieb-begeisterung, wem der Herr von Adabei, dem auch der will an dem stolzen Herzog Rache nehmen, dessen Sohn seine
Gelegenheit mehr ist, Interessantes Schwester in den Tod trieb.
trigen bildet. Schnitzlers
Krieg nur eine
Das ist das Vorspiel der Begebenheiten. In einem Dutzend
„Der grüne Kakadu“ zu sehen und zu beklatschen, wem der Judas, der unter der
Bilder, die mehr einen äußeren als inneren Zusammenhang
sem dramatischen Wege zu Maske des Biedermanns in den Familien herumspioniert und
haben, folgt nun die Entwicklung. Auf dem Friedhof, wo man
d versenkte sich wieder in Unschuldige der Polizei denunziert, wem der entschlossene Märtyrer
die beiden Leichen ins Grab versenkt, ist auch die herbe und stolze
sit ihren mehr nach innen der Freiheitssache und Tyrannenmacht, der mutig in den Tod
Schwester des Prinzen von Valois erschienen. Sie will Blumen auf
geht? Wir kennen sie alle, in ihren einzelnen Beziehungen und
wer vorstellen, daß ihn untereinander, wir haben im Gedächtnis ein ganz bestimmtes dem Sarg des Bruders niederlegen, aber Medardus leidet es
der eine weite Perspektive theatralisches Bild von dem Wien der Basteien, wo die Be=nicht. Er schleudert ihr einen Schimpf ins Gesicht und spricht
dwoher zuflog und nicht völkerung halb geängstigt, halb neugierig den Belagerungskampf von ihren „hochmütig mörderischen Fingern“. Der Marquis von
war. Welche Farben sollte verfolgt; wir wissen, daß es auch unter den fremden Soldaten Valois, ihr Bräutigam, fordert ihn vor die Klinge, aber
der Prinzessin aber
er verwundet ihn bloß. In
ein paar anständige Offiziere gibt, die sich bei der Einquartierung
distorie. Aber da schreckte
, und so tauchte in seiner als Ehrenmänner benehmen. Zugegeben, daß ein bestimmter keimt ein heißes Verlangen nach Medardus. Sie sendet ihm
eine Botin ins Haus, und er ahnt, welche Möglichkeiten sich ihm
von anno 1809 dramatischer Hintergrund bestimmte Erscheinungen bedingt; das
Napoleon mit seinen aber ist die große Kunst des Dichters, im Widerspiel historischer eröffnen. Sein Herz ist voll Rache. Er hat sich ein Ziel ge¬
steckt: er will die Prinzessin Helene verführen und ihre Schande
wie ein blutiger Feuerball und individueller Probleme zu neuen und positiven Resultaten zu!
dann öffentlich machen. Aber in der heißen Liebesnacht wird
gelangen. „Der junge Medardus“ ist als allgemeines Zeitbild
der große Aufruhr aller
nur ein Schaustück und die sprachlichen und technischen Mittel sein Entschluß zunichte: seine Racheempfindungen wandeln sich.
dsproblem,
Verzweiflung,
Enthusiasmus, bleiben in den Grenzen der Gewöhnlichkeit. Hie und da nur Da kommt ein neues Unglück über die Familie des armen
en rasselt,
Medardus. Sein Onkel, der Sattlermeister Eschenbacher, von
Rache, Schicksal. Die leuchtet ein warmer poctischer Strahl.