II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 107

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22. Der junge Ledandus
anac Punt Wshnin
kaum darüber im Unklaren, daß er auch
zum erstenmal Aug' in Auge mit Medardus, innerlich
seiner Gegner, der Willenlosigkeit seiner Umgebung
Heroismus nur als überflüssige Posc
sofort die Seine. Die bräutliche Vereinigung folgte in
als dem überragenden kaiserlichen Willen zu verdanken
diantenhafte Selbsttäuschung eines unre
derselben Nacht. Man sieht, dieser junge Mann kann
hatte; eine Zeit, in der ein Mann wie Erzherzog Karl
faßt. Eine schmerzliche Ironie liegt ü
erobern. An Stelle des toten Liebespaares tritt das
den Sieg von Aspern gar nicht auszunützen verstand;
ein „Wiener Hamlet“, das ist beina
Lebendige — die Prinzessin von Valois und der
eine Zeit, in der die Besten zauderten und die Kühnsten
des Wienerischen und der Hamlet=Natun
Bürgerssohn. Dieser aber nicht nur der Buhle der Prin¬
an ihre Macht nicht glaubten. Sozusagen eine Schnitz¬
und bewunderungswürdiger, daß diese
zessin, sondern auch das Werkzeug ihrer royalistischen
lersche Zeit; eine Zeit, die wirklich so war, wie Schnitzler
stimmung nirgends die rein menschl
Pläne und er selbst im Wahne, sie nun als „Frau“.
uns am liebsten die Welt malt: mit dem leisen Spott
an den Vorgängen verwehrt oder a
entlarven und so seine entehrte Schwester rächen zu
eines überlegenen Melancholikers, der bei heldischen
auch erstaunlich bleibt und die außeror
können, in Wahrheit jedoch ganz unfähig, dem Liebes¬
Taten nur die großartige Gebärde sieht und die Klein¬
schaft Schnitzlers bezeugt, daß der u
zauber zu widerstehen oder zu entrinnen. Aus seinem
heit des Menschenherzens durchschaut hat. Oder, wenn
bau des Stückes mit den vielen, Zeit un
Lieben und Träumen schreckt ihn die standrechtliche Er¬
man will, eine wienerische Zeit; eine Zeit, deren wich¬
den Nebengestalten dennoch die auf
schießung seines Oheims auf. Jetzt glaubt er zu wissen,
tigste Aufgaben dadurch versäumt wurden, daß sie in
Personen beschränkte Haupthandlung
was er zu tun hat. Napoleon muß von seiner Hand
die Hände der Wiener gelegt waren, deren „Leichtlebig¬
hervortreten läßt. Jede einzelne von den
fallen. Da sucht die Prinzessin ihn zu der gleichen Tat
keit“ und deren mangelnden Sinn für Verantwortung
ist gleichsam ein Theaterstück für sich
zu bereden und auf einmal lähmt ein müder Ekel seine
Schnitzler so trefflich darzustellen weiß.
oder packendes Bild, aber alle greifen
Hand: er will ja Held, nicht Werkzeug sein. Im Klügeln
Diese Zeit verkörpert sich gleichsam im Helden des
während wird eine echt dramatische
und Grübeln seines Hirnes erstickt die Schwungkraft
Stückes, im jungen Medardus Klähr, einem Wiener
und befriedigt und die mächtige Ste
seines Herzens. Nur die Eifersucht vermag ihn noch zu
Bürgerssohn, der in trunkener Schwärmerei für Frei¬
Schlußszenen triumphiert über die h
stacheln und mit dem Dolch, der für den Kaiser be¬
heit und Vaterland, für Volksrecht, Männerwürde und
müdung des Zuschauers.
stimmt war, ersticht er die Prinzessin, da er sie für die
Heldenruhm sich doch eigentlich nur an Worten be¬
Wenig eindringlich wirkt nur das
Geliebte Napoleons hält, just in dem Augenblicke, als
rauscht und der Reihe nach feinen Vater, seine Schwester,
der Bastei). Da versagt auch die Re
sie selbst sich anschickt, Napoleon zu töten. So rettet
seinen Oheim rächen will, ohne je zur Tat zu gelangen,
gehört, als Bühnenbild und schauspi
Medardus dem Kaiser sogar das Leben! Statt nun die
immer nur in Anläufen und Vorsätzen befangen bleibend,
Sehenswürdigsten, was das Burgth
persönliche Freiheit und Sicherheit, die ihm zum Dank
die einander ablösen und verwirren und aus dem
langem geboten hat. Herr Gerasch
dafür gewährt wird, zu nützen und — spät genug, aber
„idealen“ Jüngling einen Wiener Hamlet machen
Frau Bleibtreu als Mutter und #
nicht zu spät — ein braver Sohn seiner Mutter und
— mit diesem Schlagwort ist der Charakter des Helden
als Oheim stehen auf dem Platze, für
guter Bürger zu werden, den Lauf der Weltgeschicke an¬
gut umschrieben. Eine Französin königlichen Geblüts,
waren. Fräulein Wohlgemuth als
deren, festeren Händen überlassend, verschmäht er die
die alles daran setzte, um die Ehe ihres Bruders mit
und Herr Arndt als Arzt rückten mi
kaiserliche Gnade, enthüllt er seinen eigenen Mordplan
der Schwester des Medardus zu vereiteln, und so das
Leistungen in die vorderste Reihe des
und nimmt er so freiwillig den Heldentod auf sich —
Liebespaar, das schon zu weit gegangen, in den Tod
trieb, wird an dem offenen Grabe der Selbstmörder, oder was ihm dafür gilt. Denn der Poet läßt unstheaters.