22. Derjunge Medandus
box 26/5
25. November 1910.
Seite 11
aber nur Maske, ihr innerstes Gefühl, die Angst, dingen. Man erzählt sich, daß Helene Napoleons
vor der Schlacht, nicht merken. zu lassen. Vor dem Geliebte sei. Davon hört auch Medardus und seine
Wirtshaus gibt es plötzlich eine Bewegung. Zwei Sinne werden verwirrt.
Viel Volk strömt nach Schönbrunn. Dort soll
Leichen sind ans Land geschwemmt worden. Man
Napoleon Parade halten. Jeder will ihn sehen.
bringt sie in die Schänte, Medardus erkennt den
Seit langem lag es in Medardus' Sinn zu tun, was
Prinzen von Valois und seine Schwester Agathe.
Helene von ihm verlangt hat. Jetzt ist sein Arm
Furchtbare Rachepläne steigen in ihm auf. Sein
17
lahm, sein Dolch stumpf geworden, denn Medardus
∆## „der junge Medardus“
Vater ist ein Opfer Napoleons, seine Schwester eines
kann nicht aus dem Rächer seines Vaterlandes ein
Franzoien aus dem Hause Valois geworden. Nun
774 bramatische Hisiorie von Arthur Schnitzler
gedungener Mörder im Solde der Valois werden.
bleibt Medardus in der Stadt. „Es könnte sein,
Uraufführung im Wiener Hofburgtheater
Seine Liebe zu Helene hat einen anderen Menschen
raß ich hier noch was zu tun hätte“, ruft er un¬
um 24. November.
aus ihm gemacht. Die Eifersucht quält ihn, macht
heimlich drohend.
ihn sinnlos, und sein Dolch, der für Nupoleon be¬
Am 12. Oktober 1809 hielt Kaiser Apoleon
Das Vorspiel, ein Stück für sich, das in dieser
stimmt war, wühlt sich in Helenens Herz. Man
der Erste im Schloßhof zu Schönbrunn am Vor¬
Historie eine glänzende Exposition versieht, ist zu
bringt Medardus ins Gefängnis. Er hat dem
mittag über einige Abteilungen von französischen
Ende Der erste Aufzug bietet ein düsteres Fried¬
Kaiser von Frankreich das Leben gerettei, denn es
Soldaten, welche als Gefangene gegen österreichische
hofsbild, die Leichen des unglücklichen Liebespaares
ist erwiesen, daß Helene mit der Absicht ins Schloß
ausgewechselt waren, Musterung. Da drängte sich werden im gemeinsamen Grabe bestattet. Schon
ein junger Mann: sympathischem Außeren, der haben sich die Trauergäste entfernt, und noch liegt kam. Napoleon zu ermorden. Napoleon entsendet
ein zusammengefaltetes Papier in den Händen hielt, Medardus im Schmerz versunken vor dem frischen Gen al Rapp zu Medardus, diesen vor sein Ange¬
sicht zu bringen um ihm die Freiheit zu schenken.
durch die Suite. Der Flügeladiutant General Grabe. Die Andacht seiner Trauer wird gestört
Doch Medardus lehnte diese Großmut ab, denn
Rapp ließ den Zudringlichen festnehmen und durch die Ankunft der Prinzessin Helene der
offen bekennt er, er habe Napoleon unschädlich
auf die Schloßwache führen. Als er daselbst einer
Schwester von Francois, die des Bruders Grab¬
stätte mit Blumen schmücken will. In wildem Auf. machen wollen. Wäre ihm Helene nicht in den Weg
Leibesvisitation unterzogen wurde, fand man in
schrei heischt Medardus, daß die Prinzessin die gekommen, hätte sein Stahl Napoleon getroffen.
seiner Rocktasche ein großes zweischneidiges Messer.
Blumen fortnehme „oder ich zertrete sie.“ — Marquis Napoleon, dem dies freimütige Geständnis impo¬
Über dessen Bestimmung befragi, verweigerte er
niert, will Medardus wieber die Freiheit geben.
jede Auskunst mit den Worten: „er werde nur dem Vertrand von Valois der um Helene wirbt und ihr auf
wenn er verspricht, ihm nicht mehr nach dem Leben
Kaiser Rede stehen". Napoleon von dem Vorfalle den Friedhof gefolgt ist, fordert Medardus vor seine
Klinge. Die Prinzessin gelobt ihm, die Seine zu trachten. Mutter und Freunde vermögen
in Kenntnis gesetzt, ließ sich den Gefangenen vor¬
werden, wenn er den Frechling tötet. Diesen Auf.Medardus zu diesem Worte nicht zu bewegen, und
führen welcher angab, er heiße Friedrich Stapps
er erduldet den Feuertod als „dieses Krieges letzter
trag vermag aber der Marquis nicht auszuführen
und mache kein Hehl daraus, daß er gekommen sei,
und seltsamster Held“.
um den Kaiser zu ermorden. Napoleon stellte dem
denn Medardus pariert den tötlichen Gegenstich
Ist es uns geglückt, die Vorgänge im „jungen
jungen Manne volle Begnadigung in Aussicht, wenn
geschickt, verletzt den Herzog am Arm und erhält
Medardus“ wie wir es angestrebt haben, plastisch
er von seinem verbrecherischen Vorhaben abstehe.
von ihm eine gefährliche Wunde unweii des
und ausführlich zu skizzieren, dann sind wir der
„Sie zu töten,“ erwiderte Stapps ruhig, „ist für Herzens. Helene wird die Sorge um den hübschen
Kritik enthoben. Denn man wird leicht erkennen,
mich kein Verbrechen, sondern Pflicht. Ich verlange mutigen Medardus nicht los., Die von ihm schwer
daß in jeder Szene der Dramatiker, der Poet
mir keine Verzeihung und bedauere nur, daß ich Beleidigte entsendet ihre Vertraute Nerina in die
waltet, der das Leben in seiner ursprünglichen Kraft
meine Absicht nicht habe ausführen können.“ Der Krankenstube, damit sie Medardus die Blumen
und Gewalt darstellt und keine der vielen Personen
junge Mann wurde zum Tode verurteilt; mit bringe, die er vernichten wollte. Der fiebernde
verzeichnet, Menschen von Fleisch und Blut aus den
mutiger Fassung betrat Siapps am 15. Oktober Medardus läßt der Prinzessin sagen, daß er noch
verschiedenen Sphären und Schichten portraitgetreu
1809 den Richtplatz und bot standhaft seine Brust am Abend sich im Parke ihrer Villa einfinden werde,
gestaltet hat. Der junge Medardus selbst ist am
den Geschossen, welche sein Leben beschlossen.
ihr seinen Dank persönlich zu Füßen zu legen.
besten charakterisiert durch die Antwort, die er von
Helenens Botschaft kommt ihm gelegen. Seine
Das ist die historische Tatsache, deren sich
seinem Freunde Etzelt erhält: „Worte, Medardus,
Schwester will er rächen, wenn er die Prinzessin in
Arihur Schnitzler in seinem „jungen Medardus“
große tönende Worte!“ Es ist ein Werk von unge¬
bemächtigt hat. Er schildert die Wiener Tage des
den Armen hat, alle zusammenrufen, Herrschaft
heurem Reichtum der Erscheinungen und Gescheh¬
und Lakaien. Mit der Wunde in der Brust macht
unglücklichen Kriegsjahres 1809, gibt ein Kultur¬
bild der traurigen Epoche und vermehrt gleichzeitig er sich zum Rachewerk auf. Helene hat sich inzwischen nisse und bedeutet nach dieser Richtung vielleicht eine
bedeutsame Wende in Schnitzlers Schaffen; in der
die Napoleon=Dramen. Der Autor hält sich größten- dem Marquis verlobt, doch die Bedingung gestellt,
Tiefe und Weißheit der Empfindung ist es ein echter
teils an die Ereignisse, bringt auch historische daß er gleich nach der Trauung nach Frankreich ab¬
Schnitzler.
Ludwig Klinenberger.
Personen auf die Bühne, gestaltet aber ihr Walten reisen müsse. Ich will nicht früher einen Sohn zu
für seine dichterischen Zwecke mitunter anders, als
erwarten haben,“ sagt sie ihm „ehe ich sicher bin,
Die Aufführung.
der Chronist vermeldet. Wien ist wieder von der
daß er bestimmt ist, einmal König von Frankreich
L. K. Wien, 10 Uhr abends.
Franzosennot bedrängt, die Bevölkerung vom
zu werden.“ Etzeli, der die Klährsche Buchhandlung
Napoleon=Haß erfüllt. Der graße Korse fühlt sich leitei und Medardus treuer Freund, wartet sorgen¬
Die mit Spannung erwartete Urpremiere
seinem Plane, eine Weltherrschaft zu begrunden, voll die ganze Nacht vor der Villa Valois. Seine
fand bei einem bis aufs letzte Plätzchen gefüllten
näher gerückt. Die Bürgermiliz bewacht die Stadt, Ahnung hat ihm den richtigen Weg gezeigt. Da der
Haus statt. Das Haus bot einen glänzenden An¬
die Landwehr kommt ins Gesecht und wirkt Wunder junge Tag beginnt, schlüpft Medardus aus der
blick. In den Logen und im Parkett waren die
Gartenpforte.
der Tapferkeit. Der junge Erzherzog Maximilian,
Vertreter des geistigen und künstlerischen Wiens fast
der das Stadikommando inne hat, schreitet zur Auf¬
Die Franzosen sind inzwischen vor Wien an¬
vollzählig erschienen unter denen man zahlreiche
stellung von Freiwilligenkorps und errichtet aller
gelangt. Sie haben ein Haus hinter den kaiser¬
charakteristische Gestalten bemerkte. Außer der
Orten Werbestationen. „Jeder, der ein eigenes Ge¬
lichen Stallungen am Spittelberg durchgebrochen,
Künstlerwelt waren viele Stars anwesend, ferner
wehr, Pulver und Blei besitzt, hat solches mitzu¬
um ihre Kanonen auf die Burgbastei richten zu
sah man viele Hoffunktionäre, den Obersthofmeister
bringen, und die übrigen nicht Bewaffneten müssen
können. Ein Trompeter, der mit den Abgesandten
Fürsten Monienuovo, den Kabinettsdirektor
mit Sensen, Hacken und dergleichen Dienste leisten.“
des Marschall Lannes durchs Tor geritten ist, wird
Freiherr von Schießl. In der Hofloge ist Erz¬
So sieht es im Wien des „jungen Medardus“ aus. von der aufgeregten Menge erschlagen. Kanonen¬
herzog Karl Stephan mit Sohn und Tochter,
Er ist der Sohn der Buchhändlers=Witwe Klähr, denner erdröhnt. Der Feuerschein am Himmel ver¬
hingegen fehlten die aristokratischen Kreise. Die
ihr Mann diente bei der Bürgergarde, ihm war rät, daß viele Gebäude in Flammen stehen. Die
erste Pause trat um ¼ 10 Uhr nach dem zweiten
nicht ein ehrlicher Soldatentod bestimmt. Er
Kanonade dauert an, Hunger und Not steigern die
Akt (8. Bild) ein. Die ersten 7 Bilder wickelten sich
wurde mit der ganzen Bürgergarde aufs Glacis be¬
Erregung. Lebensmittel sind kaum aufzutreiben, fast ohne Unterbrechung ab. Nach dem Vorspiel setzte
orderi um den Kaiser Napoleon zu erwarten und
Das Volk verlangt stürmisch, man möge kapitulieren bereits Beifall ein. Kaum, daß er ertönte, erschien
vor ihm zu paradieren. Von sieben Uhr abends
und die weiße Fahne auf der Bastei aufstecken. „Wir
Reaisseur Thimig, um im Namen des Dichters
bis Mitternacht standen sie wie Lakeien im Schnee¬
zu danken.
wollen nicht massakriert werden!“, tobt die Menge.
sturm da vergebsich — der Kaiser kam nicht. Fieber. Ein uralter, schon schwachsinniger Herr, dem alle
Nach dem ersten Akt war der Beifall schon
geschütielt trai Klähr in seine Stube, legte sich ins seine Kinder und Kindeskinder ins Grab voran¬
lebhaft und Schnitzler konnte selbst sich dem Publi¬
Bett und starb nach drei Tagen. Das hat in Frau gegangen sind zieht mit einer kleinen Urenkelin
kum einigemal zeigen. Das Bild des zweiten Aktes
Klähr den Inarimm gegen Napoleon noch mächtig durchs Stück. Das Schlachtgetöse lockt ihn auch auf
ließ einigermaßen kühl; das Publikum applaudierte
geschürt. Auf ihren prächtigen Sohn Medardus hat die Burgbastei, da tötet ein Granatsplitter das kleine
nur einigemal dem vortrefflichen Spiel des Herrn
die Tochter des befreundeten Drechslermeisters Anna Mädchen und nun steht der Alte ganz allein da.
Arndt. Nach dem zweiten Akt konnte Schnitzler
ein liebevolles Auge gerichtet. Medardus soll am Wien hat sich ergeben. Napoleon ist in Schönbrunn
wieder mehrmals erscheinen. Indes zeigte sich, daß
nächsten Tage zur Studentenlegion einrücken. Seine eingezogen. Die Trauung zwischen Helene und dem
die ungeheure Arbeit, die das Burgtheater auf dieses
Schwester Agathe liebt den jungen Prinzen Francois. Marquis wurde vollzogen. Durch seine Kundschafter Stück angewendet hale, den Jutentionen Schnitzlers
einen Sproß aus der capetingischen Seitenlinie hat Napoleon hievon Kenntnis bekommen, sendet nicht ganz gerecht werden konnte. Man mußte be¬
der Valois, die einst auf Frankreichs Thron ge= General Rapp zu den bestürzten Valois', der Brautkanntlich mit „der Drehbühne arbeiten, um nicht
fessen. Der verbannte alte blinde Herzog Christophe, inebst den Glückwünschen ein kostbares Perlenhals=durch den Aufbau der einzelnen Bühnenbilder die
dem der Kaiser von Österreich in einem Vorstadt= band als Angebinde zu bringen und die Familie szenische Folge der Bilder zu stören. Die Drehbühne
palais von Wien Gastfreundschaft gewährt, träumt zu der am nächsten Tage in Schönbrunn statt= oßattet aber nur allzu kleine Päume was die Ent¬
box 26/5
25. November 1910.
Seite 11
aber nur Maske, ihr innerstes Gefühl, die Angst, dingen. Man erzählt sich, daß Helene Napoleons
vor der Schlacht, nicht merken. zu lassen. Vor dem Geliebte sei. Davon hört auch Medardus und seine
Wirtshaus gibt es plötzlich eine Bewegung. Zwei Sinne werden verwirrt.
Viel Volk strömt nach Schönbrunn. Dort soll
Leichen sind ans Land geschwemmt worden. Man
Napoleon Parade halten. Jeder will ihn sehen.
bringt sie in die Schänte, Medardus erkennt den
Seit langem lag es in Medardus' Sinn zu tun, was
Prinzen von Valois und seine Schwester Agathe.
Helene von ihm verlangt hat. Jetzt ist sein Arm
Furchtbare Rachepläne steigen in ihm auf. Sein
17
lahm, sein Dolch stumpf geworden, denn Medardus
∆## „der junge Medardus“
Vater ist ein Opfer Napoleons, seine Schwester eines
kann nicht aus dem Rächer seines Vaterlandes ein
Franzoien aus dem Hause Valois geworden. Nun
774 bramatische Hisiorie von Arthur Schnitzler
gedungener Mörder im Solde der Valois werden.
bleibt Medardus in der Stadt. „Es könnte sein,
Uraufführung im Wiener Hofburgtheater
Seine Liebe zu Helene hat einen anderen Menschen
raß ich hier noch was zu tun hätte“, ruft er un¬
um 24. November.
aus ihm gemacht. Die Eifersucht quält ihn, macht
heimlich drohend.
ihn sinnlos, und sein Dolch, der für Nupoleon be¬
Am 12. Oktober 1809 hielt Kaiser Apoleon
Das Vorspiel, ein Stück für sich, das in dieser
stimmt war, wühlt sich in Helenens Herz. Man
der Erste im Schloßhof zu Schönbrunn am Vor¬
Historie eine glänzende Exposition versieht, ist zu
bringt Medardus ins Gefängnis. Er hat dem
mittag über einige Abteilungen von französischen
Ende Der erste Aufzug bietet ein düsteres Fried¬
Kaiser von Frankreich das Leben gerettei, denn es
Soldaten, welche als Gefangene gegen österreichische
hofsbild, die Leichen des unglücklichen Liebespaares
ist erwiesen, daß Helene mit der Absicht ins Schloß
ausgewechselt waren, Musterung. Da drängte sich werden im gemeinsamen Grabe bestattet. Schon
ein junger Mann: sympathischem Außeren, der haben sich die Trauergäste entfernt, und noch liegt kam. Napoleon zu ermorden. Napoleon entsendet
ein zusammengefaltetes Papier in den Händen hielt, Medardus im Schmerz versunken vor dem frischen Gen al Rapp zu Medardus, diesen vor sein Ange¬
sicht zu bringen um ihm die Freiheit zu schenken.
durch die Suite. Der Flügeladiutant General Grabe. Die Andacht seiner Trauer wird gestört
Doch Medardus lehnte diese Großmut ab, denn
Rapp ließ den Zudringlichen festnehmen und durch die Ankunft der Prinzessin Helene der
offen bekennt er, er habe Napoleon unschädlich
auf die Schloßwache führen. Als er daselbst einer
Schwester von Francois, die des Bruders Grab¬
stätte mit Blumen schmücken will. In wildem Auf. machen wollen. Wäre ihm Helene nicht in den Weg
Leibesvisitation unterzogen wurde, fand man in
schrei heischt Medardus, daß die Prinzessin die gekommen, hätte sein Stahl Napoleon getroffen.
seiner Rocktasche ein großes zweischneidiges Messer.
Blumen fortnehme „oder ich zertrete sie.“ — Marquis Napoleon, dem dies freimütige Geständnis impo¬
Über dessen Bestimmung befragi, verweigerte er
niert, will Medardus wieber die Freiheit geben.
jede Auskunst mit den Worten: „er werde nur dem Vertrand von Valois der um Helene wirbt und ihr auf
wenn er verspricht, ihm nicht mehr nach dem Leben
Kaiser Rede stehen". Napoleon von dem Vorfalle den Friedhof gefolgt ist, fordert Medardus vor seine
Klinge. Die Prinzessin gelobt ihm, die Seine zu trachten. Mutter und Freunde vermögen
in Kenntnis gesetzt, ließ sich den Gefangenen vor¬
werden, wenn er den Frechling tötet. Diesen Auf.Medardus zu diesem Worte nicht zu bewegen, und
führen welcher angab, er heiße Friedrich Stapps
er erduldet den Feuertod als „dieses Krieges letzter
trag vermag aber der Marquis nicht auszuführen
und mache kein Hehl daraus, daß er gekommen sei,
und seltsamster Held“.
um den Kaiser zu ermorden. Napoleon stellte dem
denn Medardus pariert den tötlichen Gegenstich
Ist es uns geglückt, die Vorgänge im „jungen
jungen Manne volle Begnadigung in Aussicht, wenn
geschickt, verletzt den Herzog am Arm und erhält
Medardus“ wie wir es angestrebt haben, plastisch
er von seinem verbrecherischen Vorhaben abstehe.
von ihm eine gefährliche Wunde unweii des
und ausführlich zu skizzieren, dann sind wir der
„Sie zu töten,“ erwiderte Stapps ruhig, „ist für Herzens. Helene wird die Sorge um den hübschen
Kritik enthoben. Denn man wird leicht erkennen,
mich kein Verbrechen, sondern Pflicht. Ich verlange mutigen Medardus nicht los., Die von ihm schwer
daß in jeder Szene der Dramatiker, der Poet
mir keine Verzeihung und bedauere nur, daß ich Beleidigte entsendet ihre Vertraute Nerina in die
waltet, der das Leben in seiner ursprünglichen Kraft
meine Absicht nicht habe ausführen können.“ Der Krankenstube, damit sie Medardus die Blumen
und Gewalt darstellt und keine der vielen Personen
junge Mann wurde zum Tode verurteilt; mit bringe, die er vernichten wollte. Der fiebernde
verzeichnet, Menschen von Fleisch und Blut aus den
mutiger Fassung betrat Siapps am 15. Oktober Medardus läßt der Prinzessin sagen, daß er noch
verschiedenen Sphären und Schichten portraitgetreu
1809 den Richtplatz und bot standhaft seine Brust am Abend sich im Parke ihrer Villa einfinden werde,
gestaltet hat. Der junge Medardus selbst ist am
den Geschossen, welche sein Leben beschlossen.
ihr seinen Dank persönlich zu Füßen zu legen.
besten charakterisiert durch die Antwort, die er von
Helenens Botschaft kommt ihm gelegen. Seine
Das ist die historische Tatsache, deren sich
seinem Freunde Etzelt erhält: „Worte, Medardus,
Schwester will er rächen, wenn er die Prinzessin in
Arihur Schnitzler in seinem „jungen Medardus“
große tönende Worte!“ Es ist ein Werk von unge¬
bemächtigt hat. Er schildert die Wiener Tage des
den Armen hat, alle zusammenrufen, Herrschaft
heurem Reichtum der Erscheinungen und Gescheh¬
und Lakaien. Mit der Wunde in der Brust macht
unglücklichen Kriegsjahres 1809, gibt ein Kultur¬
bild der traurigen Epoche und vermehrt gleichzeitig er sich zum Rachewerk auf. Helene hat sich inzwischen nisse und bedeutet nach dieser Richtung vielleicht eine
bedeutsame Wende in Schnitzlers Schaffen; in der
die Napoleon=Dramen. Der Autor hält sich größten- dem Marquis verlobt, doch die Bedingung gestellt,
Tiefe und Weißheit der Empfindung ist es ein echter
teils an die Ereignisse, bringt auch historische daß er gleich nach der Trauung nach Frankreich ab¬
Schnitzler.
Ludwig Klinenberger.
Personen auf die Bühne, gestaltet aber ihr Walten reisen müsse. Ich will nicht früher einen Sohn zu
für seine dichterischen Zwecke mitunter anders, als
erwarten haben,“ sagt sie ihm „ehe ich sicher bin,
Die Aufführung.
der Chronist vermeldet. Wien ist wieder von der
daß er bestimmt ist, einmal König von Frankreich
L. K. Wien, 10 Uhr abends.
Franzosennot bedrängt, die Bevölkerung vom
zu werden.“ Etzeli, der die Klährsche Buchhandlung
Napoleon=Haß erfüllt. Der graße Korse fühlt sich leitei und Medardus treuer Freund, wartet sorgen¬
Die mit Spannung erwartete Urpremiere
seinem Plane, eine Weltherrschaft zu begrunden, voll die ganze Nacht vor der Villa Valois. Seine
fand bei einem bis aufs letzte Plätzchen gefüllten
näher gerückt. Die Bürgermiliz bewacht die Stadt, Ahnung hat ihm den richtigen Weg gezeigt. Da der
Haus statt. Das Haus bot einen glänzenden An¬
die Landwehr kommt ins Gesecht und wirkt Wunder junge Tag beginnt, schlüpft Medardus aus der
blick. In den Logen und im Parkett waren die
Gartenpforte.
der Tapferkeit. Der junge Erzherzog Maximilian,
Vertreter des geistigen und künstlerischen Wiens fast
der das Stadikommando inne hat, schreitet zur Auf¬
Die Franzosen sind inzwischen vor Wien an¬
vollzählig erschienen unter denen man zahlreiche
stellung von Freiwilligenkorps und errichtet aller
gelangt. Sie haben ein Haus hinter den kaiser¬
charakteristische Gestalten bemerkte. Außer der
Orten Werbestationen. „Jeder, der ein eigenes Ge¬
lichen Stallungen am Spittelberg durchgebrochen,
Künstlerwelt waren viele Stars anwesend, ferner
wehr, Pulver und Blei besitzt, hat solches mitzu¬
um ihre Kanonen auf die Burgbastei richten zu
sah man viele Hoffunktionäre, den Obersthofmeister
bringen, und die übrigen nicht Bewaffneten müssen
können. Ein Trompeter, der mit den Abgesandten
Fürsten Monienuovo, den Kabinettsdirektor
mit Sensen, Hacken und dergleichen Dienste leisten.“
des Marschall Lannes durchs Tor geritten ist, wird
Freiherr von Schießl. In der Hofloge ist Erz¬
So sieht es im Wien des „jungen Medardus“ aus. von der aufgeregten Menge erschlagen. Kanonen¬
herzog Karl Stephan mit Sohn und Tochter,
Er ist der Sohn der Buchhändlers=Witwe Klähr, denner erdröhnt. Der Feuerschein am Himmel ver¬
hingegen fehlten die aristokratischen Kreise. Die
ihr Mann diente bei der Bürgergarde, ihm war rät, daß viele Gebäude in Flammen stehen. Die
erste Pause trat um ¼ 10 Uhr nach dem zweiten
nicht ein ehrlicher Soldatentod bestimmt. Er
Kanonade dauert an, Hunger und Not steigern die
Akt (8. Bild) ein. Die ersten 7 Bilder wickelten sich
wurde mit der ganzen Bürgergarde aufs Glacis be¬
Erregung. Lebensmittel sind kaum aufzutreiben, fast ohne Unterbrechung ab. Nach dem Vorspiel setzte
orderi um den Kaiser Napoleon zu erwarten und
Das Volk verlangt stürmisch, man möge kapitulieren bereits Beifall ein. Kaum, daß er ertönte, erschien
vor ihm zu paradieren. Von sieben Uhr abends
und die weiße Fahne auf der Bastei aufstecken. „Wir
Reaisseur Thimig, um im Namen des Dichters
bis Mitternacht standen sie wie Lakeien im Schnee¬
zu danken.
wollen nicht massakriert werden!“, tobt die Menge.
sturm da vergebsich — der Kaiser kam nicht. Fieber. Ein uralter, schon schwachsinniger Herr, dem alle
Nach dem ersten Akt war der Beifall schon
geschütielt trai Klähr in seine Stube, legte sich ins seine Kinder und Kindeskinder ins Grab voran¬
lebhaft und Schnitzler konnte selbst sich dem Publi¬
Bett und starb nach drei Tagen. Das hat in Frau gegangen sind zieht mit einer kleinen Urenkelin
kum einigemal zeigen. Das Bild des zweiten Aktes
Klähr den Inarimm gegen Napoleon noch mächtig durchs Stück. Das Schlachtgetöse lockt ihn auch auf
ließ einigermaßen kühl; das Publikum applaudierte
geschürt. Auf ihren prächtigen Sohn Medardus hat die Burgbastei, da tötet ein Granatsplitter das kleine
nur einigemal dem vortrefflichen Spiel des Herrn
die Tochter des befreundeten Drechslermeisters Anna Mädchen und nun steht der Alte ganz allein da.
Arndt. Nach dem zweiten Akt konnte Schnitzler
ein liebevolles Auge gerichtet. Medardus soll am Wien hat sich ergeben. Napoleon ist in Schönbrunn
wieder mehrmals erscheinen. Indes zeigte sich, daß
nächsten Tage zur Studentenlegion einrücken. Seine eingezogen. Die Trauung zwischen Helene und dem
die ungeheure Arbeit, die das Burgtheater auf dieses
Schwester Agathe liebt den jungen Prinzen Francois. Marquis wurde vollzogen. Durch seine Kundschafter Stück angewendet hale, den Jutentionen Schnitzlers
einen Sproß aus der capetingischen Seitenlinie hat Napoleon hievon Kenntnis bekommen, sendet nicht ganz gerecht werden konnte. Man mußte be¬
der Valois, die einst auf Frankreichs Thron ge= General Rapp zu den bestürzten Valois', der Brautkanntlich mit „der Drehbühne arbeiten, um nicht
fessen. Der verbannte alte blinde Herzog Christophe, inebst den Glückwünschen ein kostbares Perlenhals=durch den Aufbau der einzelnen Bühnenbilder die
dem der Kaiser von Österreich in einem Vorstadt= band als Angebinde zu bringen und die Familie szenische Folge der Bilder zu stören. Die Drehbühne
palais von Wien Gastfreundschaft gewährt, träumt zu der am nächsten Tage in Schönbrunn statt= oßattet aber nur allzu kleine Päume was die Ent¬